„Wartest dich dumm und dämlich“: Ohne Auto ist man in diesem Bezirk verloren
Verschoben, verdrängt, vergessen: Der Bezirk Wandsbek im Hamburger Osten hat mit Abstand die meisten Einwohner in der Hansestadt – trotzdem fühlen sich die Menschen dort vom HVV abgehängt. Die Liste der Beschwerden ist lang: Eine zu volle und unpünktliche Regionalbahn plus unzuverlässige Busse sind nur einige der Kritikpunkte. Vor allem die äußeren Stadtteile leiden unter kaum oder schlechter Anbindung, aber auch der mit Abstand bevölkerungsreichste Stadtteil Hamburgs, Rahlstedt, wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Woran liegt das – und wann wird das endlich besser?
Verschoben, verdrängt, vergessen: Der Bezirk Wandsbek im Hamburger Osten hat mit Abstand die meisten Einwohner in der Hansestadt – trotzdem fühlen sich die Menschen dort vom HVV abgehängt. Die Liste der Beschwerden ist lang: Eine zu volle und unpünktliche Regionalbahn sowie unzuverlässige Busse sind nur einige der Kritikpunkte. Vor allem die äußeren Stadtteile leiden unter kaum oder schlechter Anbindung, aber auch der mit Abstand bevölkerungsreichste Stadtteil der Stadt, Rahlstedt, wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Woran liegt das – und wann wird das endlich besser?
Später Nachmittag am Rahlstedter Bahnhof: Alle 30 Minuten – so der Plan – fährt hier die Regionalbahn in Richtung Hauptbahnhof beziehungsweise nach Bad Oldesloe. „Das ist aber eher ein Glücksspiel“, sagt Omed Sadat und lacht dabei. „Mindestens zehn Minuten Verspätung sind eigentlich immer drin. Und wenn ein Zug komplett ausfällt, was auch oft genug passiert, bricht das Chaos aus.“ Denn dann würden alle zur Busanlage traben und sich in die sowieso schon vollen Busse quetschen.
Rahlstedt: Viele Beschwerden über die Regionalbahn
Sadat, der in der Gastronomie arbeitet, benutzt die Regionalbahn sehr häufig. „Der Zug ist sowieso immer mega voll, aber mit Kinderwagen wird es eine noch größere Herausforderung“, erzählt er. Seit anderthalb Jahren wohnt der 27-Jährige mit seiner Familie in Rahlstedt, er ist von Winterhude hierher gezogen. „Die U-Bahn vermisse ich schmerzlich“, sagt er.

Tatsächlich gibt es im 147 Quadratkilometer großen Bezirk Wandsbek nur 20 Bahnhöfe. Runtergerechnet auf die etwa 440.000 Menschen, die hier leben, macht gerade einmal vier U- und S-Bahnstationen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Laut einer Berechnung von „Nahverkehr Hamburg“ sind es in Eimsbüttel neun Haltestellen pro 100.000 Menschen, in Hamburg-Nord sogar zehn.
„Manchmal wartest du dich hier wirklich dumm und dämlich“, schimpft der 25-jährige Fitnesstrainer Jonas Pfeiffer aus Rahlstedt. „Es ist immer ein Glücksspiel, ob der Bus kommt oder nicht. Und die HVV-App ist da auch meistens keine Hilfe.“ Ohne das Auto, das seine Freundin und er sich teilen, wären sie verloren. „Eine schnelle und zuverlässige Busverbindung nach Billstedt wäre mal ein Anfang. Derzeit brauche ich dahin so lange, als wenn ich quer durch die Stadt zur Schanze will.“

Die lange Fahrzeit der Busse nennt auch die Wandsbeker CDU-Fraktionsvorsitzende Natalie Hochheim als Grund dafür, warum eben viele nicht auf den ÖPNV umsteigen. „Nach wie vor können Verbindungen, wie zwischen Rahlstedt und Jenfeld, mit dem Pkw schneller erreicht werden“, sagt sie. „Jenfeld ist und bleibt ausschließlich per Bus zu erreichen.“ Dazu kommen große Neubausiedlungen, wie die Jenfelder Au, deren Busanbindung erst kürzlich auf Ende 2025 verschoben wurde.

Warum aber stehen Tonndorf oder Jenfeld immer hinten an? Die Grünen-Politikerin Rosa Domm, die diesen Wahlkreis in der Bürgerschaft vertritt, hat dazu eine These. „Diese Stadtteile haben keine große Lobby“, sagt sie. „Viele, die dort leben, haben nicht die Mittel sich groß einzusetzen oder zu engagieren – deshalb bleiben sie oft ungehört.“ Inzwischen sei aber schon einiges passiert, wie zum Beispiel der neue X35 zwischen Sorenkoppel über Jenfeld bis nach Eppendorf. Sie setzt sich zudem dafür ein, dass die U4 – wenn sie einmal an der Horner Geest angekommen ist – nach Jenfeld verlängert wird.
Jenfeld: Hamburger Stadtteil ist nur mit dem Bus erreichbar
Das ist natürlich noch in weiter Ferne – etwas konkreter wird es immerhin für Steilshoop und Bramfeld, wo bislang ebenfalls hauptsächlich Busse fahren. Seit rund einem Jahr arbeitet die Hochbahn an dem ersten Abschnitt der U5-Ost, die dann voraussichtlich ab 2029 durch diese Stadtteile fahren wird. Und auch die Tage der unbeliebten Rahlstedter Regionalbahn sind gezählt: Ende 2027 wird diese durch die neue S4 ersetzt. „Rahlstedt wird dann den ganzen Tag über im Zehn-Minuten-Takt von der S4 bedient, mit umsteigefreien Verbindungen über den Hauptbahnhof hinaus und zusätzlichen Haltestellen, die viel mehr Bewohner erreichen“, kündigt SPD-Verkehrsexperte Ole Thorben Buschhüter an.

„Das ist auch unbedingt nötig“, meint die 43-jährige Stefanie Wilcke. Sie wohnt in Stapelfeld, einer Gemeinde im Kreis Stormarn, und pendelt jeden Tag in die Hamburger Innenstadt. „Nach Rahlstedt fahre ich mit dem Auto, denn auf den Bus ist echt kein Verlass“, sagt sie. „Wenn dann endlich die S4 fährt, müsste ich mich nicht mehr jeden Morgen und Abend in die viel zu kleine Regio quetschen.“

Wer nach Lücken im HVV-Netz sucht, der findet sie vor allem im Bezirk Wandsbek, der diesbezüglich jahrzehntelang hinten anstehen musste. Jetzt ist der politische Wille zwar da – trotzdem wird es noch einige Jahre dauern, bis sich für die Bewohner spürbar etwas ändern wird. Vorher werden die Pendler-Nerven jedenfalls noch einmal strapaziert: Ab voraussichtlich Anfang 2026 sperrt die Deutsche Bahn für die Arbeiten der so lange ersehnten S4 zwei Jahre den kompletten Rahlstedter Bahnhof und verlegt den Halt um etwa einen Kilometer.