Hamburger Hafen lahmgelegt! Darum sind die Arbeiter so wütend
Trotz dramatischem Schiffstau und Liefer-Engpässen: Erstmals seit 44 Jahren haben rund 1500 Terminal-Mitarbeiter an dem von Verdi organisierten Warnstreik teilgenommen und den Hamburger Hafen weitgehend lahmgelegt. Sie sind wütend – und fordern jetzt bis zu 14 Prozent mehr Lohn.
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Sie kamen im Blaumann und mit wehenden Fahnen: Rund 1500 Hafenarbeiter haben heute in Hamburg an dem von Verdi organisierten Warnstreik teilgenommen und den Hafen weitgehend lahmgelegt. Es war die erste Arbeitsniederlegung dort seit 1978! Die Terminalbetreiber sind empört, weil die Lage wegen gestörter Lieferketten extrem angespannt ist.
Die meisten Arbeiter versammelten sich um 15 Uhr am Streikposten des Containerterminals Burchardkai. Hier wie auch bei den Demos vor dem Terminal Altenwerder, Tollerort und vorm Hauptgebäude der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) ging es darum, den Druck auf die Arbeitgeberseite zu erhöhen. Am morgigen Freitag beginnt die dritte Verhandlungsrunde um die Löhne und Gehälter für die 12.000 Beschäftigten in den deutschen Seehäfen. Auch in Niedersachsen und Bremen kam es zu Warnstreiks.

Hafenarbeiterin: „Zu einem gefährlichen Job gehört eine gute Bezahlung!“
Verena Witt hat sich unter die Versammelten am Burchardkai gemischt. Sie arbeitet seit 15 Jahren beim Gesamthafenbetrieb. Angefangen hat sie als Tagelöhnerin in Fruchtschuppen. Nach internen Fortbildungen ist die 51-Jährige heute Hafenfacharbeiterin.

„Es heißt ja immer, die Hafenarbeiter würden so viel Geld verdienen“, schimpft Witt. „Aber niemand spricht darüber, was für einen gefährlichen Job wir haben. Wenn etwas passiert , dann passiert auch richtig was. Wir haben es verdient, für dieses tägliche Risiko auch gut bezahlt zu werden!“
Sie selbst verdient 3800 Euro brutto ohne Zuschläge. Die Gewerkschaft Verdi fordert eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro sowie einen Ausgleich für die aktuell rasant steigende Inflation.
Auf Arbeitgeberseite wurde die Forderung vom Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) abgelehnt. Stattdessen wurde eine Lohnsteigerung in zwei Schritten angeboten: 3,2 Prozent zum 1. Juni diesen Jahres, weitere 2,8 Prozent mehr im nächsten Jahr sowie eine Einmalzahlungen von 600 Euro.
Hafenarbeiter: „Die Hafenbetriebe fahren Millionengewinne ein. Das Geld kriegen die Aktionäre. Wir gehen leer aus“
Besonders ärgert Sebastian Kalkowski, wie Verena Witt beim Gesamthafenbetrieb beschäftigt, darüber, dass der ZDS den Tarifvertrag für 24 Monate abschließen will. Normalerweise wird jährlich verhandelt.

„Das Angebot der Arbeitgeber ist eine Frechheit“, schimpft der 39-Jährige auf dem Parkplatz beim Burchardkai. Bisher seien die Hafenarbeiter immer zu Kompromissen bereit gewesen. „Aber in Zeiten, in denen die Hafeneinzelbetriebe dreistellige Millionengewinne machen, ist das einfach nicht mehr drin!“, so Kalkowski.
Die HHLA hatte im März bekannt gegeben, im vergangenen Jahr einen Gewinn von 228 Millionen Euro erwirtschaftet zu haben. Kalkowski empört: „Wir sind es, die diese Gewinne erwirtschaften. Aber das Geld gibt man den Aktionären!“
Hafenarbeiter: „Wir opfern unsere Gesundheit und unsere Freizeit. Dafür wollen wir entlohnt werden“
Auch Christian Warnke, der als Lascher bei PGMS arbeitet, betont, wie wichtig die Erhöhung der Stundenlöhne ist. „Das kommt vor allem den unteren Lohngruppen zugute.“ Er selbst verdiene 3500 brutto ohne Zuschläge.
„In den letzten Monaten haben die Leute hier alles gegeben. Viele machen 50 bis 60 Überstunden im Monat. Wir opfern unsere Gesundheit und unsere Freizeit. Wir verzichten auf Zeit mit unseren Familien. Für diesen Einsatz wollen wir auch entlohnt werden!“

Was Bartosz Tuszynski, Containerbrücken- und VanCarrier-Fahrer bei Eurogate, am meisten vermisst, ist die Wertschätzung. „Früher haben sich unsere Vorgesetzten auch mal bei uns bedankt und sich erkundigt, wie es uns geht. Jetzt spielt das Menschliche überhaupt keine Rolle mehr. Wir Beschäftigte haben das Gefühl, nur noch eine Nummer zu sein. Man sieht in uns nur noch Kostenfaktoren“, so der 48-Jährige.
Statt eines Corona-Bonus‘ gab es für die Hafenarbeiter nur Bratwurst
Selbst bei den Nachwuchskräften ist schon jetzt die Puste raus, weiß Sebastian Biela (25), Fachkraft für Hafenlogistik bei der HHLA sowie Jugend- und Auszubildenden-Vertretung: „Was die meisten Kollegen tief getroffen hat, ist das nur die Führungskräfte einen Corona-Bonus bekommen haben. Die saßen im Homeoffice, während wir hier 24 Stunden rund um die Uhr geschuftet haben und dabei einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt waren, weil auch noch die Pausenräume reduziert wurden.“

Nur in einer Abteilung wurden bei der HHLA die Arbeiter für ihren Corona-Einsatz belohnt: Sie durften sich entscheiden zwischen einer Bratwurst und einem Eis. Sebastian Biela: „Das ist bis heute ein Running Gag. Wenn es nicht so bitter wäre.“
Warnstreik löst Stillstand im Hafen aus
Gleich hinter den Demonstranten am Burchardkai ist zu sehen, welche Auswirkung die Arbeitsniederlegung hat. Die Kräne über den Containerschiffen „MSC Domitille“ und „HMM Nuri“ und den vier weiteren Frachtern stehen still. „Für die Dauer des Warnstreiks ist der Umschlagsbetrieb an den Hamburger Terminals der HHLA vorübergehend eingestellt“, bestätigte eine Sprecherin. Auch in Bremen und Niedersachsen gab es keine Abfertigung.
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Für die Terminalbetreiber, die aktuell mit einem extrem hohen Ladeaufkommen konfrontiert sind, ist der Warnstreik daher eine Katastrophe. Der ZDS hatte die Arbeitsniederlegung als „verantwortungslos und inakzeptabel“ kritisiert. Ob es morgen am Freitag zu einer Annäherung kommt, bleibt dennoch fraglich.