Kunst unter der Brücke: Hamburgs wichtigste Ausstellung
Sie lebten jahrelang auf der Straße und in Wohnheimen, verkauften „Hinz&Kunzt“, um über die Runden zu kommen. Jetzt stellen 30 Hinz&Künztler in der „Homeless-Gallery“ ihre Bilder aus. Sie basieren auf den Lebensgeschichten der Männer und Frauen, die sie einer Künstlichen Intelligenz erzählten. Daraus wurden dann die Bilder generiert.
Sie lebten jahrelang auf der Straße und in Wohnheimen, verkauften „Hinz&Kunzt“, um über die Runden zu kommen. Jetzt stellen 30 Hinz&Künztler in der „Homeless-Gallery“ ihre Bilder aus. Sie basieren auf den Lebensgeschichten der Männer und Frauen, die sie einer Künstlichen Intelligenz erzählten. Daraus wurden dann die Bilder generiert.
Die Ausstellung hat keinen festen Standort – so wie die Künstler. Ab Dienstag wandern die Bilder für fünf Tage durch die Stadt, sind immer da zu sehen, wo sie für Obdachlose erreichbar sind. Die wechselnden Standorte werden auf der Website der „Homeless-Gallery“ bekannt gegeben. Im Herbst werden die Kunstwerke versteigert, der Gewinn geht an „Hinz&Kunzt“, wo sie den Armen zugutekommen. Die MOPO war bei der Eröffnung der Wanderausstellung am S-Bahnhof Hammerbrook und hat mit vier Künstlern geredet.
„Rote Karte, tot“ von Reiner Rümke

Reiner Rümke (64) ist großer St. Pauli-Fan, das zeigt er auch auf seinem Bild. „Der Totenkopf hat aber zweierlei Bedeutungen“, sagt er. „Er steht neben St. Pauli für die vielen Toten, die auf der Straße sterben. Es sind einfach zu viele.“ Die Figur mit dem Totenkopf auf Rümkes Bild hält eine Rote Karte in der Hand, wie beim Fußball. Auch die Karte hat neben dem Fußballbezug eine weitere Bedeutung: „Die Rote Karte ist für die Politiker. Damit die endlich mal was machen.“
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Rümke war selbst wohnungslos, hat in Wohnheimen gelebt. Oft gab es dort Konflikte und Schlägereien, meistens wegen Alkohol. Rümke hat seit 1997 „Hinz&Kunzt“ verkauft, seit sieben Jahren hat er einen Teilzeitjob im Vertrieb. Dadurch hat er viele Menschen kennengelernt, die auf der Straße starben. Er wünscht sich, dass die Politik endlich wirkungsvolle Maßnahmen ergreift: „Das Winternotprogramm soll 24 Stunden am Tag geöffnet sein, keiner kann bei Minusgraden draußen leben.“
„Miezekatze auf St. Pauli“ von Silvia Zahn

Als Silvia Zahn im Jahr 2000 nach Hamburg kam, lebte Sie ein halbes Jahr auf der Straße. Tagsüber schlief sie in der Bahn, die Nächte verbrachte sie auf dem Kiez. „Für mich war es ungewohnt, auf der Straße zu leben. Ich hatte gar nichts.“ In einer Hotelküche fand sie Arbeit und kam schließlich 2007 zu „Hinz&Kunzt“.
Dort ist sie heute festangestellt, pflegt in ihrer Freizeit die Katze des Nachbarn und möchte gerne Urlaub in Norwegen machen. „Ich will im Winter nochmal mit den Hurtigruten-Schiffen nach Norwegen und die Nordlichter sehen“, sagt sie. Auf ihrem Bild „Miezekatze auf St. Pauli“ sind genau diese Dinge abgebildet: die Katze in der Nacht auf St. Pauli und am Himmel das Nordlicht.
„Innere Reflexion“ von Jörg Petersen

Das Bild von Jörg Petersen (52) heißt „Innere Reflexion“. Petersen sagt, es zeigt ihn, wie er Frieden findet. „Wenn ich mich nach einem harten Tag hinsetze und allein bin, dann kann ich runterkommen, meine Unruhe verarbeiten.“ Er habe das oft gebraucht, in der Zeit, in der er wohnungslos war und „Hinz&Kunzt“ verkaufte. Dann habe er sich gesagt: „Stopp! So schlimm war‘s doch gar nicht.“
Durch den Verkauf des Magazins habe er an seinem Tiefpunkt wieder Kraft gefunden. Er habe gemerkt, dass er etwas kann. So kam er auch an seinen jetzigen Job als Seniorenberater, einer seiner Kunden bot ihm die Stelle an. Jetzt wohnt Petersen in einer eigenen Wohnung, hat es weg von der Straße geschafft. Trotzdem setzt er sich immer noch manchmal hin und ordnet seine Gedanken. „Darin finde ich Freiheit“, sagt er.
„Eine stürmische Nacht“ von Peter Konken

Peter Konken ist 63 und hat vor 28 Jahren angefangen „Hinz&Kunzt“ zu verkaufen. Als er seine Wohnung verlor, schlief er in seinem geleasten Opel Astra, für den er aber die Raten nicht mehr bezahlen konnte. Konken wurde obdachlos und übernachtete zwei Jahre lang in einem Zelt an der Elbe. Dieses Zelt ist auf seinem Bild zu sehen, Konken sagt: „Der Computer hat sogar die Farbe von meinem Zelt getroffen. Dabei habe ich die gar nicht erwähnt“.
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Das Bild heißt „Eine stürmische Nacht“ und zeigt das rote Zelt vor dem aufgewühlten Wasser der Elbe. Dass Konken da lebte, ist jetzt mehr als zwanzig Jahre her – mittlerweile wohnt er mit seiner Freundin in einer eigenen Wohnung, hat sogar einen Wohnwagen an der Ostsee. „Jetzt geht es mir gut, jetzt lebe ich mein Leben. Aber ich war auch schon kurz davor, in die Elbe zu springen“, sagt er.