„Im Stehen pinkeln verboten“: Die skurrilen Ausreden des grünen Strippenziehers
„Hummer-Essen”, rote Rosen, Bohrmaschinen und Kinderbetreuung: In 121 Fällen soll Ex-Bezirksfraktionschef Michael Osterburg (55) Geld aus der Kasse der Grünen-Fraktion in Hamburg-Mitte für private Zwecke benutzt haben. Die Summe der mutmaßlich veruntreuten Gelder: 33.000 Euro. Seit Mittwoch muss sich Osterburg deswegen vor dem Landgericht Hamburg verantworten – und legte ein Teilgeständnis ab. Seine Erklärungen, etwa zu mehr als 60 Restaurantbesuchen, einem großen Griff in die Fraktionskasse oder üppigen Blumensträußen, deren Bestellung ganz zufällig mit dem Geburtstag seiner damaligen Lebenspartnerin Anna Gallina (Grüne) zusammenfielen, muten dabei mitunter sehr skurril an.
Ganz klein macht sich der ehemals einflussreiche Politiker in seiner beigen Multifunktionsjacke. Durch den Hintereingang hatte er sich in den Gerichtssaal geschlichen. Als die Fotografen kommen, setzt er die Kapuze auf und hält sich eine blaue Mappe vors Gesicht.
„Hummer-Essen”, rote Rosen, Bohrmaschinen und Kinderbetreuung: In 121 Fällen soll Ex-Bezirksfraktionschef Michael Osterburg (55) Geld aus der Kasse der Grünen-Fraktion in Hamburg-Mitte für private Zwecke benutzt haben. Die Summe der mutmaßlich veruntreuten Gelder: 33.000 Euro. Seit Mittwoch muss sich Osterburg deswegen vor dem Landgericht Hamburg verantworten – und legte ein Teilgeständnis ab. Seine Erklärungen, etwa zu mehr als 60 Restaurantbesuchen, einem großen Griff in die Fraktionskasse oder üppigen Blumensträußen, deren Bestellung ganz zufällig mit dem Geburtstag seiner damaligen Lebenspartnerin Anna Gallina (Grüne) zusammenfielen, muten dabei mitunter sehr skurril an.
Ganz klein macht sich der ehemals einflussreiche Politiker in seiner beigen Multifunktionsjacke. Durch den Hintereingang hatte er sich in den Gerichtssaal geschlichen. Als die Fotografen kommen, setzt er die Kapuze auf und hält sich eine blaue Mappe vors Gesicht.
Osterburg räumt falsche Abrechnungen ein
Die Staatsanwaltschaft wirft Osterburg gewerbsmäßige Untreue, teilweise in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung vor. Alle 121 Abrechnungen werden vorgelesen. Sie ergeben das Bild eines Mannes, der zwischen 2015 und 2019 mehrmals pro Woche auf Fraktionskosten speiste und selbst kleinste Beträge — wie 3 Euro für einen Café-Besuch — abrechnete.

Angeblich traf er sich dabei mit Hamburger Politikern, die heute hohe Ämter bekleiden sowie bekannten Journalisten, auch von der MOPO. Der 55-Jährige räumt ein, die Bewirtungsbelege in Höhe von insgesamt mehr als 6000 Euro zu Unrecht über die Fraktionskasse abgerechnet zu haben.
Malta-Reise aus Grünen-Fraktionskasse bezahlt
Zwar hätten die Bewirtungen in den genannten Restaurants stattgefunden, allerdings nicht mit den in der Abrechnung angegebenen Personen, sagte Osterburgs Anwalt, Nils Fock. Die Identitäten der Personen, mit denen Osterburg tatsächlich speiste, wolle er nicht preisgeben – „Stichwort: Tippgeber“. Ob die Treffen politischer oder privater Natur waren, dazu machte der Anwalt keine Angaben.
In einigen dieser Restaurants soll er nach MOPO-Recherchen zufolge auch mit seiner damaligen Lebensgefährtin, der heutigen Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne), öfter gespeist haben. Wie viel sie über die falschen Abrechnungen wusste, ist bis heute unklar. In jedem Abrechnungsjahr, zur Zeit um den Geburtstag von Gallina sowie zum Muttertag, finden sich auch größere Blumenbestellungen unter den Rechnungsbelegen – einmal abgerechnet als „Blumen für US-Konsul“. Osterburg und Gallina haben eine gemeinsame Tochter.
Von Stickern und Bohrmaschinen
Eine von Osterburg ebenfalls abgerechnete Malta-Reise räumte er vor Gericht als privat ein. Hier fand unter anderem ein Essen im Hummer-Restaurant für über 200 Euro satt, angeblich zum Thema „Flüchtlingsrettung im Mittelmeer“, bei dem auch Gallina anwesend war.

Die Staatsanwaltschaft wirft Osterburg außerdem vor, Gegenstände für mehr als 10.000 Euro, wie teure Computer und andere Elektrogeräte, an die Adresse der Fraktion bestellt, aber nie für sie benutzt zu haben. In der Auflistung finden sich auch Bohrmaschinen, Seitenschneider, Milchaufschäumer oder Sticker mit der Aufschrift „Nicht Rauchen“ und „Im Stehen pinkeln verboten“.
Das sagt Osterburg über die Bestellungen
Die technischen Geräte, die er bestellt hatte, seien alle für die Fraktion benutzt worden, lässt Osterburg verlauten. Die Sticker etwa seien für die Gemeinschaftstoilette gewesen – er habe auch dieselben bei sich im Haus.
Einige Gegenstände wie zwei Kinderfahrradhelme habe er nur aus Versehen über das Fraktionskonto bestellt. Hätte ihn jemand darauf hingewiesen, hätte er das Geld zurückgezahlt, so sein Anwalt. Die Frage ist nur: Wer sollte das tun? Osterburg besaß eine Zeit lang die alleinige Vollmacht über das Fraktionskonto.
Abrechnungen über Kinderbetreuung und Parkverstöße
Doch damit nicht genug. Selbst die Kinderbetreuung für mehr als 9200 Euro rechnete Osterburg erstmal über die Fraktion ab. Diese Kosten seien tatsächlich entstanden, trug sein Anwalt vor, auch wenn das Geld wohl an mehr als eine Betreuerin ging.
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Osterburg soll sich außerdem Tickets fürs Falschparken bezahlt haben lassen. Nach seinen Angaben war er dabei im Auftrag der Fraktion unterwegs, in mindestens einem der Fälle war er jedoch gar nicht mehr Fraktionschef der Grünen in Hamburg-Mitte gewesen.
Osterburg bedauert „negativen Eindruck über engagierte Politiker“
Unter dem Vermerk „Handkasse“ hatte sich Osterburg außerdem selbst Tausende von Euros vom Fraktionskonto auf sein eigenes Konto überwiesen. Hierzu sagte er, dass er damit einen Mitarbeiter bezahlt habe und nicht wollte, dass eine „Neiddebatte“ bei den anderen aufkomme.
„Ich bedaure, dass ein negativer Eindruck über engagierte Politiker entstanden ist“ verliest Osterburgs Anwalt. Er habe sich mehr um seine Familie kümmern sollen und sei mit der ehrenamtlichen Politikarbeit „überfordert“ gewesen. Eine Einsicht, die reichlich spät kommt.
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Bei einem vollumfassenden Geständnis und einer Wiedergutmachung könnte Osterburg nach Angaben des Richters mit einer Bewährungsstrafe von maximal zwei Jahren rechnen. Gerichtssprecher Kai Wantzen ordnet die Aussagen Osterburgs zunächst als Teilgeständnis ein. Viele Fragen seien für die Kammer noch offen.
Am Donnerstag sollen erste Zeugen aus der Grünen-Fraktion vernommen werden, die Osterburgs Machenschaften aufdeckten.