Von der Schanze auf den Acker: Dafür wollen zwei Frauen ihre Jobs an den Nagel hängen
Noch einmal etwas Neues ausprobieren, einen Lebenstraum verwirklichen. Das hat Anne und Kea Fingerle dazu bewogen, ihr Leben umzukrempeln und ihre Jobs als Krankenschwester und Außenhandelskauffrau jeweils auf eine halbe Stelle zu reduzieren. Nun ist das Paar aus der Schanze täglich draußen, mit Dreck unter den Nägeln, Pendelhacke im Anschlag und im unermüdlichen Kampf gegen Wühlmäuse und Nacktschnecken. Warum sie das machen und was dabei für Menschen in der Schanze, Bergedorf und Co. herausspringt.
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Noch einmal etwas Neues ausprobieren, einen Lebenstraum verwirklichen. Das hat Anne und Kea Fingerle dazu bewogen, ihr Leben umzukrempeln und ihre Jobs als Krankenschwester und Außenhandelskauffrau jeweils auf eine halbe Stelle zu reduzieren. Nun ist das Paar aus der Schanze täglich draußen, mit Dreck unter den Nägeln, Pendelhacke im Anschlag und im unermüdlichen Kampf gegen Wühlmäuse und Nacktschnecken. Warum sie das machen und was dabei für Menschen in der Schanze, Bergedorf und Co. herausspringt.
Die Luft ist noch feucht vom Regen, der Salat auch. Für Anne und Kea (beide 44) das Signal, dass sie sich jetzt die Gummistiefel anziehen und mit Eimern bewaffnet auf den Weg ins Gemüsebeet machen sollten. „Die ideale Zeit, um Schnecken aus den Beeten zu sammeln“, sagen sie lachend und es stört gar nicht, dass Sonntag ist und sie sich da früher bei schlechtem Wetter einfach noch mal umdrehen konnten und weiterschlafen.
„Local veg“: Gemüsekiste von zwei Frauen aus der Schanze
Anne und Kea haben sich einen Traum erfüllt, sie bauen Gemüse an – und das nicht nur als Hobby im eigenen Schrebergarten, sondern richtig professionell. Sie haben eine große Ackerfläche auf dem Bio-Hof Eggers in Kirchwerder (Kirchwerder Mühlendamm 5) angemietet, jetzt schon im zweiten Jahr in Folge. Dort bauen sie Salat, Möhren, Rote Beete, Pastinaken und vieles mehr an. In einem Folientunnel auf einem weiteren Gelände in Spadenland ziehen sie Tomaten, Paprika und was es sonst noch gern warm und geschützt mag. Insgesamt sind es rund 50 Gemüse und Kräuter.
Ihre Ernte vermarkten sie direkt in Hamburg, größtenteils in Form von Bio-Kisten. „Local Veg“ (regionales Gemüse) heißt ihre kleine Marktgärtnerei. „Unser Anliegen ist die Rückkehr zu einer kleinstrukurierten, lokalen und saisonalen Nahrungsmittelproduktion“, so Anne. Vermarktet werden ihre Abo-Kisten direkt auf dem Hof Eggers, und in drei Depots in Bergedorf, Eimsbüttel und der Schanze. Dort können Kunden sie abholen. Bis vor die Haustür geliefert wird nicht – schließlich erledigen die beiden Frauen alles allein und das würde den Rahmen sprengen.
Abo-Kisten kommen aus Kirchwerder nach Eimsbüttel
Die Abo-Kisten gibt es einmal pro Woche immer Donnerstag nachmittags in den Depots. In klein (3-5 Gemüse und Kräuter für 12 Euro) oder groß (5-9 Gemüse und Kräuter für 20 Euro). Die Saison läuft noch bis Ende Oktober (www.localveg.de).
Kea: „Lokales, saisonales Gemüse schmeckt so viel besser, weil es unter optimalen Bedingungen wächst und keinen langen Anfahrtsweg hat – es kommt praktisch von der Ernte direkt auf den Teller. Das Gemüse wird reif geerntet und nicht viel zu früh, wie bei importierter Ware, die auf dem Transport nicht verderben soll.“ Und natürlich ist es nicht in Plastik verpackt.
Dass keine von ihnen „vom Fach“ ist, das sieht man den Beeten absolut nicht an. Nahezu perfekt sieht alles aus, üppige gesunde Pflanzen in perfekten Reihen, schöngewachsene farbintensive Früchte – und null Unkraut (oder „Beikräuter“, wie die beiden es lieber nennen). Und das alles ohne Pestizide. Allerhöchstens eine Möhre hat mal kein Gardemaß und ist um einen Stein herum gewachsen. Kea: „Aber das ist doch auch charmant.“
Und wenn mal etwas nicht gelungen ist, wie neulich der Tatsoi-Salat, über den sich die Erdflöhe hergemacht hatten, dann wird es auch mal kostenlos in die Kiste dazugelegt. „Der Tatsoi war ja eigentlich lecker, den konnte man noch gut essen.“ Gelernt haben sie vieles über Online-Seminare, Podcasts und Beratungen im „Market Gardening“. Bei dem Konzept geht es um ressourcenschonenden Gemüseanbau auf kleiner Fläche. Was geerntet wird, geht dann direkt ohne Zwischenhändler an die Konsumenten.
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Obwohl beide Frauen ihre ursprünglichen Job auch gern machen, träumen sie davon, dass zumindest eine von ihnen bald vom Gemüseanbau leben und ganz umsatteln kann. Schon jetzt ist immer eine auf dem Acker. „Aber bevor wir davon leben können, müssen unsere Abo-Kisten noch deutlich bekannter werden.“