Wie geht das? Früheres Skandal-Labor bei Hamburg ist jetzt Tierschutzheim
Früher wurden hier Tiere gequält. Jetzt sollen Hund, Katze, Maus und Igelbaby sich hier wohlfühlen. Am Sonntag wurde auf dem ehemaligen Gelände des Skandal-Labors LPT in Mienenbüttel (Landkreis Harburg) ein neues Heim für Tiere eröffnet. Das „Tierzentrum Neu Wulmstorf“ will sich vor allem um verhaltensgestörte Hunde kümmern. Aber auch alle anderen Tiere sind willkommen. Pikant: Die früheren Laborbetreiber sind heute die Vermieter der Räume. Die MOPO hat sich vor Ort umgesehen.
Weiße Fliesen, wohin man nur blickt. Endlos lange Gänge, die von vergitterten Zwingern gesäumt sind. Noch immer ist die Atmosphäre in dem früher streng abgesicherten Gebäude an der Oldendorfer Straße irgendwie klinisch. Und doch ist alles anders als damals, als die Bilder von Hunden in blutverschmierten Zwingern und in Metallgerüsten fixierten Affen um die Welt gingen. Als die Organisation SOKO Tierschutz einen Skandal unfassbaren Ausmaßes aufdeckte, der schließlich zur Schließung des Labors führte.
Kuschelecken statt Folterinstrumente: Wie aus dem Todeslabor ein Tierschutzzentrum wurde
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Früher wurden hier Tiere gequält. Jetzt sollen Hund, Katze, Maus und Igelbaby sich hier wohlfühlen. Am Sonntag wurde auf dem ehemaligen Gelände des Skandal-Labors LPT in Mienenbüttel (Landkreis Harburg) ein neues Heim für Tiere eröffnet. Das „Tierzentrum Neu Wulmstorf“ will sich vor allem um verhaltensgestörte Hunde kümmern. Aber auch alle anderen Tiere sind willkommen. Pikant: Die früheren Laborbetreiber sind heute die Vermieter der Räume. Die MOPO hat sich vor Ort umgesehen.
Weiße Fliesen, wohin man nur blickt. Endlos lange Gänge, die von vergitterten Zwingern gesäumt sind. Noch immer ist die Atmosphäre in dem früher streng abgesicherten Gebäude an der Oldendorfer Straße irgendwie klinisch. Und doch ist alles anders als damals, als die Bilder von Hunden in blutverschmierten Zwingern und in Metallgerüsten fixierten Affen um die Welt gingen. Als die Organisation SOKO Tierschutz einen Skandal unfassbaren Ausmaßes aufdeckte, der schließlich zur Schließung des Labors führte.
Kuschelecken statt Folterinstrumente: Wie aus dem Todeslabor ein Tierschutzzentrum wurde
Tierzentrumsleiterin Doris Firlus zeigt auf die Gitter einer Hundebox. „Hier kann man noch sehen, dass da früher drei Türen statt einer waren“, erklärt sie. Heißt: Der jetzt neun Quadratmeter große Raum war vor zwei Jahren noch von zwei Wänden durchzogen. Es waren drei Räume à je drei Quadratmeter. In jedem waren mindestens zwei Hunde eingepfercht. Jetzt bekommt ein Hund die neun Quadratmeter für sich allein.
Doris Firlus hat alles gegeben, um aus dem Horror-Labor einen angenehmen Ort zu machen. In den Katzen-Boxen liegen bunte Kissen, an den Gittern hängen Blumentöpfe mit Kunstblumen. Es gibt Kratzbäume, Äste zum Klettern und viele Kuschelecken. Über die weißen Wände des ehemaligen Labors ziehen sich bunte Pfoten-Abdrücke. Das Logo des neuen Tierheims ist ein Ying&Yang-Zeichen mit Tatzenspuren.
Tierzentrumsleiterin wehrt sich gegen Kritik
Firlus, die eine ausgebildete Tierheilpraktikerin ist und 20 Jahre beim Bezirksamt Mitte beim Hundekontrolldienst gearbeitet hat, meint es ernst. „Aus einem Tierversuchslabor ein Tierheim zu machen, das hat es weltweit so noch nicht gegeben“, sagt die 59-Jährige, die über eine Facebook-Anzeige zu dem Job gekommen ist. Zwar habe sie zu Beginn große Bauchschmerzen gehabt, als sie mit den Quäl-Bildern im Kopf durch die Räume ging. Doch die Anlage habe zu viele Vorteile geboten, als dass man sie hätte ignorieren können.
Allein die Größe des Geländes mit seinen 3,5 Hektar, davon 1,5 Hektar Freilaufgelände, biete ein seltenes Potenzial, so Firlus. Hinzu kämen die Hygienestandards, die Desinfektionsanlagen, die Abflüsse. Und auch wenn es makaber klingt: Es brauchte nicht viel, um die ehemaligen Laborräume in eine moderne Klinik umzubauen mit OP-Räumen, Isolier-, Quarantäne- und Krankenstationen.
Greenwashing? Ehemaliger Laborbetreiber ist Vermieter des neuen Tierschutzzentrums
Tierzentren wie das in Neu Wulmstorf, die auf Spenden angewiesen sind, müssten viel Geld in die Hand nehmen, um solche Bedingungen zu schaffen, betont Firlus. So aber konnten die früheren Seziertische einfach in Waschtische umgewandelt werden, an denen künftig auch ein Hundefriseur ans Werk gehen soll. Für exotische Tiere gibt es aus dem Altbestand einen Raum, in dem Sonnenaufgang- und Sonnenuntergang simuliert werden können, die Luftfeuchtigkeit erhöht und Temperaturen wie in den Tropen erzeugt werden können.
Dennoch begegnet Doris Firlus viel Misstrauen. Organisationen wie „Lobby pro Tier“ werfen ihr „Greenwashing“ vor und ein verdecktes Geschäft mit dem ehemaligen Skandal-Labor-Betreiber. Denn: Das Gelände gehört nach wie vor der LPT, die sich inzwischen Provivo Biosciences nennt und Firlus‘ Vermieter ist. Ein weiterer Vorwurf ist, dass Provivo über die beiden GmbHs, die das Tierzentrum betreiben, Spendengelder eintreiben könnte.
Viele Mitarbeiter im Tierschutzzentrum sind ehemalige Demonstranten gegen das Skandal-Labor
Dazu Doris Firlus: „Ich kenne den Eigentümer nicht einmal. Für uns ist es wichtig, dass wir wenig Miete zahlen. Und ich schwöre bei meiner Mutter: Die GmbHs haben mit LPT rein gar nichts zu tun.“ Die Tierzentrumsleiterin betont, dass sie bei der Eintreibung von Spendengeldern über das „Reso-Zentrum für benachteiligte Tiere gGmbH“ wie alle anderen gemeinnützigen Träger an das Transparenzgesetz gebunden seien. „Sobald wir eine Kostenaufstellung haben, werden wir die Zahlen offenlegen. Wir können gar nichts verschweigen.“
Firlus ist dankbar für die Aufdeckung des Skandals durch SOKO Tierschutz und wertet die Schließung des LPT-Labors vor zwei Jahren als Erfolg. „Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können die Zukunft gestalten.“
Ähnlich sehen das die Mitarbeiter, fünf Festangestellte und zehn Ehrenamtliche. Interessant: Viele von ihnen sind ehemalige Demonstranten, die mehr als drei Monate lang vor dem Todeslabor eine Mahnwache abgehalten hatten. Zu ihnen gehört auch Jana Gerstmann.
Großer Bedarf: Tierheime in Norddeutschland platzen aus allen Nähten
„Ich war täglich hier vor dem Tor“, erzählt die 58-Jährige Bürokauffrau. Als sie das Gelände nach der Schließung des Labors zum ersten Mal betreten habe, habe sie nur geweint. „Man hat die Spuren ja noch gesehen. Den Kot an der Wand. Und dann die Gerüche!“ Sie habe immer nur das Bild des Beagles in seinem Blut vor Augen gehabt.
Dennoch: Für Gerstmann ist das Vergangenheit. Dass Provivo der Vermieter ist, findet sie zwar ungut. Der Nutzen aber überwiege. „Die Tiere, die gestorben sind, können wir nicht wieder lebendig machen. Aber wir können anderen Tieren eine Chance bieten.“
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Ab Montag sind die Türen des Tierschutzzentrums offen für alle Tiere, auch wenn der Fokus auf Hunden liegt. 100 Plätze stehen ihnen zur Verfügung. Der Bedarf ist enorm. Die Tierheime in Norddeutschland platzen aus allen Nähten. Gerade in der Corona-Zeit haben sich viele Menschen einen Vierbeiner als besten Freund zugelegt – und sind dann doch an der Aufgabe gescheitert.
„Leider werden bei der Erziehung oft Fehler gemacht“, berichtet Doris Firlus. In der Hundeschule des Tierzentrums sollen diese Fehler korrigiert werden. Doch auch für Rehkitze oder verwaiste Eichhörnchen haben Firlus und ihre Mitarbeiter ein großes Herz. Einschränkungen gibt es so gut wie keine: „Zur Not könnten wir sogar ein Krokodil aufnehmen“, sagt Firlus. „Zumindest ein kleines.“