Krankenhaus-Krise: „Wir werden beschimpft, bespuckt, attackiert und verletzt“
Hohe Infektionszahlen sorgen in den Wintermonaten für volle Notaufnahmen in den Hamburger Krankenhäusern. Immer wieder kommt es dabei zu tumultartigen Szenen im Wartebereich. Die Ärztin Dr. Gabriele Groth, die jahrelang in den Notaufnahmen des UKE, der Asklepios Kliniken St. Georg und Altona gearbeitet hat und jetzt die Notaufnahme der Schön Klinik Eilbek leitet, berichtet von ihren Erfahrungen und von Angriffen auf sie selbst. Zudem erklärt sie, in welchen Fällen man wirklich in eine Notaufnahme sollte.
Hohe Infektionszahlen sorgen in den Wintermonaten für volle Notaufnahmen in den Hamburger Krankenhäusern. Immer wieder kommt es dabei zu tumultartigen Szenen im Wartebereich. Die Ärztin Dr. Gabriele Groth, die jahrelang in den Notaufnahmen des UKE, der Asklepios Kliniken St. Georg und Altona gearbeitet hat und jetzt die Notaufnahme der Schön Klinik Eilbek leitet, berichtet von ihren Erfahrungen und von Angriffen auf sie selbst. Zudem erklärt sie, in welchen Fällen man wirklich in eine Notaufnahme sollte.
MOPO: Kein Krankenhaus kommt mehr ohne Sicherheitsdienst aus. Nicht selten wird die Polizei zu den Notaufnahmen gerufen. Was ist da los?
Gabriele Groth: Wir haben es mit heillos überlaufenen Notaufnahmen zu tun. Dabei entstehen lange Wartezeiten von bis zu sechs Stunden. Nicht jeder bringt die Geduld auf. Im digitalen Zeitalter sind die Menschen es gewohnt, dass es schnelle Lösungen gibt. Sie wollen auch im Krankenhaus sofort behandelt werden. Das ist aufgrund des Andrangs aber nicht möglich.
Wie reagieren die Menschen?
Viele sind geduldig. Aber wir stellen fest, dass das Aggressionspotential steigt. Ärzte und Pfleger werden häufig angegangen. Wir werden beschimpft, angeschrien, bespuckt und manchmal auch körperlich attackiert und dabei verletzt.
Ist Ihnen das auch schon passiert?
Mehrfach! Ich bin schon mehrmals angegriffen worden. Einmal mussten zwei Pflegekräfte den Aggressor festhalten, als ich schon am Boden lag. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre.
Wie stecken Sie das weg?
Ich werde von Freunden und Familie oft gefragt, warum ich mir das weiter antue. Ich bin Ärztin. Es ist schön, wenn man helfen kann. Oft gibt es Fälle, bei denen wir alles geben, um Leben zu retten. Aber man weiß natürlich nie, wer in die Notaufnahme kommt. Die Menschen, die durchdrehen, befinden sich im psychischen Ausnahmezustand. Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Oft sind Drogen oder Alkohol im Spiel. Man muss Verständnis aufbringen. Daneben arbeiten wir im Team. Und gerade an der Schön Klinik Hamburg Eilbek haben wir ein Team, das eng zusammensteht und ganz viel auffängt.
Lernt man aus den Erfahrungen?
Ja. Wir bekommen Deeskalationsschulungen. Es kommt auf die richtige Ansprache an. Wichtig ist es auch, körperlichen Abstand einzuhalten. Und im Zweifel die Polizei zu rufen. Körperliche Selbstverteidigung ist nicht Teil unserer Schulungen.

Wie kommt es, dass die Notaufnahmen so voll sind?
Das Problem ist sehr vielschichtig. Eine große Rolle spielt der Konsum von Drogen und Alkohol. Besonders am Wochenende sind die Notaufnahmen in Großstädten wie Hamburg voll mit Menschen, die nicht mehr Herr ihrer Sinne sind. Das ist im Umland ganz anders. Auch die alternde Gesellschaft spielt eine Rolle: Ein einsamer alter Mensch, der allein lebt, ist hilflos, wenn es ihm plötzlich schlecht geht. Da wird dann der Rettungswagen gerufen. Aber es kommen auch Menschen, die gar nichts Schlimmes haben. Aber weil die medizinische Versorgung in ihren Heimatländern ausschließlich in Krankenhäusern stattfindet, kommen sie direkt zu uns. Ein anderes Problem ist Dr. Google: Einmal kam jemand, dem das Spiegelei in der Pfanne angebrannt war. Er war der Meinung, er hätte nun eine Rauchvergiftung. Hatte er im Internet gelesen und war in Panik geraten.
Wie viel Prozent der Menschen, die in die Notaufnahme kommen, gehören eigentlich zum Hausarzt?
Man sagt ungefähr 20 Prozent. Manche kommen mit Rückenschmerzen, die sie seit Wochen haben und damit nicht zum Hausarzt gegangen sind. Stattdessen halten sie plötzlich Freitagabend den Zeitpunkt für gekommen und gehen in die Klinik. Andere kommen mit Schnittverletzungen, die man auch selbst behandeln könnte.
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Was kann man zur Entlastung der Notaufnahmen tun?
Wir müssen die Notaufnahmen personell so aufstellen und organisieren, dass leichte und schwere Verletzungen getrennt behandelt werden. Ansonsten plädiere ich für die Einführung eines Schulfachs „Gesundheit“. Früher hat man von seinen Großeltern gelernt, wie man harmlose Leiden selbst behandelt. Die Menschen müssen aber auch begreifen, dass Notaufnahmen wirklich nur für Notfälle sind.
Wann gehört man ins Krankenhaus und nicht zum Hausarzt?
Knochenbrüche, plötzliche Lähmungen oder auffällige Hautveränderungen gehören ins Krankenhaus. Atemnot, Schmerzen oder Brennen in der Brust sowie Herzrhythmusstörungen können einen Herzinfarkt bedeuten. Ein dickes Bein könnte auf eine Thrombose hinweisen, die die Gefahr einer Embolie birgt. Dann gilt es, keine Zeit zu verlieren.