Verschoben, verdrängt, vergessen: Hamburgs quälend langsamer Velorouten-Ausbau
Es ist ein Mega-Projekt, das in den 90er Jahren angeschoben wurde – und 2023 noch lange nicht fertig ist: Das Hamburger Velorouten-Netz. Ist es einmal soweit, sollen 14 Radpisten die City mit den äußeren Stadtteilen verbinden und so zur Auto-Alternative werden. Seit über 20 Jahren ist das Vorhaben durch verschiedene Senate gerutscht, wurde zwischenzeitlich sogar mal ganz eingestampft. Warum werden die Velorouten immer wieder hinten angestellt? Wann wird das Netz endlich fertig? Der Hamburger Fahrradclub fordert ein radikales Umdenken in der Verkehrspolitik – es müsse eben auch mal weh tun.
Es ist ein Mega-Projekt, das in den 90er Jahren angeschoben wurde – und 2023 noch lange nicht fertig ist: Das Hamburger Velorouten-Netz. Ist es einmal soweit, sollen 14 Radpisten die City mit den äußeren Stadtteilen verbinden und so zur Auto-Alternative werden. Seit über 20 Jahren ist das Vorhaben durch verschiedene Senate gerutscht, wurde zwischenzeitlich sogar mal ganz eingestampft. Warum werden die Velorouten immer wieder hinten angestellt? Wann wird das Netz endlich fertig? Der Hamburger Fahrradclub fordert ein radikales Umdenken in der Verkehrspolitik. Die Botschaft; Es muss auch mal weh tun!
Die Velorouten in der Hansestadt sollen den Radverkehr nicht nur attraktiver, sondern auch sicherer machen. Dieses 272 Kilometer lange Netz verspricht eine durchgängige Verbindung durch die Stadt, eine bequeme Fahrbahnbreite, dazu sind die Radspuren möglichst vom Fußgänger- und Autoverkehr abgetrennt. Das Ziel: Für alltägliche Wege soll der Umstieg vom Auto aufs Rad einfacher werden.
Velorouten in Hamburg: Sie sollen Radwege sicher machen
Soweit die Theorie, in der Praxis sieht es anders aus: Nördlich der Elbe ist das Netz bereits dicht gewebt, vor allem im Bezirk Harburg gibt es aber noch deutliche Lücken. An einigen Stellen lässt es sich dort bereits sehr gut und bequem radeln, zwischendurch müssen Radfahrer aber immer wieder auf marode Hubbelpisten ausweichen.

Eigentlich sollte das Velorouten-Netz bereits im Jahr 2020 komplett sein, nachzulesen im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2015. Derzeit sind gerade einmal knapp über 70 Prozent fertiggestellt, im vergangenen Jahr kamen laut der Verkehrsbehörde magere 8,77 neue Kilometer hinzu. Das ist ein drastischer Abfall nach immerhin 21,82 Kilometern im Jahr 2021 und einem Höchststand von 25,09 Kilometern im Jahr 2020, in dem der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks das Amt übernahm.

Laut dessen Sprecher Dennis Heinert seien es vor allem Abstimmungsprozesse zwischen den Beteiligten, Personalressourcen, volle Auftragsbücher bei Planungsbüros und Baufirmen sowie unterschiedliche Beteiligungsprozesse, die ausreichend Zeit benötigten, „um in der gewünschten Qualität fertiggestellt zu werden.“ Vereinfacht gesagt: Qualität vor Quantität.
Die Hamburger CDU bezeichnet die Radwegebilanz jedoch als ernüchternd. „2022 sind nicht einmal 20 Kilometer Veloroute fertiggestellt worden. Für Hamburgs Radfahrer bedeutet die grüne Politik in der Folge vor allem unsichere Radfahrstreifen auf Hauptverkehrsstraßen und zu wenig gebaute Kilometer“, bilanziert CDU-Verkehrsexperte Richard Seelmaecker. SPD und Grüne hinkten ihren eigenen Ansprüchen um einige Jahre und viele Kilometer hinterher.
Unter der CDU stockte der Velorouten-Ausbau
Allerdings: Laut SPD-Radverkehrsexperte Lars Pochnicht haben gerade die CDU-Senate das Hamburger Veloroutennetz massiv ausgebremst. Und tatsächlich – wer ganz tief in der Parlamentsdatenbank wühlt, der findet eine Schriftliche Kleine Anfrage aus dem Jahre 2002 von der SPD an den damaligen CDU-Senat unter Ole von Beust. „Eine weitere Umsetzung des Veloroutennetzkonzepts ist nicht vorgesehen“, heißt es in einer Antwort.
Ein paar Jahre später – in der zweiten Amtszeit von Ole von Beust – wurden die Haushaltsmittel in den Jahren 2006/2007 für den Erhalt und Ausbau von Radwegen von 4,4 Millionen auf gerade einmal 230.000 Euro heruntergestuft. Für Velorouten blieb da nichts übrig. „Seit 2011 sind Ausbau und Sanierung des Radwegenetzes wieder in Gang“, bekräftigt Pochnicht.
ADFC sieht eine mutlose Verkehrspolitik in Hamburg
Der Hamburger Fahrradclub ADFC sieht in dem flickenteppich-artigen Veloroutennetz immer noch eine „zaghafte, mutlose Verkehrspolitik Hamburgs“. Selbst die schon fertiggestellten Abschnitte erfüllten teilweise nicht die Qualitätsstandards einer Veloroute. „Auf dem, was die Stadt derzeit baut, haben Radfahrende oft nur punktuell die Möglichkeit, sich zu überholen, werden auf untermaßige Zweirichtungsradwege gezwungen oder durch Autos verstopfte Fahrradstraßen geleitet“, zählt Sprecher Dirk Lau die Probleme auf.

„Einen hochwertigen Ausbau der Velorouten schafft der aktuelle Senat nur dort, wo es ausnahmsweise mal niemandem weh tut“, fährt er fort. „Das notwendige Umdenken hat noch nicht stattgefunden.“ Neue Flächen für den Radverkehr ließen sich eben nicht schnitzen, sie müssten genommen werden. Und er weiß auch schon woher: „Das geht nur, wenn die Stadt den Autofahrern Platz wegnimmt.“
In der Behörde ist man sich indes sicher, das Velorouten-Netz weitgehend bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode 2025 fertigzustellen. „Ausnahmen bestehen bei besonderen Abschnitten, wie zum Beispiel an der Alster, den Elbbrücken oder dem Eppendorfer Weg“, erklärt Heinert. Diese seien entweder besonders komplex oder abhängig von U-Bahnbauarbeiten.

Für Ende 2023 sollen unter anderem die Veloroute 4 nach Langenhorn sowie die Veloroute 8 von der City bis nach Mümmelmannsberg und Bergedorf vollendet werden.