Verfassungsschutzbericht: Alarmierend! Der Judenhass in Hamburg wächst
Der Antisemitismus in Hamburg nimmt zu – das zeigt der am Montag vorgestellte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021. Der Inlandsgeheimdienst sieht darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Bedrohungen – auch Russland spielt eine Rolle.
Die größte Bedrohung in diesem Land geht weiterhin von Rechtsextremisten aus, wie Innensenator Andy Grote (SPD) und Verfassungsschutzchef Torsten Voß am Montag unterstrichen. Allerdings: „Die Bedrohungen werden vielfältiger“, warnte Grote.
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Der Antisemitismus in Hamburg nimmt zu – das zeigt der am Montag vorgestellte Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021. Der Inlandsgeheimdienst sieht darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Bedrohungen – auch Russland spielt eine Rolle.
Die größte Bedrohung in diesem Land geht weiterhin von Rechtsextremisten aus, wie Innensenator Andy Grote (SPD) und Verfassungsschutzchef Torsten Voß am Montag unterstrichen. Allerdings: „Die Bedrohungen werden vielfältiger“, warnte Grote.
Neben den traditionellen Extremismusbereichen wie Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus spielen auch Querdenker und Cyber-Attacken aus Russland eine immer größere Rolle für den Verfassungsschutz.
Die einzelnen Entwicklungen im Überblick:
Rechtsextremismus in Hamburg
Auch wenn Hamburg „keine Hochburg“ für Rechtsextremismus ist, wie der Innensenator am Montag feststellte, so bleibt die Zahl der Straftaten von rechts weiterhin auf einem „hohen Niveau“. Wie schon 2020 rechnet der Verfassungsschutz rund 380 Menschen in Hamburg der rechtsextremen Szene zu, 120 davon gelten als gewaltbereit. Auch die Zahl der Straftaten, die – wie der Verfassungsschutz sagt – der politisch motivierten Kriminalität (PMK) von rechts zuzuordnen ist, bleibt nahezu gleich.
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So verzeichneten die Verfassungsschützer für das Jahr 2021 542 Taten, 2020 waren es 544. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten sank von 411 auf 382, ebenso ist ein Rückgang bei rechtsextremen Gewalttaten zu verzeichnen (2021: 30, 2020: 34). Die meisten Fälle von rechten Straftaten gehen auf sogenannte Propagandadelikte zurück (z.B. Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen).
Währenddessen steigen die antisemitischen Straftaten mit 70 (2020 waren es noch 54) auf einen Höchststand. Die meisten der Straftaten werden dabei der rechten Szene zugeordnet (57) – 2016 waren es noch 33 gewesen.
In den meisten Fällen ist allerdings nicht klar, wer die Täter sind und welche Motivation zugrunde liegt – in diesen Fällen werden die Straftaten auch automatisch der rechten Szene zugeordnet. Zuletzt hatte die MOPO über erschreckende antisemitische Vorfälle mitten in der Innenstadt berichtet, wo Teilnehmer einer regelmäßig stattfindenden Israel-Mahnwache in der Mönckebergstraße wiederholt und aggressiv antisemitisch attackiert werden.
Querdenker-Szene und Reichsbürger in Hamburg
Immer wieder Überschneidungen gibt es zwischen der Querdenker-Szene und Rechtsextremisten, allerdings rechnet der Verfassungsschutz in Hamburg einen Großteil der Querdenker der neu geschaffenen Kategorie „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staats“ zu. Die Personengruppe sieht sich im fundamentalen Widerstand zum Staat und setzt sich in Hamburg vor allem aus den Gruppen „Querdenken 40“, „Hamburg steht auf“ und Umehr e.V. zusammen. Seitdem Corona nicht mehr so eine große Rolle spielt, verschiebt sich der Fokus immer mehr in Richtung Russland-Propaganda. Aktuell hat der Verfassungsschutz die Hauptorganisatoren der Szene im Visier, eine niedrige zweistellige Zahl.
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Die Zahl der sogenannten Reichsbürger, die die Bundesrepublik Deutschland ablehnen und sich nicht an die hier geltende Rechtsordnung gebunden fühlen, ist im vergangenen Jahr deutlich größer geworden. So zählte der Verfassungsschutz Ende 2021 290 Personen, 2020 waren es noch 175. Der starke Anstieg erklärt sich unter anderem daraus, dass allein über Corona-Bußgeldverfahren (die Reichsbürger im Zuge ihrer Ideologie nicht akzeptieren und den Bescheiden widersprechen) rund 50 neue Personen bekannt geworden sind.
Hamburgs Linksextremisten
In Hamburg gibt es aktuell laut Verfassungsschutz rund 1240 Linksextremisten, 2020 war es mit 1270 noch ein wenig mehr. Auffällig ist vor allem die Gewaltbereitschaft, die der Inlandsgeheimdienst der Szene attestiert. So werden 76 Prozent der Linksextremen als gewaltbereit bezeichnet. Hinsichtlich der Straftaten aus der linken Szene gibt es einen leichten Anstieg auf 727 Taten (2020: 706). Die linksextremistischen Straftaten gingen jedoch deutlich zurück (2021: 40, 2020: 229), ebenso die Gewaltdelikte (2020: 19, 2021: 162).
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Verfassungsschutzchef Torsten Voß erklärte den Rückgang am Montag damit, dass es 2020 viele „Resonanzstraftaten“ gegeben habe – so habe es zum Beispiel 2020 im Rahmen der „Black Lives Matter“-Demonstrationen auch Teilnehmer der linksextremistischen Szene gegeben, die für Straftaten bei den Demos sorgten oder auch Straftaten in Begleitung des Prozesses gegen die „Drei von der Parkbank“. Anlässe also, die es 2021 nicht gab. Laut Voß versuchten Linksextremisten immer wieder Themen zu kapern und dadurch in neue Milieus vorzustoßen, die wie der Klimawandel breit diskutiert werden.
Islamismus in Hamburg
Im vergangenen Jahr nahmen Ermittler einen 20-jährigen Islamisten in Rahlstedt fest, der eine Bombe bauen wollte und verhinderten so offenbar einen Terroranschlag. Ein Beweis dafür, welche Gefahr auch von der islamistischen Szene in Hamburg ausgeht. Insgesamt zählt der Verfassungsschutz nahezu unverändert 1650 Menschen zur Szene (2020: 1660). 1130 von ihnen werden als gewaltorientiert eingestuft. Die Zahl der Straftaten, denen eine religiöse Ideologie zugrunde liegt, ging leicht von 30 auf 27 zurück, 14 von ihnen werden als extremistisch eingestuft. Innensenator Grote warnt: „Die islamistische Szene ist weiterhin sehr aktiv“.
Cyber-Attacken auf Hamburger Firmen
Ein zunehmendes Problem stellen Cyber-Attacken dar. Gerade im Schatten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nehmen auch die Hackerangriffe auf Hamburger Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtung oder staatliche Stellen zu. So hat der Verfassungsschutz laut Verfassungsschutzbericht 2021 einen neuen „Höchststand von Cyber-Angriffen“ zu bewältigen gehabt. Allein 200 Mal habe es Beratungen, beziehungsweise sogenannte Außenkontakte, gegeben, 133 davon anlassbezogen, weil es Sicherheitsvorfälle gegeben hat.