Verdrängt die Politik Obdachlose und ihre Helfer aus der Innenstadt?
Hamburg ist die Hauptstadt der Wohnungslosigkeit – das ist nirgends sichtbarer als am Hauptbahnhof. Junkies und Obdachlose sitzen und lagern dort, betteln um Essen, Trinken oder um eine warme Decke. Das bekommen sie von dem Verein „Schau nicht weg e.V.“, der von vielen Seiten anerkannt wird – und den die Behörden anscheinend dennoch von seinem Platz vertreiben wollen.
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Hamburg ist die Hauptstadt der Wohnungslosigkeit – das ist nirgends sichtbarer als am Hauptbahnhof. Junkies und Obdachlose sitzen und lagern dort, betteln um Essen, Trinken oder um eine warme Decke. Das bekommen sie von dem Verein „Schau nicht weg e.V.“, der von vielen Seiten anerkannt wird – und den die Behörden anscheinend dennoch von seinem Platz vertreiben wollen.
Seit mehr als vier Jahren steht „Schau nicht weg e.V.“ jeden Samstagnachmittag auf dem Hachmannplatz und verteilt alles, was Menschen zum Überleben brauchen. „Wir haben immer frisch gekochte Gerichte, selbstgemachten Kuchen, Lunch-Pakete und Getränke, aber auch Hygieneartikel und Kleidung“, sagt Gründerin Jutta Wennmacher. Damit nicht genug: Die Ehrenamtler nehmen Kleidungsstücke entgegen, waschen sie und geben sie am nächsten Samstag zurück. Auch Essenswünsche notieren sie sich für das nächste Mal.
Hilfsangebot soll den Platz vor dem Hauptbahnhof räumen
Das Bezirksamt hatte die Ausgabe bisher immer geduldet. Doch in der vergangenen Woche standen plötzlich ein Lebensmittelkontrolleur und drei Polizisten vor Jutta Wennmacher. „Sie wollten kontrollieren“, berichtet sie. „Auf meine Frage, wieso das unter Polizeischutz geschieht, sagte die Polizistin, ich solle die Klappe halten.“ Für diesen Vorgang gebe es Zeugen.
Die Polizei gab bis Redaktionsschluss kein Statement zu dem Vorfall ab. Wennmachers Aussagen zufolge hatte der Lebensmittelkontrolleur nichts an der Ausgabe zu beanstanden. Dennoch habe man ihr das Verteilen untersagt. Sie solle sich „einen Platz auf Privatgrund suchen“. „Ich denke, die Politik will Obdachlose aus dem Stadtbild vertreiben“, so Wennmacher. Eine Vermutung, die in den vergangenen Monaten immer wieder von verschiedenen Seiten geäußert wurde. „Wir hatten bisher so viele gute Erfahrungen im Rahmen der Ausgabe“, sagt Wennmacher. „Leute haben es dank uns aus der Alkoholsucht geschafft. Die Deutsche Bahn unterstützt uns. Auch die Bundespolizei war uns immer wohlgesonnen.“
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Warum also sollte man solche Hilfsangebote vertreiben? Auch das Bezirksamt Mitte verschob seine Antwort auf Montag. Doch gab es zu, dass es ein Problem gibt: Wenige Stunden nach der MOPO-Anfrage lud man Jutta Wennmacher zu einem Gespräch mit Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer ein. „Schau nicht weg e.V.“ wird am Samstag „trotz aller Widrigkeiten“ verteilen – und bat Passanten auf Social Media darum, etwaige Polizeieinsätze zu filmen.