„Merkel-muss-weg“-Demos in Hamburg: War der Mitorganisator ein V-Mann?
Im Stuttgarter Prozess um die rechtsextreme Terrorgruppe S., die bundesweit Anschläge geplant haben soll, fällt immer wieder der Name eines Mannes. Thorsten K. ist in Hamburg ein alter Bekannter, er organisierte etwa die “Merkel muss weg“-Demos in der Stadt mit. Aber ist er auch ein Spitzel des Verfassungsschutzes? Das zumindest legen Zeugenaussagen nah. Ein Linken-Politiker fordert nun Aufklärung.
- Deutsch (Deutschland)
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Im Stuttgarter Prozess um die rechtsextreme Terrorgruppe S., die bundesweit Anschläge geplant haben soll, fällt immer wieder der Name eines Mannes. Thorsten K. ist in Hamburg ein alter Bekannter, er organisierte etwa die „Merkel muss weg“-Demos in der Stadt mit. Aber ist er auch ein Spitzel des Verfassungsschutzes? Das zumindest legen Zeugenaussagen nah. Ein Linken-Politiker fordert nun Aufklärung.
Als die Polizei am 14. Februar 2020 in ganz Deutschland Wohnungen durchsucht und die Mitglieder der Gruppe S. festnimmt, muss sich ein Mann erst mal keine Sorgen machen: Thorsten K. aus Bad Bramstedt (Kreis Steinburg), Mitorganisator der rechtsextremen „Merkel muss weg“-Demos in Hamburg. Er wird nicht festgenommen, sondern später lediglich als Zeuge befragt. Und das, obwohl er mit zwei Hamburger Mitstreitern im engen Austausch mit der Gruppe S. stand. Er war sogar beim für die Ermittler entscheidenden Treffen der rechtsextremen Gruppe eingeladen, bevor deren Mitglieder verhaftet wurden.
Prozess gegen Rechtsterroristen in Stuttgart
Gegen zwölf Männer der Gruppe S. läuft derzeit in Stuttgart ein aufwendiges Verfahren. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben – mit dem Ziel „mit ihrer Vereinigung die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden. Zu diesem Zweck sollten durch Angriffe auf Moscheen und die Tötung oder Verletzung einer möglichst großen Anzahl dort anwesender muslimischer Gläubiger bürgerkriegsähnliche Zustände herbeigeführt werden. Es wurde auch erwogen, gewaltsam gegen politisch Andersdenkende vorzugehen,“ wie sie mitteilte.
Zu den zwölf Angeklagten zählt Thorsten K. nicht. Doch schon früh belegten antifaschistische Rechercheplattformen wie „Exif“, dass er und zwei weitere Hamburger Rechtsextremisten im engen Austausch mit der Gruppe S. standen. Die Verbindung zwischen den drei Hamburgern und der Gruppe S. wurde bis heute allerdings kaum von Politik und Sicherheitsbehörden thematisiert. Der Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik (Linke) forderte genau dies zwar bereits im vergangenen Jahr vom Senat, doch nicht einmal im Hamburger Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020, in dem sowohl auf die Gruppe S. als auch auf die „Merkel muss weg“-Demos eingegangen wird, wird eine Verbindung gezogen.
Befremdlich, denn der Kontakt zwischen Thorsten K. und Mitgliedern der Gruppe S. ist sogar durch Fotos und abgehörte Telefonate belegt. So war zum Beispiel Tony E. – einer der Anführer der Gruppe S. – im Jahr 2019 auf einer „Merkel muss weg“-Demo in Hamburg und ging Seite an Seite mit Thorsten K. durch die Stadt. K. war außerdem Mitglied in internen Chats der Rechtsterroristen. Laut des Zusammenschlusses „Prozessbeobachtung #GruppeS“, der das Verfahren in Stuttgart dokumentarisch begleitet, hatte Thorsten K. nach Aussage eines Hauptkommissars, der ihn vernommen hatte, das Treffen jedoch kurzfristig abgesagt und einen Monat vor den Festnahmen die Chatgruppen verlassen, weil er angeblich „keinen Bock mehr“ gehabt habe.
Könnte Thorsten K. gewarnt worden sein?
Prozessbeobachter und Politiker wie Deniz Celik bringen aber auch eine andere Theorie zum plötzlichen Sinneswandel des Rechtsextremisten ins Spiel. Denn mittlerweile erhärtet sich der Verdacht, dass Thorsten K. als V-Mann gearbeitet haben könnte.
Der Verfassungsschutz gibt dazu zwar keine Auskunft und auch der Senat verweist darauf, dass man grundsätzlich keine Fragen zu V-Leuten des Verfassungsschutzes oder der Polizei beantworte. Doch zwei Zeugenaussagen von Kriminalbeamten im Stuttgarter Prozess lassen darauf schließen. Außerdem befindet sich K. mittlerweile – ebenfalls laut Zeugenaussage eines Hauptkommissars – im Zeugenschutzprogramm des LKA Hamburg.
Warnte der Verfassungsschutz seinen Kontaktmann womöglich vor der Teilnahme an dem letzten Treffen der Gruppe S.? Eine Theorie, die Deniz Celik von den Linken zumindest aufgeklärt wissen will: „Allein der Gedanke daran ist unerträglich und der Verfassungsschutz steht in der Pflicht, diesen Verdacht öffentlich und vollumfänglich aufzuklären.“