Unten Freier, oben Touristen: Das gibt es so nur auf dem Kiez
Der Eingang der Nummer 14 ist kaum zu erkennen. Die schwarze Tür mit weißer Schrift fügt sich fast nahtlos in die mit Flammen und Tafeln gestaltete Hausfassade ein. Hier, zwischen den Kneipen „the Other Place“ und „Anleger 15“ an der Davidstraße auf St. Pauli, gingen früher nur Prostituierte mit ihren Freiern ein und aus. Heute teilen sie sich den Eingang mit Touristen aus Deutschland und der Welt. Während die Frauen im ersten Stock weiterhin ihren Geschäften nachgehen, hat sich der obere Teil des Hauses in Airbnb-Apartments verwandelt. Die MOPO hat sich die neuen Unterkünfte angeschaut und mit den Gastgebern über das Rotlichtmilieu, Touristen und Herausforderungen vor Ort gesprochen.
Der Eingang der Nummer 14 ist kaum zu erkennen. Die schwarze Tür mit weißer Schrift fügt sich fast nahtlos in die mit Flammen und Tafeln gestaltete Hausfassade ein. Hier, zwischen den Kneipen „the Other Place“ und „Anleger 15“ an der Davidstraße auf St. Pauli, gingen früher nur Prostituierte mit ihren Freiern ein und aus. Heute teilen sie sich den Eingang mit Touristen aus Deutschland und der Welt. Während die Frauen im ersten Stock weiterhin ihren Geschäften nachgehen, hat sich der obere Teil des Hauses in Airbnb-Apartments verwandelt. Die MOPO hat sich die neuen Unterkünfte mit dem Namen „Lost in St. Pauli“ angeschaut und mit den Gastgebern über das Rotlichtmilieu, Touristen und Herausforderungen vor Ort gesprochen.
Der Himmel ist grau, die Straße nass vom Regen. Vor dem versperrten Eingang zur berüchtigten Rotlichtmeile Herbertstraße stehen ein paar Touristen und fachsimpeln über Frauen in Schaufenstern. Es ist Freitagnachmittag, noch ist alles ruhig. St. Pauli erwacht erst, wenn die Dämmerung anbricht. Dann dringen Musik und Stimmengewirr aus den Bars – und auf der Davidstraße stehen die Frauen auf der Suche nach Kunden.
Alles wie immer, könnte man denken – aber der Eindruck täuscht. Das Bordell mit der Hausnummer 14 lief nicht mehr gut. Die zwölf Zimmer waren nie ausgelastet, die meisten Frauen arbeiteten nur noch auf einer Etage.
Hamburg: Bordell auf St. Pauli ist heute Ferienunterkunft
„Vom Vormieter wissen wir, dass sich der Betrieb um etwa 50 Prozent reduziert hat“, erzählt Björn (48), ein braun gebrannter Typ mit lässig aufgeknöpftem Hemd und Lederjacke. Er betreibt zusammen mit Ricarda die neu eingerichteten Airbnb-Wohnungen. Vor allem die Corona-Pandemie habe dem Milieu einen harten Schlag versetzt: Für die Frauen galt absolutes Arbeitsverbot. Viele von ihnen wechselten ins Private, wurden Cam-Girl oder meldeten sich auf der Erotik-Plattform „OnlyFans“ an.

„Als wir die Apartments übernahmen, war das ganze Haus ein Traum in Pink“, erzählt Ricarda (33). „Es war abgerockt, in der alten Zeit hängengeblieben. Wir mussten zuerst die Matratzen und das Sexspielzeug wegräumen.“ Röhrenfernseher, weiße Unterschränke, das Holz der Betten mit Teppich überzogen. Alles musste raus. „Das eine Bett war nicht kaputtzukriegen“, berichtet sie. „Vier Männer und ich haben versucht es zu zerstören, es hat nicht geklappt. Am Ende mussten wir es runtertragen.“
St. Pauli: Gastgeber haben die Wohnungen selbst umgebaut
Vom Ballett-Unterricht zum Puff-Umbau, so beschreibt sie die vergangenen Wochen. Ricarda ist Mutter, lebt „spießig im Grünen, wo die Vöglein zwitschern“. Die gelernte Hotelfachfrau mit Tattoos und langen falschen Wimpern hat mehrere Apartments auf dem Kiez, ihr Traum: ein eigenes Hotel. Derzeit steckt sie jedoch all ihre Energie in die Airbnb-Wohnungen und die Vermietung. Alles selfmade, sagt sie. „Es gibt keine Wand, die ich nicht berührt habe, keine Schraube, die ich nicht in der Hand hatte.“

Der Puff ist passé: Drei große Apartments sind entstanden, für jeweils vier bis sechs Gäste, Preis etwa 60 Euro pro Kopf. Seit zwölf Wochen sind sie und Björn Gastgeber. Vor knapp einem Monat war das erste Apartment fertig – und ist seither ausgebucht. Das Angebot in „Nähe zum Rotlicht“ zieht. Anwälte, Junggesellen, junge und alte Frauengruppen, sogar Polizisten eines auswärtigen Drogendezernats mieten sich dort ein.
Durch die Prostituierten, die unter den Ferienwohnungen anschaffen gehen, fühlte sich bislang keiner gestört. Das bestätigt auch eine Frauengruppe aus München. Sophia, Naomi, Medina und Charlotte (21 und 22) sind nach Hamburg gekommen, um das Nachtleben auf St. Pauli zu feiern. Von dem Apartment und Ricarda sind sie begeistert.

„Viele Gäste kriegen es gar nicht mit, dass unter ihnen ein Bordell ist“, sagt Ricarda. Björn ergänzt: „Es stört auch niemanden. Viele kommen deshalb ja überhaupt nach St. Pauli, das macht den Reiz aus. Wären hier keine Frauen, wäre es ein Vergnügungsviertel wie jedes andere.“
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Ricarda ist gerne Gastgeberin. Es werde nie langweilig, sagt sie. Neulich sei sie nach dem Check-Out einer Gruppe hoch ins Apartment. „Ich hörte ein Geräusch, dachte jemand habe sein Handy vergessen und der Wecker sei an. Aber es war ein lebendiges Huhn! Sie hatten es wohl auf dem Fischmarkt gekauft.“