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  • Jedes vierte Kind in Deutschland ist nicht sehr zufrieden (Symbolbild)
  • Foto: imago images/Cavan Images

UNICEF-Report: Jedes vierte Kind in Deutschland ist nicht zufrieden

Jedes vierte Kind in Deutschland ist nicht besonders zufrieden – das hat eine Studie von UNICEF zum Kindeswohl in der EU und den OECD-Mitgliedstaaten ergeben. Mit Platz 14 von 41 Ländern liegt Deutschland insgesamt nur in der oberen Mittelklasse. Ein Hamburger Experte erklärt warum.

75 Prozent der für den UNICEF-Report befragten 15-Jährigen gaben an, eine hohe Lebenszufriedenheit zu haben – damit liegt Deutschland unter dem Gesamtdurchschnitt von 80 Prozent und weit hinter den erstplatzierten Niederländern (90) zurück. Doch warum ist das so?  

UNICEF-Report: Deutschland schneidet unterdurchschnittlich ab

Rudi Tarneden, Sprecher von UNICEF Deutschland, meint, dass Eltern deutscher Kinder besonders sorge- und angstgetrieben sind. Auch Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort, Kinder- und Jugendpsychiater in Hamburg, sieht Angst als einen wichtigen Faktor. „Wir leben gerade in einer Zeit der Verunsicherung“, sagt der gebürtige Osnabrücker und meint damit weltweite Spannungen, Klimawandel, Rassismus.

Viele Jugendliche befürchten zudem, den Lebensstandard ihrer Eltern nicht mehr halten zu können. Das resultiere einerseits in Unsicherheit, andererseits aber auch in einer erhöhten Leistungsbereitschaft.

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„Während früher Eltern zu mir gekommen sind und ihr Kind zum Lernen bewegen wollten, kommen heute Eltern zu mir, weil sie fürchten ihre Kinder lasten sich zu viel auf – das sind übrigens meistens Mädchen“, erzählt Schulte-Markwort der MOPO. Leistungsdruck werde in unserer Gesellschaft mit der Muttermilch aufgesogen.

Weil Stillstand als Rückschritt verstanden wird, heißt es: immer mehr und immer besser – das hat Folgen für die psychische Belastung. „Ich bin nicht gegen Leistung“, stellt der Experte klar, der von 2004 bis 2020 den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychosomatik am UKE innehatte. „Aber es muss positiver Stress sein, der motiviert und zum Lernen anregt.“

Schule-Markwort

Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort

Foto:

imago images/teutopress

„Defizitorientierte Pädagogik“ in Schulen ist demotivierend

Hier sieht Schulte-Markwort auch Schulen in der Verantwortung. „Wir haben eine defizitorientierte Pädagogik, in der der Fokus auf Fehler gelegt wird“, sagt er. Aber es wichtig, dass sich Kinder in der Schule wohlfühlen –  außerdem sollte flexibler auf die Bedürfnisse einzelner Kinder reagiert werden können. 

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Die UNICEF-Studie macht auch deutlich, dass Wohlstand nicht Eins-zu-eins mit Lebenszufriedenheit verbunden ist – aber es hängt vom sozialen Kontext ab: „Dort, wo Kinder finanzielle Unterschiede deutlich spüren, entsteht Druck“, erklärt Schulte-Markwort. Es geht eben um den Vergleich – und hier spielen auch soziale Medien eine Rolle. Andererseits verstehen Jugendliche immer besser, wie soziale Medien funktionieren. 

Hamburger Kinderpsychiater glaubt an „Beziehung statt Erziehung“

Aber was macht Kinder und Jugendliche nun glücklich? Liebevolle und tragfähige Beziehungen und Respekt, meint der Experte. Dazugehört auch, Kinder miteinzubeziehen. Diesen partizipatorischen Ansatz verfolgt der Kinder- und Jugendpsychiater in der Oberberg Fachklinik „Marzipanfabrik“: Hier wird nur so über Kinder gesprochen, dass sie zuhören und mitreden können.

Das lasse sich auch auf das Familienleben übertragen: „Wir brauchen Beziehung statt Erziehung“, so der 63-Jährige. „Wenn Eltern eine liebevolle Beziehung zu ihren Kindern haben, die auf gegenseitigem Respekt und Gesprächen beruht, ist eine Erziehung im klassischen Sinne meist unnötig.“

Corona: Kinder und Jugendliche psychisch mehrheitlich belastet

Inwieweit sich die Corona-Pandemie auf das Kindeswohl ausgewirkt, ist übrigens noch unklar. Die „COPSY“ (Corona und Psyche-)Studie des UKE hat gezeigt, dass Kinder und Jugendliche durch die Pandemie psychisch mehrheitlich belastet waren. „Aber alles in allem sind Kinder stabil durch die Pandemie gegangen“, sagt Schulte-Markwort. „Viele Familien haben erst mal Ressourcen mobilisiert und sind stärker geworden.“

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