Fachkräftemangel in Hamburg: Studieren zu viele – und dann auch noch das Falsche?
Der Neurowissenschaftler Hauke Heekeren ist seit einem Jahr Präsident der Universität Hamburg. Der Hochschul-Chef über die Vorwürfe gegen Dozenten, nicht gendernde Studierende zu benachteiligen, ob die Uni beim riesigen Fachkräftemangel die Studienwahl mehr steuern sollte und was das Exzellenz-Siegel eigentlich gebracht hat.
Der Neurowissenschaftler Hauke Heekeren ist seit einem Jahr Präsident der Universität Hamburg. Der Hochschul-Chef über die Vorwürfe gegen Dozenten, nicht gendernde Studierende zu benachteiligen, ob die Uni beim riesigen Fachkräftemangel die Studienwahl mehr steuern sollte und was das Exzellenz-Siegel eigentlich gebracht hat.
MOPO: Herr Heekeren, Studis an Ihrer Uni sagen, sie hätten Angst vor schlechteren Noten, falls sie nicht gendern. Können Sie versprechen, dass das nicht passiert?
Hauke Heekeren: Ich kann versichern, dass es keinerlei derartige Richtlinien gibt. Eine inklusive Sprache zu pflegen ist uns als Wissenschaftsbetrieb wichtig, aber wir zwingen niemanden zum Gendern. Sollte es tatsächlich einzelne Lehrende geben, die das verlangen, müssen sich diejenigen, die davon betroffen sind, bitte bei unseren Beratungsstellen melden.
Uni-Präsident: „Wir haben keine Akademikerschwemme”
Gehen Sie den Vorwürfen nach?
Uns erreichen nur anonyme Vorwürfe über die Presse. Daher meine Bitte: Betroffene müssen sich bei uns melden, damit wir konkret etwas tun können.

Wir steuern auf einen riesigen Fachkräftemangel zu, auch in Ausbildungsberufen. Studieren zu viele und dann auch noch das Falsche?
Das ist eine schwierige Frage. Die Menschen, die bei uns ein Studium absolvieren, finden im Anschluss nahezu ausnahmslos Arbeit – wir haben also keine Akademikerschwemme. Einige arbeiten nach ihrem Abschluss in anderen Bereichen, andere schließen ihr Studium nicht ab. Ich sehe es aber als positiv an, dass man die Chance hat, sich bei Bedarf zu verändern. Aufgrund des Datenschutzes ist es für uns extrem schwer, die Gründe zu erfahren, warum jemand sein Studium nicht abschließt. Ich würde mich freuen, wenn uns die Stadt in die Lage versetzen würde, damit wir da noch besser werden können.
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Aber hat die Uni keine Verantwortung zu steuern? Wir brauchen Ingenieure, Programmierer…
Ja und wir machen da bereits sehr viel. Für die Lehrkräfteausbildung schaffen wir mit der Stadt mehr Studienplätze. Das allein wird aber vermutlich nicht reichen. Wir müssen auch den Studienzugang erleichtern: Das heißt, dass man zum Beispiel nicht unbedingt zwei Fächer auf Lehramt studieren muss oder sich mit einem anderen Bachelor-Abschluss über ein Aufbaustudium für den Lehrerberuf qualifizieren kann. Bei den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) ist es ähnlich. Wir müssen die Attraktivität steigern und neue Wege gehen. Eine Antwort könnte auch sein, mehr Studiengänge auf Englisch anzubieten, um den Zugang für Menschen aus anderen Ländern zu erleichtern. Wir sind offen und gesprächsbereit.
Hamburg: Uni der Nachhaltigkeit – aber ohne Klimaplan
Wie sieht die Uni in zehn Jahren aus?
Meine Vision ist eine Uni der „Twin-Transformation“, also der Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Wir wollen Wissen generieren und neue Wege aufzeigen, wie man ins Handeln kommt. In der Science City in Bahrenfeld tut sich schon sehr viel, aber auch der Campus an der Bundesstraße wird sich maßgeblich weiterentwickeln. Der Campusbereich könnte autofrei werden und soll sich der Gesellschaft mehr öffnen. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern stärker ermöglichen zu verstehen, wie wir zu unseren Erkenntnissen kommen, und erfragen, welche Bedarfe und Vorstellungen die Menschen an uns haben.
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Sie sprechen von einer Uni der Nachhaltigkeit, aber einen Klimaplan gibt es nicht.
Das stimmt, wir haben aber eine neue Rolle geschaffen: „Chief Sustainability Officer“, kurz CSO, für die wir eine ausgewiesene Expertin gewinnen konnten. Wir werden noch in diesem Jahr einen Klimaplan entwickeln.
Wissen Sie, wie viel CO₂ die Uni verursacht?
Wir haben eine erste Schätzung, die aber noch ungenau ist. Wir müssen viele Bereiche systematischer erfassen, um handlungsfähig zu sein.
Exzellenzforschung in Hamburg: Das sind die Ergebnisse
Die Uni ist seit 2019 Exzellenz-Uni. Was hat‘s gebracht?
Wir haben vier Exzellenz-Cluster in den Bereichen Physik, Klimaforschung und Manuskriptforschung und konnten leistungsstarke Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland gewinnen. Das ist gut für die Forschung und die Lehre, weil neue Formate ausprobiert und neue Inhalte vermittelt werden. Die Manuskriptforschung hat eine Maschine für das Scannen von Kunstwerken entwickelt, die im Louvre eingesetzt wird und bei der Provenienzforschung hilft. Das Exzellenzcluster „CLICCS“ in der Klimaforschung hat kürzlich erarbeitet, welche Klimaziele nicht nur möglich, sondern auch plausibel sind. Jetzt gehen wir beim Exzellenz-Wettbewerb mit den bestehenden und drei neuen Cluster-Vorschlägen in den Bereichen Infektionsforschung, Neurowissenschaften und Nierenforschung ins Rennen.