Undercover bei „Letzter Generation“: Dann gibt’s den Fragebogen, der es in sich hat
Sie blockieren Straßen, beschmieren Kunstwerke und stören Veranstaltungen: Die Aktionen der „Letzten Generation“ sind umstritten. Zuletzt sorgten die Klima-Kleber mit einem Drohbrief an Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) für Aufsehen – und für Empörung im Rathaus. Der Staatsschutz ermittelt, trotzdem wollen die Aktivisten die Stadt am Dienstag lahmlegen. Was sind das für Menschen, die für ihr Anliegen auch ins Gefängnis gehen würden? Was planen sie wirklich? Und wie werben sie um neue Mitglieder? Die MOPO war undercover bei einem Treffen dabei.
Lesen Sie hier, was MOPO-Reporterin Pauline Reibe bei ihrem Besuch erlebt hat.
Sie blockieren Straßen, beschmieren Kunstwerke und stören Veranstaltungen: Die Aktionen der „Letzten Generation“ sind umstritten. Zuletzt sorgten die Klima-Kleber mit einem Drohbrief an Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) für Aufsehen – und für Empörung im Rathaus. Der Staatsschutz ermittelt, trotzdem wollen die Aktivisten die Stadt am Dienstag lahmlegen. Was sind das für Menschen, die für ihr Anliegen auch ins Gefängnis gehen würden? Was planen sie? Und wie werben sie um neue Mitglieder? Die MOPO war undercover bei einem Treffen dabei.
Drei Tage nach der großen Aufregung um ihren Drohbrief sitzen die beiden Verfasser, Lea-Maria Rhein (22) und Matthias „Matze“ Kranz (42), im Asta-Gebäude der Universität Hamburg vor etwa 20 Menschen. Sie wollen ihre Zuhörer an diesem Abend als Neumitglieder für die „Letzte Generation“ gewinnen.
Das Publikum ist durchmischt: Eine ehemalige „Greenpeace“-Aktivistin Mitte 60 sitzt neben Studenten, ein Rentner deutlich über 70 berichtet von seinen Erfahrungen bei der radikalen Klimabewegung „Extinction Rebellion“. Auch einige Mittdreißiger sind dabei. Ihre Gesichter zeugen von Entschlossenheit.

Am Dienstag war der Brief bei Peter Tschentscher eingegangen – SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf bezeichnete ihn als Drohung, CDU-Fraktionschef Dennis Thering sogar als „Erpressung“. „Sollten wir bis zum 13.3.2023 keine Antwort von Ihnen erhalten, sehen wir keine andere Möglichkeit, als gegen den aktuellen Kurs Widerstand zu leisten“, schreiben Rhein und Kranz darin.
Klima-Kleber wollen für „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ sorgen
Ab Dienstag wollen die Aktivisten den „Protest auf die Stadt Hamburg ausweiten und für eine maximale Störung der öffentlichen Ordnung sorgen.“ Der Brief sei sofort an die Ermittlungsbehörden gegangen, heißt es aus dem Rathaus.
Im Asta-Gebäude der Uni Hamburg folgt an diesem Abend ein einstündiger Vortrag: Lea-Maria Rhein, die eigentlich Sozialarbeiterin in Lüneburg ist, und Matthias Kranz, der in Hamburg als Musiker arbeitet, zählen die Naturkatastrophen der vergangenen Jahre auf.
Sie erläutern den Unterschied zwischen den Begriffen Klimawandel (viel zu beschönigend, finden die beiden), Klimakrise (könnte man noch stoppen, ebenfalls beschönigend) und Klimakatastrophe (der unumkehrbare Zustand, in dem wir uns befänden). Immer wieder fällt das Wort Kipppunkte, das auch auf einem Banner im Hintergrund geschrieben steht. Damit meinen die Aktivisten zum Beispiel das Abschmelzen von Eisschilden, das einen irreversiblen Schaden am Weltklima anrichten würde.
Staatsschutz ermittelt – Aktivisten bezeichnen das als „Quatsch“
„Wenn die überschritten sind, ist eine menschliche Zivilisation nicht mehr möglich. Höchstens in irgendwelchen Bunkern“, sagt Matthias Kranz. Seine Lösung: Ziviler Widerstand, um die Verantwortlichen zum Einlenken zu bewegen. Die „Letzte Generation“ ist für ihre Straßenblockaden und Kunstwerk-Beschmierungen bekannt. Die Mitglieder wollen die Gründung eines Gesellschaftsrates erzwingen, der über sofortige Maßnahmen zur Beendigung der Erderwärmung abstimmen soll. Gewaltfrei, wie sie betonen. „Wir würden das alles nicht machen, wenn wir nicht müssten“, sagt Lea-Maria Rhein. „Aber wir sehen keine andere Wahl.“
Die Staatsschutz-Ermittlungen wegen des Schreibens werden an diesem Abend als „Quatsch“ abgetan, Konsequenzen erwartet man nicht. Der Hannoveraner Bürgermeister habe sich einem ähnlichen Brief gegenüber offen gezeigt, sagt Kranz. Er verstehe nicht, wieso Peter Tschentscher das nicht tue.

Schon während des Vortrages gehen Anmeldebögen rum. Die Anwärter dürfen ankreuzen: Sind sie bereit, für die „Letzte Generation“ mehrere Wochen ins Gefängnis zu gehen? Riskieren sie „nur“ eine Ingewahrsamnahme? Oder möchten sie lieber nur eine unterstützende Rolle einnehmen und zum Beispiel bei Aktionen filmen? Außerdem werden Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse abgefragt. „Ihr müsst euch jetzt noch nicht für eine Teilnahme entscheiden“, betonen die Redner immer wieder. „Macht in Ruhe, das geht auch noch online.“ Gleichzeitig werben sie für ihr nächstes Protesttraining am 26. März.
Dort wird geübt, wie man sich bei Straßenblockaden richtig von der Polizei wegtragen lässt und wie man sich am besten festklebt. Ein solches Training ist Voraussetzung für eine Teilnahme am Protest.
Und was genau planen die Klimakleber jetzt für die Zeit nach Ablauf ihres Ultimatums? Da bleiben sie auch gegenüber ihren potenziellen neuen Mitstreitern relativ vage. Nur soviel: „Wir arbeiten gerade an kreativen neuen Protestformen. Zur Not legen wir den Autoverkehr in der ganzen Stadt lahm, indem wir verschiedene große Straßen gleichzeitig blockieren.“