„Geheimakte Gomorrha“ aufgetaucht: Erschreckende Details über Hamburgs dunkelste Tage
Keiner weiß, wo sich diese beiden Aktenbände all die Jahrzehnte befanden. Wer hat sie aufbewahrt? Wer kam auf die Idee, sie als Bücherspende an das Sozialunternehmen Rathauspassage zu geben? Das liegt alles völlig im Dunkeln. Sicher aber ist: Es handelt sich um eine Sensation. Bei den beiden ausgesprochen seltenen roten Bänden mit dem Vermerk „Geheim“ handelt es sich um den Bericht des Nazi-Polizeipräsidenten Hans Julius Kehrl über den Verlauf und die Folgen der Luftangriffe vom Sommer 1943. Was da drin steht, war in der NS-Zeit nur für Eingeweihte bestimmt: die „Geheimakte Gomorrha“.
Von 1937 an war SS-Brigadeführer Hans Julius Kehrl (1892-1961) Polizeipräsident in Hamburg und damit auch zuständig für den Luftschutz in der Stadt. Im Herbst 1943, wenige Wochen nach den verheerenden Luftangriffen, zog er Bilanz und stellte einen Bericht zusammen mit sämtlichen Fakten: wie viele Menschen bei der „Operation Gomorrha“ ums Leben gekommen waren, wie viele Gebäude zerstört wurden, wie viele KZ-Insassen, Gefängnisinsassen und Zwangsarbeiter für die Aufräumarbeiten zur Verfügung standen usw.. Hunderte von Seiten: Material für zwei Ordner. Darin enthalten sind auch Karten, die detailliert zeigen, welche Stadtteile es besonders stark getroffen hatte, außerdem Fotos von zerstörten öffentlichen Gebäuden und eindrucksvolle Berichte von Überlebenden der Angriffe.
Keiner weiß, wo sich diese beiden Aktenbände all die Jahrzehnte befanden. Wer hat sie aufbewahrt? Wer kam auf die Idee, sie als Bücherspende an das Sozialunternehmen Rathauspassage zu geben? Das liegt alles völlig im Dunkeln. Sicher aber ist: Es handelt sich um eine Sensation. Bei den beiden ausgesprochen seltenen roten Bänden mit dem Vermerk „Geheim“ handelt es sich um den Bericht des Nazi-Polizeipräsidenten Hans Julius Kehrl über den Verlauf und die Folgen der Luftangriffe vom Sommer 1943. Was da drin steht, war in der NS-Zeit nur für Eingeweihte bestimmt: die „Geheimakte Gomorrha“.
Vor wenigen Tagen erst hat Hamburg den 80. Jahrestag der „Operation Gomorrha“ begangen. Die MOPO widmete diesem wichtigen Ereignis der Stadtgeschichte eine vierteilige Serie: Vom 25. Juli bis 3. August 1943 hatten rund 3000 alliierte Bomber die Stadt sechs Mal angegriffen und dabei schwerste Schäden angerichtet. Mehr als 40.000 Hamburger starben im Feuersturm, zumeist Zivilisten. Mehr als die Hälfte des Wohnraums der Stadt wurde vernichtet. Gezielt griffen britische Piloten Wohngebiete an – die Moral der Bevölkerung in Nazi-Deutschland sollte gebrochen werden.

Akten enthalten den Vermerk „Geheim“: Die Wahrheit durfte nicht jeder wissen
Von 1937 an war SS-Brigadeführer Hans Julius Kehrl (1892-1961) Polizeipräsident in Hamburg und damit auch zuständig für den Luftschutz in der Stadt. Im Herbst 1943, wenige Wochen nach den verheerenden Luftangriffen, zog er Bilanz und stellte einen Bericht zusammen mit sämtlichen Fakten: wie viele Menschen bei der „Operation Gomorrha“ ums Leben gekommen waren, wie viele Gebäude zerstört wurden, wie viele KZ-Insassen, Gefängnisinsassen und Zwangsarbeiter für die Aufräumarbeiten zur Verfügung standen usw.. Hunderte von Seiten: Material für zwei Ordner. Darin enthalten sind auch Karten, die detailliert zeigen, welche Stadtteile es besonders stark getroffen hatte, außerdem Fotos von zerstörten öffentlichen Gebäuden und eindrucksvolle Berichte von Überlebenden der Angriffe.

Die beiden Akten wurden mit dem Stempel „Geheim“ versehen. Zwar war für jedermann unübersehbar, wie schwer Hamburg in Mitleidenschaft gezogen worden war. Das galt vor allem für Hamm, Rothenburgsort und Hammerbrook – diese Stadtteile waren regelrecht ausgelöscht. Aber die genaue Anzahl der Todesopfer und das gesamte Ausmaß der Zerstörung hielt die Nazi-Führung geheim – andernfalls hätte die Moral der Bevölkerung noch mehr gelitten. Daher waren die Akten nicht für die Allgemeinheit bestimmt. Sie lagerten im Panzerschrank. Einsehbar nur zu dienstlichen Zwecken.
Der Verein Rathauspassage überlässt die Akten dem Mahnmal St. Nikolai

80 Jahre später: Der 1997 gegründete Verein Rathauspassage, der sich zum Ziel gesetzt hat, Arbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen, unterhält neben einem Café auch eine antiquarische Buchhandlung, die auf Bücherspenden aus der Bevölkerung angewiesen ist. Wer in diesem Fall der Spender war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls fand der Mitarbeiter Jonas Bursian bei der Durchsicht einiger frisch angelieferter Kartons mit gespendeten Büchern die zwei roten Ordner und er ahnte gleich, dass es sich um etwas besonderes handelt.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Wieso die Bomben auf Hamburg dieser Frau das Leben retteten
Sofort stellte sich für die Mitarbeiter des Sozialunternehmens Rathauspassage die Frage: Was machen wir damit? Jonas Bursian wandte sich daraufhin ratsuchend an die MOPO-Redaktion. Auch Ex-Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch, ein Historiker, wurde eingeschaltet. MOPO und Kopitzsch empfahlen übereinstimmend, die Dokumente dem Förderkreis Mahnmal St. Nikokali zu überlassen. In der Ruine der im Krieg zerstörten Kirche im Zentrum der Stadt befindet sich seit Jahren eine Ausstellung, die sich der Geschichte der „Operation Gomorrha“ widmet. Außerdem hatten sich die Bomberpiloten bei ihren Angriffen auf die Stadt am weithin sichtbaren Turm von St. Nikolai orientiert. Die Luftangriffe vom Sommer 1943 sind sozusagen der Gründungsmythos der Gedenkstätte. Dort ist die „Geheimakte Gomorrha“ daher am richtigen Platz.

Inzwischen ist die Übergabe erfolgt. In den Räumen von „Zinnbuch“, dem in Wilhelmsburg ansässigen Bücherlager der Rathauspassage, nahm Künster Michael Batz (71) die „Geheimakte“ entgegen. Batz ist Vorstandsmitglied im Förderkreis Mahnmal St. Nikolai. Bei der Übergabe anwesend waren Björn Dobbertin (40), der Geschäftsleiter der Rathauspassage, und sein Mitarbeiter Jonas Bursian (42), der die Entdeckung gemacht hatte. Der Förderkreis Mahnmal St. Nikolai will die Akten nun wissenschaftlich auswerten und sie vor allem für die Nachwelt erhalten.