Wenn Senioren die familientauglichen Wohnungen blockieren
Ältere Menschen wohnen in Großstädten wie Hamburg häufig in großen Wohnungen, in denen sie früher mit der ganzen Familie lebten. Und ein Umzug ist aufgrund der viel zu hohen Mieten kaum möglich. Gleichzeitig suchen viele junge Familie händeringend nach einem Zuhause. Die Politik ist bereits bemüht, Hebel zu finden, um die Älteren zum Umziehen zu bewegen, doch laut Rolf Bosse, Chef des Mietervereins zu Hamburg, reicht das noch nicht. Es brauche eine Zeitenwende in der Wohnungswirtschaft – aber auch in unserer Denkweise.
Ältere Menschen wohnen in Großstädten wie Hamburg häufig in großen Wohnungen, in denen sie früher mit der ganzen Familie lebten. Und ein Umzug ist aufgrund der viel zu hohen Mieten kaum möglich. Gleichzeitig suchen viele junge Familie händeringend nach einem Zuhause. Die Politik ist bereits bemüht, Hebel zu finden, um die Älteren zum Umziehen zu bewegen, doch laut Rolf Bosse, Chef des Mietervereins zu Hamburg, reicht das noch nicht. Es brauche eine Zeitenwende in der Wohnungswirtschaft – aber auch in unserer Denkweise.
Wie groß das Problem tatsächlich ist und noch werden wird, zeigt die Studie „Ageing in Place“ des Berlin-Instituts und der Körber-Stiftung von 2022. Demnach steigt der Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche mit dem Alter stark an: Bei den zwischen 25- bis 45-Jährigen liegt sie bei etwa 37 Quadratmetern, bei Menschen über 65 Jahre bei 59 Quadratmetern – im Eigentum sind es sogar noch mehr.
Hamburg ist eine Hochburg der Single-Haushalte
In Hamburg kommt eine weitere Sache dazu: „Die Stadt ist eine Hochburg der Single-Haushalte“, sagt Rolf Bosse im Gespräch mit der MOPO. „Ein bisschen über die Hälfte aller Wohnungen wird von einer Person bewohnt, und der überwiegende Anteil der Singles wohnt auf drei Zimmern oder mehr.“
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Daran ändern wird sich künftig wenig: Die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1970 – auch „Babyboomer“-Generation genannt –, die bis zu 30 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen, werden ab Anfang der 2030er Jahre aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Zwei Drittel von ihnen wohnen im Eigentum, der Rest hat im Regelfall günstige Mietverträge.
Zwei Drittel der „Babyboomer“ leben im Eigentum
Wie die Generationen vor ihnen wollen auch sie im Ruhestand autark und in ihrem gewohnten Umfeld leben. In den meisten Fällen sind die Wohnungen und Häuser nach Auszug der Kinder eigentlich zu groß geworden, bei einem Umzug in eine kleinere Wohnung würden sie allerdings sogar noch draufzahlen.
Dieses Problem ist in der Politik bekannt, wurde zum Beispiel auf der Justizkonferenz der Länder im Herbst 2022 explizit unter dem Punkt „Stille Wohnraumreserven nutzen“ diskutiert. Die Konferenzteilnehmer kamen zu dem Entschluss, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) prüfen solle, welche Möglichkeiten es gebe, Menschen mit zu großen Wohnungen den Umzug auf weniger Quadratmeter schmackhaft zu machen. Konkrete Lösungsansätze gibt es aber nicht. Dabei könnten laut dem Immobilienentwickler pantera AG in Hamburg mehr als eine Million Quadratmeter Wohnraum frei werden, wenn es sich denn lohnen würde, in ein kleineres Zuhause zu ziehen.
SAGA hat eine eigene Tauschbörse für Wohnungen
Hamburgs Bausenatorin Karin Pein (SPD) hatte bereits angekündigt, beim Wohnungsbau selbst anzuknüpfen. Aktuell werden durchschnittlich Wohnungen von 75 Quadratmetern geplant. „Das spricht dafür, dass wir eigentlich zu groß bauen“, sagte sie dem NDR. Aus ihrer Behörde hieß es, dass sie dazu mit den Akteurinnen und Akteuren des Bündnisses für Wohnen ins Gespräch kommen wolle.
Einen anderen Lösungsansatz verfolgt das städtische Wohnungsbauunternehmen SAGA mit seiner Tauschbörse. Hier wird mobilitätseingeschränkten und älteren Mietern ab 65 Jahren angeboten, beim Umzug in eine kleinere Wohnung die alte Quadratmetermiete zu berechnen. So könnten die älteren Mieter laut Sprecher Gunnar Gläser in barrierefreie Neubauwohnungen der SAGA einziehen und gleichzeitig Wohnungen personengerecht vermietet werden. Seit 2018 hätten das Angebot 700 Haushalte genutzt.
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Komplizierter wird es bei privaten Wohnungen, die den weitaus größeren Anteil in Hamburg ausmachen. Denn selbst wenn sich Tauschwillige finden, sind sie auf den Vermieter-Willen angewiesen. „Dazu stehen langjährige günstige Mietverträge kleinen, teureren Wohnungen gegenüber“, sagt John Weinert, Chef des in Hamburg gegründeten Online-Portals „Tauschwohnung“ der MOPO. In den vergangenen zwei Jahren seien insgesamt 4300 Tauschwohnungen vermittelt worden – circa 50 Prozent davon in Berlin, der Rest in Hamburg, München und Köln. „Vermittelt haben wir sowohl junge Menschen, aber auch ältere, die von ihren Enkelkindern beim Tausch begleitet werden.“
Mieterverein-Chef fordert Umdenken im Wohnungsmarkt
Trotzdem bleibt es doch eher unrealistisch, dass sich dadurch an der Situation wirklich etwas ändern wird. Rolf Bosse sieht vor allem die Wohnungswirtschaft in der Verantwortung. „Wir brauchen eine Zeitenwende, in der für alle Wohnraum vorhanden ist“, sagt er. „Das ist eine langfristige Aufgabe, aber aus der Wohnungswirtschaft fehlen mir die Signale, am Jetzt-Zustand etwas ändern zu wollen.“

Es bräuchte zudem eine Verteilungsdiskussion: „Wir müssen dahin kommen, dass wir freiwillig bereit sind, das zu beanspruchen, was wir wirklich brauchen und nicht mehr“, fordert er. „Es ist doch wie im Supermarkt: Ich kaufe nur so viel, dass ich nichts davon wegschmeißen muss – und genauso plane ich meinen Wohnungsbedarf.“ Dafür müssten aber eben auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Solange sich ein Umzug aus den oben genannten Gründen nicht lohnt, dürfte sich an der Denkweise schwer etwas ändern. Eher werden eben Zimmer oder ganze Etagen eingemottet.