Umstritten hohe Löhne: Ist der Hafen zu teuer?
Der heißdiskutierte MSC-Einstieg soll dem schwächelnden Hafen endlich wieder Aufschwung bescheren. Aber ist das rein wirtschaftlich gesehen ein guter Weg – oder ist der Hafen schlicht zu teuer? Müssen die oft kritisierten hohen Löhne von HHLA-Mitarbeitern sinken? Und wie wichtig ist unser Hafen für Deutschland wirklich? Die MOPO hat den Hafen- und Wirtschaftsexperten Henning Vöpel gefragt – und überraschende Antworten bekommen.
Der heißdiskutierte MSC-Einstieg soll dem schwächelnden Hafen endlich wieder Aufschwung bescheren. Aber ist das rein wirtschaftlich gesehen ein guter Weg – oder ist der Hafen schlicht zu teuer? Müssen die oft kritisierten hohen Löhne von HHLA-Mitarbeitern sinken? Und wie wichtig ist unser Hafen für Deutschland wirklich? Die MOPO hat den Hafen- und Wirtschaftsexperten Henning Vöpel gefragt – und überraschende Antworten bekommen.
Herr Vöpel, ist der Hamburger Hafen zu teuer?
Für die Stadt ist er mittlerweile sehr teuer. Der Hafen liegt in bester zentraler Lage in einer wohlhabenden Stadt, in der es kaum Ansiedlungsflächen für Industrien gibt. Die öffentlichen Investitionen in den Hafen sind hoch, der Flächenbedarf ist groß und die Wertschöpfung im Hafen nimmt ab. Gleichzeitig gibt es für Hamburg alternative Entwicklungspfade, die weitaus attraktiver und dynamischer sind, aber durch die politische Fokussierung auf den Hafen blockiert werden – in der Förderung wissenschaftsnaher Gründungen oder der Ansiedlung nachhaltiger Industrien zum Beispiel. Es wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, die Weichen mutig in eine Zukunft zu stellen, die nicht mehr vorrangig durch den Hafen bestimmt wird.
Oder müsste der Hafen für die Reedereien einfach günstiger werden, um mehr Ladung anzuziehen?
Die Kosten spielen natürlich eine Rolle, aber die Möglichkeiten, den Hafen effizienter zu machen, sind begrenzt. Der Hamburger Hafen ist eben kein Tiefwasserhafen. Und in der Nordsee zu warten, bis man die Elbe hochfahren kann, ist einfach teuer. Das lässt sich auch durch die Fahrrinnenanpassung nicht ausgleichen, obwohl Hamburg durch die gute Hinterlandanbindung immer noch einen Trumpf hat: Der Hafen selbst ist zwar teurer, die gesamte Logistikkette kann dennoch günstiger sein. Aber es geht nicht nur um betriebswirtschaftliche Kosten, sondern zunehmend um alternative Routen, die gerade im Mittelmeer strategisch aufgebaut werden.

Es heißt manchmal, dass auch die hohen Löhne der HHLA-Mitarbeiter schuld sind. Müssen die Löhne sinken?
Das ist schwer zu sagen. Die Löhne sind zwar vergleichsweise hoch, aber sie machen einen immer geringeren Teil der Kosten aus, sie sind für die Wettbewerbsfähigkeit von Häfen also nur bedingt aussagefähig. Mehr privater Wettbewerb im Hafen wäre aber gut. Auch wenn es unpopulär ist: Ich hätte gewisse Sympathien dafür, den Besitz von kritischer Infrastruktur durch die städtische HPA von einem privatwirtschaftlichen Betrieb der Terminals durch die HHLA zu trennen. Die Stadt würde sich aus dem privatwirtschaftlichen Wettbewerb heraushalten und sich darauf konzentrieren, die Infrastruktur wettbewerbsfähig zu halten.
Das hieße wohl sinkende Löhne für Hafenarbeiter.
Vermutlich. Ich verstehe natürlich, dass Hafenarbeiter für ihre Löhne kämpfen. Jeder täte das. Aber man kann die Löhne nicht dauerhaft gegen den Strukturwandel verteidigen. Es klingt hart, aber warum sollten Hafenjobs und die Löhne dort unter einem besonderen Schutz der Stadt stehen und andere nicht? Es geht ja schließlich auch um hochdotierte Vorstandsjobs.
Das könnte Sie auch interessieren: Hafenarbeiter: Der Verkauf der HHLA-Anteile geht alle Hamburger an!
Wie sehr fallen die Löhne bei der ganzen Rechnung überhaupt ins Gewicht?
Immer weniger, weil durch die Automatisierung die Beschäftigung im Hafen weiter sinkt. Hamburg bräuchte eigentlich einen noch höheren Automatisierungsgrad, um wettbewerbsfähig zu sein. Somit betrifft es auch immer weniger Menschen. Klar ist aber auch, dass man durch geringere Löhne keine Wettbewerbsfähigkeit erzwingen kann. Es muss auch jemand bereit sein, in einer teuren Stadt wie Hamburg für diese Löhne zu arbeiten, sonst wandert die Industrie ab. Nach Wilhelmshaven zum Beispiel, wo das Kostenniveau insgesamt geringer ist.
Sollte der Hafen mehr subventioniert werden, wie andere europäische Häfen?
Es werden mehr Investitionen gefordert mit dem Argument, der Hafen habe eine wichtige Versorgungsfunktion für Deutschland. Dahinter stecken aber auch Lobby-Interessen. Man sollte vorsichtig sein, privatwirtschaftliche Gewinne mit öffentlichen Geldern zu finanzieren, weil sie angeblich eine nationale Versorgungsaufgabe erfüllen. Ich sehe das nicht. Davon abgesehen hätte ich es für klüger gehalten, man hätte vor dem MSC-Deal die nationale Hafenstrategie abgewartet. Dann hätte man in Kenntnis der Fördermittel vom Bund entscheiden können, was Sinn macht. Die norddeutschen Häfen hätten zusammen gegenüber dem Bund viel stärker auftreten können.
Der Senat will Investitionen und Wachstum jetzt durch den MSC-Deal sichern. Ein guter Weg?
Mehr private Investitionen und Wettbewerb im Hafen sind erstmal gut. Man hätte MSC aber auch an einem Terminal beteiligen können und nicht an der HHLA insgesamt, die ja ein globaler Logistikkonzern ist. So hätte man die gleichen Ziele mit milderen Mitteln erreichen können. Grundsätzlich glaube ich, dass es für Hamburg besser wäre, nicht in einen fast ruinösen Hafenwettbewerb mit anderen Standorten einzusteigen. Für Hamburg ist es kein Drama, wenn der Hafen nicht wächst. Es gibt, wie gesagt, langfristiger attraktivere Entwicklungsmöglichkeiten, als Container zu transportieren.
Das könnte Sie auch interessieren: Jobs, Geld, Macht: Die wichtigsten Fragen zum Hafen-Deal – und kuriose Koks-Vorwürfe
Aber der Hafen hat für die Region und ganz Deutschland eine hohe Bedeutung. Sichert Arbeitsplätze und Versorgung.
Das wird immer gesagt, aber ich halte das für eine schwer zu belegende Behauptung. Natürlich kann man zeigen, wie viele Arbeitsplätze am Hafen hängen und welche Güter transportiert werden. Aber wenn es den Hafen nicht mehr gäbe, hieße das ja nicht, dass die Regale leer blieben. Die Güter würden andere Wege finden. Wir haben in Europa im Hafenbereich eher Überkapazitäten als Versorgungsengpässe. Man kann auch über Rotterdam und den Rhein viel liefern. Und der Hamburger Hafen würde ja nicht zugeschüttet werden. Hier würden immer noch fünf oder sechs Millionen TEU (Anmerkung der Redaktion: TEU steht für Twenty-Foot Equivalent Unit und meint einen 20-Fuß-Standardcontainer) umgeschlagen. Aber ich sehe nicht, dass es eine nationale Verantwortung für den Hafen gibt, 15 Millionen TEU durchzuschleusen. Der beliebte Hinweis auf fragile Lieferketten ist hier falsch.