Umgang mit der AfD: Der Preis der Boykott-Taktik in Hamburg
Die Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch zeigte alle Varianten politischer Auseinandersetzung: Beschimpfen, sachliche Diskussion, Ignorieren. Erst kassierte die Grünen-Parteichefin Maryam Blumenthal einen Ordnungsruf, weil sie AfD-Chef Dirk Nockemann „ekelhaften Rassismus“ vorgeworfen hatte. Bei einem nachfolgenden AfD-Antrag ließen dann SPD, Grüne und Linke ihre Redezeit verfallen, nur die CDU setzte sich inhaltlich mit der AfD auseinander. Am Ende der Debatten stand fest: Die Bürgerschaftsparteien haben auch nach fast acht Jahren AfD in der Bürgerschaft kein gemeinsames Konzept, die Provokateur:innen vom rechten Rand auszubremsen.
Die Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch zeigte alle Varianten politischer Auseinandersetzung: Beschimpfen, sachliche Diskussion, Ignorieren. Erst kassierte die Grünen-Parteichefin Maryam Blumenthal einen Ordnungsruf, weil sie AfD-Chef Dirk Nockemann „ekelhaften Rassismus“ vorgeworfen hatte. Bei einem nachfolgenden AfD-Antrag ließen dann SPD, Grüne und Linke ihre Redezeit verfallen, nur die CDU setzte sich inhaltlich mit der AfD auseinander. Am Ende der Debatten stand fest: Die Bürgerschaftsparteien haben auch nach fast acht Jahren AfD in der Bürgerschaft kein gemeinsames Konzept, die Provokateur:innen vom rechten Rand auszubremsen.
Da die AfD inhaltlich noch immer wenig zu bieten hat, setzt sie nach wie vor auf verbale Kraftmeierei und unzulässige Pauschalierungen, um in die Schlagzeilen zu geraten – oft mit Erfolg. Als der AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann vergangenen Mittwoch junge Männer, „überwiegend mit Migrationshintergrund“ und „Westasiaten“, für die Angriffe zu Silvester auf Polizei und Rettungskräfte verantwortlich machte und zudem über die „Staatsauffassung der Afrikaner und Asiaten“ schwadronierte, die diese nach Deutschland exportierten, verlor die Grünen-Landesvorsitzende Maryam Blumenthal die Contenance. Ihr Vorwurf, Nockemann würde „ekelhaften Rassismus“ verbreiten, führte zu einem Ordnungsruf, der vom Ältestenrat bestätigt wurde, aber nur aufgrund des Zusatzes „ekelhaft“. Eine seltsame Entscheidung, da unklar blieb, wie Rassismus aussieht, der nicht „ekelhaft“ ist.
Die Folge des Eklats: Blumenthal und eben auch Nockemann landeten in den Schlagzeilen, die sachlich-scharfe Kritik des SPD-Abgeordneten Kazim Abaci, der Nockemanns Rede als „stigmatisierend und spaltend“ einstufte, ging dabei fast unter. Dass selbst Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer nach den Silvesterkrawallen betont hatte, ein „Migrationshintergrund sei nicht der entscheidende Punkt“ und auch „viele Deutsche“ seien an den Ausschreitungen beteiligt gewesen, spielte für Nockemann keine Rolle.
Aktuelle Umfrage: AfD kratzt an der Fünf-Prozent-Hürde
So schien es am Ende, als sei für die AfD alles nach Plan gelaufen. Denn die muss um ihre Existenz kämpfen. Die aktuellste Wahlumfrage sieht die Partei gerade mal bei fünf Prozent; nur ein paar Stimmen weniger, und sie steht nach der nächsten Bürgerschaftswahl vor verschlossenen Rathaustüren. Da ist es wichtig, ab und zu mal ein polterndes Lebenszeichen über die Medien zu den Wähler:innen zu funken.
Das Spiel wiederholte sich dann zu späterer Stunde. Als AfD-Lautsprecher Alexander Wolf dafür warb, Geflüchteten ohne Aufenthaltstitel die Sozialleistungen zu entziehen, gingen Linke, SPD und Grüne gar nicht erst in die Bütt. Sie verschenkten lieber ihre kostbare Redezeit, um das AfD-Thema bloß nicht aufzuwerten. So landete die per Live-Stream übertragene Nicht-Debatte zwar in kaum einer Schlagzeile, doch dafür konnte Wolf unkommentiert über „Einheimische“ und „Zuwanderer“ fabulieren und sich die Deutungshoheit über das Thema sichern. Wolfs Un- und Halbwahrheiten blieben größtenteils unwidersprochen – der Preis der rot-rot-grünen Boykott-Taktik.
Blumenthal (Grüne): „Rassismus muss man klar benennen.“
Nur der CDU-Abgeordnete Andreas Grutzeck machte sich die Mühe, Wolf sachlich zu zeigen, dass der AfD-Antrag mit geltendem Recht nicht vereinbar sei und zudem schwerwiegende Konsequenzen habe: Wenn ein Asylbewerber weder arbeiten und Geld verdienen dürfe noch eine Minimalunterstützung erhalte, werde er automatisch in „die Illegalität und Kriminalität getrieben“, konterte Grutzeck die AfD aus.
Wohltuend waren die Reden von Abaci und Grutzeck, nachvollziehbar der verbale Ausfall von Blumenthal. Die Grüne betonte im Anschluss, Ordnungsruf hin, AfD-Aufwertung her, sie würde den Vorwurf „jederzeit wiederholen“. Auf Twitter erläuterte die Politikerin: „Rassismus muss man klar benennen. Egal wann. Egal wo. Wenn wir so etwas dulden, sagen wir im Grunde, dass die Gesellschaft so etwas dulden muss. Wir setzen im Parlament den Maßstab dafür, wie sich die Grenzen verschieben oder nicht. Wir sind hier Vorbild.“
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Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Klare Kante gegen bewusst diskriminierende, fremdenfeindliche Äußerungen, auch wenn die AfD dadurch mediale Aufmerksamkeit erfährt. Es geht um Haltung, nicht nur um Wahlprozente. Und dass die AfD, anders als in anderen Bundesländern, an der Fünf-Prozent-Hürde herumkrebst, zeigt eines: Die anderen Parteien haben – auch ohne klares Konzept – im Umgang mit Nockemann, Wolf & Co. dann doch nicht alles falsch gemacht.