UKE-Virologe: Wann kann Hamburg wieder lockern, Herr Knobloch?
Andere Länder wie Dänemark oder Irland beschließen gerade weitreichende Corona-Lockerungen, in Hamburg türmt sich weiterhin die Omikron-Welle auf. Im MOPO-Interview erklärt der UKE-Virologe Prof. Dr. Johannes Knobloch, wie es die kommenden Wochen in Hamburg weitergehen könnte.
MOPO: Herr Knobloch, wann bricht die Omikron-Wand?
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Andere Länder wie Dänemark oder Irland beschließen gerade weitreichende Corona-Lockerungen, in Hamburg türmt sich weiterhin die Omikron-Welle auf. Im MOPO-Interview erklärt der UKE-Virologe Prof. Dr. Johannes Knobloch, wie es die kommenden Wochen in Hamburg weitergehen könnte.
MOPO: Herr Knobloch, wann bricht die Omikron-Wand?
Johannes Knobloch: Vermutlich in ein bis zwei Wochen. Mittlerweile kennt eigentlich jeder eine infizierte Person in seinem Umfeld, und so passen auch die Menschen ihr Verhalten an. Wir können uns auch ziemlich sicher sein, dass Hamburg und Bremen die ersten Bundesländer sind, wo sich der Trend wieder umkehrt. In den ehemaligen Hochinzidenz-Ländern wie Sachsen steht man gerade erst am Anfang. Für Deutschland rechnen die Modellierer mit dem Umkehrpunkt ab Mitte Februar. Hamburg wird rund zwei Wochen früher dran sein, genau kann man das aber nicht sagen.
Wie sinnig ist es derzeit überhaupt noch, auf die Inzidenz als Pandemie-Bekämpfungsinstrument zu gucken?
Das ist schwierig, aber es ist immer noch das beste Instrument, das wir haben. Das Problem ist, dass mit der neuen Omikron-Variante die Erfahrungswerte, die wir vorher hatten, nicht mehr stimmen und wir wieder neue Erfahrungen sammeln müssen.
Bleibt es trotzdem das Ziel, die Inzidenz einigermaßen zu regulieren?
Wir sind jetzt sicherlich an einer Schwelle. Wir müssen schauen, dass wir den Schutz der vulnerablen Gruppen in den Vordergrund stellen und nicht mehr jede Infektion verhindern wollen. Man sieht ja, dass das auch gar nicht möglich ist.
In wenigen Wochen wird sich ein Großteil der Bevölkerung angesteckt haben
Wir befinden uns gerade also in einer kontrollierten Durchseuchung?
Die Realität ist, dass wir eine Inzidenz von 2000 pro 100.000 Einwohner haben. Das heißt, dass sich mindestens zwei Prozent der Hamburger in der letzten Woche angesteckt haben. Vermutlich wird die Zahl sogar höher liegen. Für die Zukunft würde das bedeuten, dass sich ein Großteil der Bevölkerung innerhalb weniger Wochen, auch nach Impfung, Booster und ohne Impfung sowieso, infiziert haben wird.
Was bedeutet das für die nächsten Wochen?
Die Frage ist, was macht man politisch daraus? Ich halte nichts davon zu sagen: Wir machen jetzt gar nichts mehr.
In anderen Ländern wie Dänemark wird gerade fleißig geöffnet, warum raten sie davon trotz hoher Impfquote in Hamburg ab?
Das Impfen hilft uns wahnsinnig dabei, die Krankenhäuser zu entlasten. Es entbindet uns aber auf der anderen Seite nicht davon, vulnerable Gruppen zu schützen, denn ich kann auch als Geboosterter Menschen anstecken. Die Allgemeinbevölkerung darf nicht ihre hohen Infektionszahlen zu den Vulnerablen ins Krankenhaus oder in die Pflegeeinrichtungen tragen.
Darum sollte man nicht alle Maßnahmen zurücknehmen
Was würde passieren, wenn die Politik einen Großteil der Maßnahmen zurücknähme?
Das kann man nicht genau modellieren. Es käme dann darauf an, wie die Bevölkerung mit den Lockerungen umgeht, ob die Menschen ihre Kontakte sofort wahnsinnig stark nach oben fahren würden. Es ist aber derzeit tatsächlich so, dass wir fast so viele Erkrankte im Krankenhaus auf der Normalstation haben wie beim Höhepunkt zum Jahreswechsel 2020/2021. Und wir werden die Zahl wahrscheinlich noch überschreiten, das gilt auch für die Intensivstationen. Das Problem, das dieses Mal hinzukommt, ist, dass viel mehr Personal infiziert oder in Quarantäne ist. Das stellt das Gesundheitssystem natürlich vor weitere Herausforderungen. Weitreichende Lockerungen hätten also sehr spürbare Konsequenzen für die kritische Infrastruktur und die Hospitalisierungen.
Also sollten wir lieber nicht über Lockerungen reden?
Doch, das können wir. Wenn wir den Schutz der Vulnerablen optimieren, dann kann man peu à peu Lockerungen in anderen Bereichen umsetzen. Aber sofort den Schalter voll umzulegen, das halte ich für kein geeignetes Mittel. Manche Maßnahmen kann man wahrscheinlich relativ schnell herunterfahren.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburgs Schnelltest-Desaster: „Familien in Angst und Schrecken versetzt“
Können Sie Beispiele nennen?
Das Vermeiden von Kontakten ist weiterhin die effektivste Maßnahme. Es ist dann aber eine politische Entscheidung, wie einzelne Arten von Kontakten gewichtet werden. Notwendig aus meiner Sicht ist zum Beispiel der Kontakt Bildung – darum sollten Schulen möglichst nicht angefasst werden. Bei anderen Kontakten sind es dann tatsächlich politische Entscheidungen, die ich nicht treffen möchte. Aus meiner Sicht sollte man aber durch die Protektion von vulnerablen Gruppen Lockerungen in anderen Bereichen erlauben.