„Lage katastrophal“: Hamburgs Psychiatrien für Straftäter überfüllt – schwere Folgen
Seit Jahren nimmt die Zahl der Straftäter mit einer psychischen Erkrankung oder Drogensucht zu. Normalerweise würden sie in die forensische Psychiatrie (also in den Maßregelvollzug) kommen, doch weil es in Hamburg zu wenige Plätze gibt, müssen immer mehr dieser Verurteilten in Gefängnis. Der Vorsitzende des Landesverbandes für Strafvollzugbedienstete sieht darin eine Überforderung für die Mitarbeiter der Haftanstalten – die schwerwiegende Konsequenzen haben kann.
Seit Jahren nimmt die Zahl der Straftäter mit einer psychischen Erkrankung oder Drogensucht zu. Normalerweise würden sie in die forensische Psychiatrie (also in den Maßregelvollzug) kommen, doch weil es in Hamburg zu wenige Plätze gibt, müssen immer mehr dieser Verurteilten in Gefängnis. Der Vorsitzende des Landesverbandes für Strafvollzugbedienstete sieht darin eine Überforderung für die Mitarbeiter der Haftanstalten – die schwerwiegende Konsequenzen haben kann.
„Die Lage in Hamburg ist katastrophal. Es gibt gar keine freien Plätze mehr in der Forensik“, sagt René Müller, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes für Strafvollzugbedienstete. DerJustizvollzug habe dafür überhaupt keine Kapazitäten. Personell säßen die Bundesländer im Justizvollzug aufgrund fehlenden Personals schon jetzt auf einem Pulverfass.
Aufgrund der mangelnden Plätze in der Hamburger Forensik sitzen seit 2020 psychisch kranke Insassen in der Untersuchungshaft (UHA). Zwar schafft die Stadt weitere Plätze, aber die Auslastung liegt klar bei über 100 Prozent, und so sitzen 59 Straftäter, die eigentlich in die Psychiatrie müssten, momentan in der UHA.
Vollzugsbeamte nicht ausgebildet für psychisch kranke Insassen
Mitarbeiter im Strafvollzug seien nicht für psychiatrisch behandlungsbedürftige Menschen ausgebildet, sagt Gewerkschafter Müller: „Sie wissen nicht, was psychisch kranke Insassen brauchen. Die sind unberechenbar und hoch aggressiv.“ Vom Vollzugspersonal erlernte Deeskalationsstrategien für Gefangene laufen bei psychisch Kranken ins Leere. Übergriffe auf Bedienstete mit zum Teil schweren Verletzungen sind die Folge, sagt Réne Müller.
Im MOPO-Interview erzählt Müller, dass nur noch die schlimmsten Fälle in die Psychiatrie kämen, der Rest bleibe in den Gefängnissen. Die psychisch kranken Insassen bekämen nicht die benötigte Hilfe und könnten nicht resozialisiert werden. Es handele sich nur noch um eine reine Verwahrung.
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Die Justizbehörde antwortet auf MOPO-Anfrage, dass Psychiater in den geschlossenen Justizvollzugsanstalten tätig sind: „Gefangene können entsprechend ambulant psychiatrisch versorgt werden.“ Außerdem sei geplant, im Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt eine psychiatrische Kurzzeitstation einzurichten. Besonders konkreter Bedarf solle dadurch gestillt werden können.
Sozialbehörde: Es gibt Hinweise für eine Zunahme an Schizophrenie
In Hamburg gibt es nur einen Standort für den Maßregelvollzug: Die Asklepios-Klinik Nord Ochsenzoll mit 359 Plätzen. Bis November sollen 34 weitere entstehen. Das Problem des überfüllten Maßregelvollzuges wird damit aber wohl nicht gelöst sein.

Denn die Zahl der therapiebedürftigen Straftäter wird vermutlich eher zu- als abnehmen: „Es gibt Hinweise auf eine Zunahme schwerer psychiatrischer Erkrankungen, insbesondere im Bereich der paranoiden Schizophrenien, in der Bevölkerung“, so Wolfgang Arnhold, Pressesprecher der Sozialbehörde Hamburg. Das sei vor allem für das psychiatrische Hilfesystem eine Herausforderung.
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Aufgrund der angespannten Lage im Maßregelvollzug in Deutschland wurde unter anderem das Strafgesetzbuch geändert. Ab dem 1. Oktober gelten neue Regeln für suchterkrankte Straftäter. Die Hürden für eine Therapie in der forensischen Psychiatrie steigt durch die Reform – so werden die Einrichtungen entlastet. Auf der anderen Seite könnte das zur Folge haben, dass die Gefängnisse sich noch weiter füllen.