Alles nur PR? Bürgermeister Tschentscher auf „Irrlichter“-Reise durch Südamerika
Es wirkt ein wenig wie eine schlechte Kopie. Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durch Kanada tourte, auf der Suche nach der Wasserstoffkooperation der Zukunft, war und ist auch Scholz‘ Bürgermeister-Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) bis zum morgigen Sonntag in gleicher Mission unterwegs – ein paar tausend Kilometer weiter südlich in Argentinien, Chile und Uruguay. MOPO-Kolumnist Marco Carini fragt sich: Wozu eigentlich?
Besonders ein Anden-Staat hat es Tschentscher angetan. „Argentinien verfügt über ein großes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff und ist auch bereit, ihn für den Export herzustellen“, glaubt Hamburgs Bürgermeister und ergänzt: „Die nationale Wasserstoff-Strategie Argentiniens passt in vielen Punkten sehr gut zu dem, was wir brauchen.“ Woher Tschentscher diese Einschätzung und seinen Optimismus nimmt, bleibt sein Geheimnis. Denn in Argentinien gibt es – außer vollmundigen Ankündigungen – noch gar keine Wasserstoff-Wirtschaft geschweige denn eine belastbare Wasserstoff-Strategie.
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Es wirkt ein wenig wie eine schlechte Kopie. Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durch Kanada tourte, auf der Suche nach der Wasserstoffkooperation der Zukunft, war und ist auch Scholz‘ Bürgermeister-Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) bis zum morgigen Sonntag in gleicher Mission unterwegs – ein paar tausend Kilometer weiter südlich in Argentinien, Chile und Uruguay. MOPO-Kolumnist Marco Carini fragt sich: Wozu eigentlich?
Besonders ein Anden-Staat hat es Tschentscher angetan. „Argentinien verfügt über ein großes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff und ist auch bereit, ihn für den Export herzustellen“, glaubt Hamburgs Bürgermeister und ergänzt: „Die nationale Wasserstoff-Strategie Argentiniens passt in vielen Punkten sehr gut zu dem, was wir brauchen.“ Woher Tschentscher diese Einschätzung und seinen Optimismus nimmt, bleibt sein Geheimnis. Denn in Argentinien gibt es – außer vollmundigen Ankündigungen – noch gar keine Wasserstoff-Wirtschaft geschweige denn eine belastbare Wasserstoff-Strategie.
Tschentschers Südamerika-Reise bringt wenig Konkretes
Bislang existiert nur eine sehr vage Idee: Nahe der patagonischen Stadt Sierra Grande, so der Plan der argentinischen Regierung, soll eine freie Wirtschaftszone entstehen, wo zukünftig grüner Wasserstoff produziert wird. Es könnte das Pionierprojekt für grünen Wasserstoff in Argentinien werden. Ab 2030 könnte Argentinien, so hofft Präsident Alberto Ángel Fernández, den grünen Wasserstoff weltweit exportieren. Zum Vergleich: Die Kanadier wollen in drei Jahren mit den Wasserstofflieferungen beginnen.
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Doch ob das hochverschuldete Land, geplagt von einer galoppierenden Inflation, einer extrem hohen Armutsquote und einer massiven Staatsverschuldung tatsächlich einen milliardenteuren Ausbau der Wasserstoffwirtschaft bewältigen kann, muss bezweifelt werden. Seit Jahren steht Argentinien am Rande der Staatspleite. „Für Projekte mit Milliardeninvestitionen braucht man ein geeignetes Umfeld, was die gesamtwirtschaftlichen Probleme wie die Inflation und das Staatsdefizit angeht“, erklärte Natalia Catalano, die an der Technischen Universität Buenos Aires den Studiengang für Wasserstoffwirtschaft koordiniert, unlängst in einem Interview.
Argentinien auf keiner Liste möglicher Kooperationspartner
Bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde, die den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft in der Hansestadt koordiniert und vorantreibt, steht das wirtschaftlich instabile Argentinien nicht einmal auf der langen Liste möglicher Kooperationspartner. Die vollmundigen Argentinien-Ankündigungen des Bürgermeisters werden dort nur mit einem Kopfschütteln quittiert. Lediglich in Chile, der letzten Station der Bürgermeister-Reise, bieten sich aus Sicht der Fachbehörde realistische Chancen für eine Zusammenarbeit beim Thema grüner Wasserstoff.
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So bereitete sie auch nur die Gespräche, die Tschentscher in Chile zu dem Thema führt, mit vor. Auch eine Kooperation mit Uruguay ist in der Behörde kein Thema. Gar nicht vertreten ist die Wirtschaftsbehörde in der Delegation, die Tschentscher bei seinen Gesprächen begleitet. Deren Zusammensetzung lässt ohnehin einige Fragen offen. Die Umweltbehörde, zweitwichtigste Behörde beim Thema Wasserstoff, ist in Südamerika ebenfalls nicht dabei.
Dazu passt, dass mit Tschentscher, der Staatsrätin Almut Möller und dem Bürgerschaftsabgeordneten Hansjörg Schmidt gleich drei Sozialdemokrat:innen in den Flieger nach Buenos Aires stiegen, vom grünen Koalitionspartner aber niemand mitflog. „Die Zusammensetzung der Delegation zeigt die Spannungen und Verwerfungen im Senat deutlich auf“, stichelt deshalb der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Götz Wiese.
Tschentscher ohne grüne Koalitionspartner in Südamerika
Sowohl in der Umwelt- wie in der Wirtschaftsbehörde rechnet niemand damit, dass die Tschentscher-Reise „einen nennenswerten Ertrag für die Energiezukunft Hamburgs“ bringt. Sie sei vor allem Werbung in eigener Sache. Dass beide Behörden nur am Rande in die Planung der von der Senatskanzlei – dem inneren Stab des Bürgermeisters – organisierten Reise einbezogen wurden, spricht Bände. „Das ist keine Reise des Senats, sondern der Bürgermeister irrlichtert auf PR-Tour durch Südamerika“, findet auch Wiese.
Deshalb dürfte der Südamerika-Trip in einer Zeit, in der die Notwendigkeit fast jeder Dienstreise per Klimakiller Flugzeug hinterfragt wird, weitere Debatten auslösen. Denn nicht nur beim Thema Wasserstoff heißt es: Außer Spesen wenig gewesen. So unterzeichnete Peter Tschentscher zusammen mit seinem Amtskollegen aus Buenos Aires ein Papier, das die Zusammenarbeit beider Städte stärken soll. „Unsere Kooperationsvereinbarung bekräftigt, dass wir in der Stadtentwicklung, beim Klimaschutz und in der Digitalisierung zusammenarbeiten wollen“, betont Peter Tschentscher. Konkrete greifbare Projekte? Fehlanzeige! So weit ist die Zusammenarbeit dann doch noch nicht gediehen.