Trotz Corona: Warum es bald noch mehr E-Scooter in Hamburg geben könnte
Seit einem Jahr fahren in Hamburg E-Scooter durch die Stadt. Bei ihrer Einführung haben sie polarisiert und so ist es auch heute noch. Trotz Corona ziehen Anbieter eine positive Bilanz und setzen auf den Hamburger Markt.
Die E-Scooter-Verleiher Lime und Tier sind mit dem ersten Jahr in Hamburg trotz Corona zufrieden. Obwohl die Nachfrage zu Beginn der Pandemie kurz eingebrochen sei, erfreuten sich die elektrischen Roller in der Hansestadt wieder einer zunehmenden Nachfrage, hieß es von den Anbietern. Ebenfalls in Hamburg am Start sind die Anbieter Voi und Bird; ein weiterer könnte noch hinzukommen. Also werden die durchaus umstrittenen E-Roller auch in diesem Sommer im Hamburger Stadtbild präsent bleiben.
E-Scooter in Hamburg: Mehr als eine Millionen Fahrten mit Anbieter Tier
Hamburg war den Angaben zufolge die erste Stadt, in der der deutsche Anbieter Tier im März mehr als eine Million Fahrten abgewickelt hatte. Lime aus Kalifornien spricht für das erste Jahr von bereits zwei Millionen aktiven Nutzern deutschlandweit, die insgesamt zehn Millionen Fahrten im ersten Jahr unternommen hätten.
Während der Corona-Krise habe Lime sein Geschäft in Hamburg vorübergehend pausiert. Im Gegensatz dazu bot Tier nach eigenen Angaben seine E-Scooter weiterhin an. Jashar Seyfi, General Manager bei Lime, prognostiziert, dass die Branche jetzt sogar profitieren könne. „Genau wie das Fahrrad bieten E-Scooter Individualmobilität für diejenigen, die in der aktuellen Situation sicher, flexibel und an der frischen Luft unterwegs sein möchten“, so Seyfi.
„Im letzten Sommer haben die E-Scooter unsere Straßen so schnell erobert, wie kein anderes Verkehrsmittel“, analysiert Marena Pützschler von der Agora Verkehrswende. Der Berliner Thinktank beobachte die Einführung der E-Roller in Deutschland seit dem ersten Tag. Seit ihrer Einführung hätten die Roller auch immer wieder zu polarisierenden Schlagzeilen geführt.
E-Scooter in Hamburg: Anbieter kooperieren mit Wasserschutzpolizei zusammen
Das Problem falsch geparkter Roller hat Anbieter Tier laut eigenen Angaben in den Griff bekommen: „Alle Mitarbeiter, die zum Beispiel beim Austausch von Batterien Scooter sehen, die nicht korrekt abgestellt sind, handeln sofort und platzieren diese korrekt“, sagt Pressesprecher David Krebs. Zudem hätten sich alle Rollervermieter mit der Wasserschutzpolizei in Hamburg zusammengetan, um sofort reagieren zu können, wenn ein Roller ins Wasser geworfen werde.
Brücken seien bei vielen Anbietern ohnehin für das Abstellen der Roller verboten – um Vandalismus vorzubeugen. Wohl mit Erfolg: Der Rolleranbieter Tier gibt an, dass die Beschwerden über falsch abgestellte Scooter zurückgehen würden.
Anbieter Lime: Roller-Lebensdauer von 16 Monaten
Schon kurz bevor die ersten Roller auf deutschen Straßen standen, kursierten Zahlen aus Amerika, wonach E-Scooter im Leihbetrieb zunächst nur weniger als einen Monat hielten. Auf die durchschnittliche Lebensdauer angesprochen, gibt Lime für seine neuesten Roller der dritten Generation eine Lebensdauer von über 16 Monaten bei intensiver Nutzung an. Bei den neueren Tier-Rollern der zweiten Generation seien es 24 Monate. Zudem bestünden die Roller bei beiden Anbietern aus Komponenten, die notfalls ausgetauscht werden könnten. „Dies wirkt sich auch positiv auf die Klimabilanz der Fahrzeuge aus“, betont Pützschler von der Agora Verkehrswende.
Bei der Konstruktion gehen die Rollerverleiher unterschiedliche Wege.
Hamburg: Scooter mit austauschbarer Batterie bei Tier
Laut Tier war Hamburg die erste Stadt, in der man komplett auf Scooter mit austauschbarer Batterie umgestellt hat. „Durch den Einsatz der neuen Modelle, wird das tägliche Hin-und-her-Fahren der Scooter zum Aufladen in Lagerhäuser überflüssig“, so Krebs. Akkus werden demnach vor Ort getauscht. Dazu benutzt Tier laut eigenen Angaben zwei Elektrofahrzeuge und mehrere Lieferwagen mit Verbrennungsmotoren. Seit der Umstellung auf Wechselakkus gibt der Anbieter an, ausschließlich mit eigenen Mitarbeitern auf Teilzeit- und Vollzeitbasis zu arbeiten.
Video: MOPO testet E-Scooter
„Zwar spart man sich den Transport der Roller, da die Batterien vor Ort getauscht werden“, erkennt Seyfi von Lime im Hinblick auf das Modell der Konkurrenz an, kritisiert aber: „Zugleich werden aber auch mehr Batterien benötigt, bei deren Produktion wiederum Treibhausgase ausgestoßen und Seltene Erden verbraucht werden“. Daher nutze Lime weiterhin Roller mit festverbauter Batterie. Bei Lime sammelten und verteilten Logistikpartner die Roller in Hamburg. „Je nach Partner unterscheiden sich auch die Fahrzeuge, die für die Tätigkeiten zum Einsatz kommen“, so Seyfi. So genannte „Juicer“, die als Solo-Selbstständige pro geladenen Roller bezahlt würden, gebe es in Deutschland nicht mehr.
Für regelmäßige Nutzung: Fahrt laut Agora Verkehrswende zu teuer
Damit auch Berufspendler die Roller regelmäßig nutzen, ist die Fahrt nach Einschätzung der Agora Verkehrswende immer noch zu teuer. „Dies macht es unwahrscheinlich, dass die Leihroller regelmäßig als Mobilitätsoption für die erste und letzte Meile genutzt werden“, sagt Pützschler und meint damit beispielsweise den Anfang oder das Ende des Wegs zur Arbeit. Lime und Tier geben an, an Angebotspaketen zu arbeiten, um auch eine regelmäßige Nutzung der Roller attraktiver zu machen.
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Ob E-Scooter am Ende tatsächlich die Fahrt mit dem Auto ersetzen könne, lasse sich auch nach einem Jahr nicht sagen, betont Pützschler. Um das zu erreichen, müsste in Hamburg auch eine bessere Verbindung aus E-Scooter und ÖPNV geschaffen werden.