Der Obdachlose vom Flughafen: Peter (77) hat endlich ein richtiges Zuhause
Hinter diesem Mann liegen die fünf schlimmsten Jahre seines Lebens: Er war obdachlos, hat Flaschen gesammelt, um zu überleben, wurde ausgeraubt, bestohlen, von Passanten getreten und mit Pfefferspray besprüht. Ein Mann von 77 Jahren! Dass das jetzt endlich alles vorbei ist, dass er endlich wieder ein Dach über dem Kopf hat, darüber ist Peter mehr als glücklich – das ist ihm anzusehen. Was die MOPO damit zu tun hat, dass er endlich nicht mehr obdachlos ist.
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Hinter diesem Mann liegen die fünf schlimmsten Jahre seines Lebens: Er war obdachlos, hat im Flughafen gelebt, sich mit Flaschensammeln über Wasser gehalten, wurde ausgeraubt, bestohlen, von Passanten getreten und mit Pfefferspray besprüht. Ein Mann von 77 Jahren! Dass all das nun endlich vorbei ist, dass er wieder ein eigenes Zuhause hat, darüber ist Peter mehr als glücklich – das ist ihm deutlich anzusehen. „Wenn die MOPO damals nicht über mich berichtet hätte, dann müsste ich bestimmt immer noch ,Platte machen‘!“, sagt er.
Es ist nicht gerade ein Luxusapartment, das Peter jetzt bewohnt. Es ist eher das genaue Gegenteil. In einer Wohnunterkunft von Fördern & Wohnen in Hummelsbüttel teilt er sich ein bescheidenes Zimmer von vielleicht 15 Quadratmetern mit einem zweiten Bewohner.
Aber: Er ist zufrieden. Er muss die Nächte nicht mehr kauernd in einer Ecke des Flughafens zubringen. Er hat jetzt wieder ein eigenes Bett. Einen Stuhl. Einen Tisch. Einen eigenen Fernseher. Ein eigenes Radio. Einen eigenen Schrank.
„Seit ich hier lebe, habe ich mich wunderbar erholt“
„Seit ich hier lebe, habe ich mich wunderbar erholt“, sagt er, „sieht man ja!“ Er klopft sich mit den Händen auf den Bauch und lacht. „Ich bin richtig fett geworden!“ 87 Kilo wiegt er. In seiner Zeit als Obdachloser brachte der 1,86 große Mann gerade mal 70 Kilo auf die Waage.
Gut ein Jahr ist es her, dass die MOPO auf Peter aufmerksam wurde. Der S-Bahn-Fahrer Fabian L., der mit seinem Zug der Linie S 1 regelmäßig den Airport ansteuert, rief damals in der Redaktion an und fragte, ob die MOPO nicht irgendetwas unternehmen könne: Da lebe ein netter, alter Mann im Flughafen, der in den S-Bahnzügen die Müllbehälter nach Flaschen durchsuche. Dem müsse doch geholfen werden. Der werde sonst irgendwann krepieren…
Kurz darauf machten sich MOPO-Reporter auf den Weg, suchten Peter und fanden ihn. Der freundliche alte Mann erzählte stundenlang aus seinem Leben: Dass er aus Brandenburg stamme, seine Eltern mit ihm vor dem Mauerbau 1961 in den Westen geflohen seien, dass er Friseur gelernt, dann aber als Kraftfahrer und Lackierer gearbeitet und zwei Kinder großgezogen habe.
Der Tod seiner Frau warf Peter völlig aus der Bahn
Ein durchschnittliches bürgerliches Leben hat Peter mal geführt. Gewohnt hat er in der Ruscheweyhstraße in Hummelsbüttel. Der Tod seiner Frau, mit der er 45 Jahre zusammengelebt hat, warf ihn dann aber völlig aus der Bahn. Es kam eins zum anderen. Er machte Schulden, verlor 2019 seine Wohnung – danach ging es auf der Rolltreppe des Lebens nur noch abwärts für ihn. Drei Jahre war der S-Bahnhof am Flughafen sein Zuhause.
Über das erste Zusammentreffen mit Peter veröffentlichte die MOPO Ende Mai vergangenen Jahres eine ausführliche Reportage. Aber die MOPO beließ es nicht bei einem Bericht – die Redaktion machte auch Behörden und Straßensozialarbeiter auf das Schicksal des Mannes aufmerksam. Das Ziel: ihm eine Unterkunft zu verschaffen.
„Danach hat sich mein Leben total verändert“, sagt Peter und lächelt. Eines Tages sei eine gewisse Frieda bei ihm am Flughafen aufgetaucht, eine Straßensozialarbeiterin, die davon sprach, dass sie ihn schon eine ganze Weile gesucht habe. „Die hat dann alles organisiert.“
„Endlich wieder duschen, morgens und abends, das ist das Schönste“
Er führt uns herum in seinem „Reich“: „Das hier ist die Gemeinschaftsküche – da kann ich mir gepflegt mein Essen zubereiten“, sagt er. Zwei Herde, zwei Spülen. Alles da. Stolz zeigt er uns den Briefkasten im Hausflur mit seinem Namen drauf. Aber für ihn ist das Allerwichtigste das Bad. „Endlich wieder duschen, morgens und abends, das ist das Schönste“, sagt er und macht einen angewiderten Gesichtsausdruck, als er davon erzählt, dass er sich vor ein paar Monaten noch vor sich selbst geekelt habe.
„Ich habe so sehr gestunken, dass alle Leute einen Abstand von mindestens einem Meter zu mir hielten“, sagt er. Die MOPO-Reporter, die ihn vor einem Jahr besuchten, können das bestätigen.
Obdachlose neigen dazu, sich ihre Situation schönzureden. Auch Peter hat im Mai vergangenen Jahres im Gespräch mit der MOPO behauptet, dass er mit seinem Leben im Flughafen „ganz zufrieden“ sei. Er habe „viel Spaß“, so sagte er damals wörtlich.
„Wenn du keinen Ausweis hast, bist du auch kein Mensch“
Heute gibt er zu: „Alles gelogen! Selbstbetrug!“ Obdachlosigkeit sei alles, nur nicht lustig. Er berichtet von Leuten, die ihn bestohlen hätten. Zweimal seien Jugendliche aufgetaucht und hätten ihn angegriffen, einfach so. „Du bist vogelfrei als Obdachloser. Und wenn du keinen Ausweis hast, bist du auch kein Mensch.“ Während er das sagt, zieht er seinen Personalausweis aus dem Portemonnaie. „Ich habe wieder einen.“ Er ist total happy darüber.
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Manchmal sammele er noch Flaschen, sagt Peter. Seine finanziellen Mittel seien eben sehr knapp bemessen. Er habe noch Schulden von früher. Ein paar Euro extra könne er schon gebrauchen, denn er müsse sich Kleidung kaufen. „Ich habe ja nur die Klamotten, die ich am Leib trage.“
Wie er jetzt seine Tage verbringt? Er spiele jeden Tag Darts, erzählt er. Manchmal fahre er noch zum Flughafen und besuche seine alten Kumpel – die Obdachlosen, die dort immer noch leben. „Dann trinken wir zwei Bier und dann fahre ich“ – er macht eine kurze Pause und lächelt – „nach Hause.“ Er schnauft durch die Nase. „Schön, das wieder sagen zu können.“