Absurd teures Eigentum statt günstiger Miete: So umgeht der Investor den Drittelmix
„Willkommen in deiner Guten Stube“ Das Bauprojekt an der Ecke Thadenstraße/Holstenstraße verspricht den Kaufinteressenten viel: Dort sollen Microapartments, kleine und große Luxus-Wohnungen auf sieben Etagen entstehen. Allerdings – nicht jeder Hamburger wird dort einziehen können, denn gerade einmal vier der insgesamt 47 Wohnungen sind öffentlich gefördert. Für den Rest werden Preise von bis zu 11.000 Euro pro Quadratmeter aufgefahren. Wo ist hier der berühmte Hamburger Drittelmix?
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„Willkommen in deiner Guten Stube“. Das Bauprojekt an der Ecke Thadenstraße/Holstenstraße verspricht den Kaufinteressenten viel: Dort sollen Microapartments, kleine und große Luxus-Wohnungen auf sieben Etagen entstehen. Allerdings – nicht jeder Hamburger wird dort einziehen können, denn gerade einmal vier der insgesamt 47 Wohnungen sind öffentlich gefördert. Für den Rest werden Preise von bis zu 11.000 Euro pro Quadratmeter gefordert. Wo ist hier der berühmte Hamburger Drittelmix?
Auf der Website des Bauherrn und Grundstückseigentümers ist von den vier geförderten Wohnungen übrigens gar keine Rede: „47 Eigentumswohnungen“ prangt dort. Von der „kleinen Single-Wohnung“ bis zur großzügigen Penthouse-Wohnung“ sei alles dabei. Interessenten finden hier eine 1,5 Zimmer-Wohnung für stolze 11.039 Euro pro Quadratmeter oder auch eine 6-Zimmer-Wohnung für umgerechnet 10.777 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt müssen Käufer für eine Wohnung in der „Guten Stube“ zwischen 355.000 und 1,4 Millionen Euro auf den Tisch legen.
Altona: Hier entstehen teure Luxus-Wohnungen
Durch die im Juni 2021 vom Bezirk Altona erteilte Baugenehmigung ist der Eigentümer allerdings dazu verpflichtet, öffentlich geförderten Wohnraum für entweder sieben Euro pro Quadratmeter (1. Förderweg) oder 9,10 Euro pro Quadratmeter (2. Förderweg) zu vermieten. Der entsprechende Antrag für vier solcher Wohnungen im zweiten Förderweg liege auch vor, sagt Bezirkssprecherin Lea Modrozinski auf MOPO-Nachfrage. Sprecher Martin Marsmann des Eigentümers Swiss Life Asset Managers bestätigt das ebenfalls.
Warum aber nur vier von 47? Immerhin spricht der Hamburger Senat immer wieder sehr stolz vom Drittelmix, mit dem neue, gemischte Wohnquartiere entstehen sollen: Ein Drittel Eigentums-, ein Drittel Mietwohnungen und ein Drittel wie beschrieben öffentlich gefördert.
Wann gilt der Hamburger Drittelmix und wann nicht?
Die Krux: Auf städtischen Grundstücken kann die Stadt das bei der Konzeptausschreibung fordern, auf privaten Flächen sieht das anders aus: Hier müssen 35 Prozent günstige Wohnungen nur gebaut werden, sofern entweder ein ganz neues Planrecht vom Bezirk ausgeschrieben wird oder bei Vorhaben ab 30 Wohneinheiten Ausnahmen in der Baugenehmigung erteilt werden.
Bedeutet im Klartext: Will der Bauherr zum Beispiel höher, breiter oder eben geringfügig anders bauen als vom Bezirk vorgeschrieben, kann das gestattet werden, wenn er im Ausgleich günstige Wohnungen mit einplant. Im Fall der „Guten Stube“ wollte der Eigentümer laut Bezirkssprecherin Modrozinski ein Geschoss höher bauen als nach dem Bebauungsplan eigentlich erlaubt sei. Für diese eine Etage gelten dann die 35 Prozent – macht vier Wohnungen.
So viele Sozialwohnungen wurden in Hamburg gebaut
„Der Drittelmix ist und bleibt mehr Schein als Sein“, kritisiert die Linken Wohnexpertin Heike Sudmann. „Die politisch gewollten Schlupflöcher zu seiner Umgehung sind groß wie ein Scheunentor. Kein Wunder, dass in Hamburg viel zu teure Wohnungen gebaut werden.“
Tatsächlich ist die vergangene Bilanz der Sozialwohnungen in Hamburg katastrophal: Nur 1884 Stück genehmigte die Stadt im Jahr 2022, ein neuer Tiefstand. Als Grund gab Bausenatorin Karen Pein (SPD) die explodierten Baukosten und -zinsen an. Rot-Grün will gegen diesen Trend ansteuern, stellt nun bis zu 750 Millionen Euro im Jahr für Sozialwohnungsbau bereit. Die Hoffnung des Senats: Dass viele Investoren, die sich sonst mit neuen Projekten zurückhalten, nun die staatliche Förderung mitnehmen und Sozialwohnungen bauen – am besten mehr als in der „Guten Stube“.