Gibt es bald deutlich mehr Tempo 30 in Hamburg?
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Tempo 30 überall – folgt Hamburg dem Pariser Beispiel?

Paris ist fortan nicht mehr nur die Stadt der Liebe, sondern auch der langsamen Autos! Seit dieser Woche gilt stadtweit Tempo 30. Eine Mehrheit der Bevölkerung hatte sich zuvor für die Maßnahme ausgesprochen. Ein Vorbild für Hamburg? 

Von Paris lernen, heißt Entschleunigung lernen. Hier düsen Autos und Motorräder künftig nur noch mit Tempo 30 durch die Straßen – ausgenommen einiger wichtiger Verkehrspunkte. Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) schwärmt gegenüber der MOPO: „Paris ist eine der Städte, die mit viel Mut und auch großem gesellschaftlichen Rückenwind die Mobilitätswende anpacken.” 

Paris als Vorbild: Das würde Tempo 30 für Hamburg bedeuten

Die Argumente für den bemerkenswerten Schritt der Franzosen liegen scheinbar auf der Hand: weniger umweltschädliche Emissionen, weniger Lärm – und mehr Verkehrssicherheit. Doch ist es wirklich so einfach? Und was würde eine solche Einführung in einer Stadt wie Hamburg bedeuten? 

Komme ich mit Tempo 30 langsamer voran? Ja und nein. Klar, Tempo 30 ist erst einmal auf dem Papier deutlich langsamer als Tempo 50. Untersuchungen des Umweltbundesamtes haben ergeben, dass der Zeitverlust in der Praxis des Stadtverkehrs rund null bis vier Sekunden auf 100 Meter beträgt. Die Zahlen variieren in den Tests, je nachdem, wie der Verkehrsfluss beeinträchtigt oder verbessert wurde. Dabei spielt zum Beispiel die Ampelschaltung („Grüne Welle“) eine entscheidende Rolle. Übrigens: Die aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Hauptverkehrsstraßen in Hamburg liegt werktags tagsüber bei 36 Kilometern pro Stunde.

Was bedeutet Tempo 30 für die Verkehrssicherheit?

Könnte der Verkehrsfluss mit Tempo 30 in Hamburg verbessert werden? Eine konkrete Untersuchung für die Hansestadt gibt es noch nicht. Die Verkehrsbehörde geht aber nicht davon aus, dass „grundsätzlich eine Verstetigung des Verkehrsflusses automatisch gegeben ist“. Grundsätzlich kann laut Bundesumweltamt die Qualität des Verkehrsflusses indirekt durch eine ausgeweitete Tempo-30-Regel steigen, weil besser Fahrzeugpulks gebildet werden können und damit die grüne Ampelwellen leichter zu koordinieren sind.  Die Verkehrsbehörde verweist darauf, dass Hamburg rund 1720 Ampeln habe, wovon 1450 in 350 Grüne Wellen eingebunden seien. „Diese Koordinierung werden stetig ausgebaut, überprüft und optimiert“, die Reduzierung von Tempo 50 auf Tempo 30 führe demnach nicht automatisch zu einer Optimierung der Grünen Welle.

Wird der Stadtverkehr durch Tempo 30 sicherer? Schon jetzt werden an Schulen oder Altenheimen aus Sicherheitsgründen Tempo-30-Bereiche eingerichtet. Und aus reinen Sicherheitsgründen wäre dies auch für das ganze Stadtgebiet sinnig. Allein der Anhalteweg verringert sich deutlich, wenn ich mit 30 statt 50 km/h unterwegs bin. Läuft zum Beispiel ein Kind vors Auto, beträgt mein Brems-Reaktions-Weg nur noch 13,3 Meter anstatt 27,7 Meter – die Differenz kann lebensrettend sein. Städte wie Berlin oder Schwerin haben in umgewandelten Tempo-30-Straßen einen Rückgang an Unfällen festgestellt. Die Hamburger Innenbehörde merkt jedoch gegenüber der MOPO an, dass Tempo 30 „nicht zwangsläufig eine deutliche Reduzierung“ der Unfälle zur Folge hätte. Unfallhäufungen gäbe es zum Beispiel an Kreuzungen oder Einmündungen.

Bedeutet Tempo 30 mehr Umweltschutz?

Weniger Tempo gleich weniger Schadstoffe? Was auf den ersten Blick vielleicht Sinn ergeben mag, ist leider nicht unbedingt der Fall. Die Forschungslage hier ist noch recht dünn, doch es gibt gegenteilige Ergebnisse. So wird darauf hingewiesen, dass einige Autos bei Tempo 30 ungünstige Betriebspunkte haben und mehr Schadstoffe emittieren. Andere Studienergebnisse weisen jedoch eine Verringerung der Schadstoffe nach – auch, weil das häufige Beschleunigen in der Stadt bis Tempo 50 mehr Schadstoffe verursacht als der Sprint auf Tempo 30. Es steht und fällt schlussendlich damit, mit welchem Tempolimit der Verkehr flüssiger geleitet wird. 

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Wie steht es um die Lärmbelastung? Hamburg hat zuletzt eine große Offensive gestartet, die viele Straßen mit Tempo 30 bei Nacht versieht. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit führt zu drei Dezibel weniger – eine Halbierung des Lärms. Das wäre also bei einem allgemeinen Tempolimit von 30 den ganzen Tag über wahrnehmbar.  

So realistisch ist Tempo 30 in Hamburg

Nimmt sich Hamburg ein Vorbild an Paris? Der Verkehrssenator Anjes Tjarks ist zwar ein Freund der Pariser Verkehrswende – Tempo 30 für ganz Hamburg wird er aber erst mal nicht einführen. „Eine flächendeckende Anordnung von Tempo 30 in Deutschland ist schon rechtlich nicht möglich. Ich bin aber überzeugt: Wir haben aktuell in Deutschland zu wenig Tempo 30, und die Gründe, dieses einzuführen, müssten deutlich erleichtert werden.“ Hintergrund: Laut Straßenverkehrsordnung ist Tempo 50 in der Stadt die Standardgeschwindigkeit, es braucht triftige Gründe, um Tempo -30-Zonen einzurichten. Mit dem SPD-Koalitionspartner wäre ein Tempo-30-Hamburg wohl ohnehin nicht zu machen. „Das würde die Grundfunktionen unserer Stadt in Frage stellen“, so SPD-Verkehrssprecher Ole Thorben Buschhüter zur MOPO. Sein Pendant aus der Grünen-Fraktion, Rosa Domm, hofft trotzdem: „Tempo 30 wäre ein Meilenstein für ein noch lebenswerteres Hamburg!“

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