Warum der Vater, der seine drei Kinder tötete, nur vier Jahre Knast bekam
Dan N. (Name geändert) galt als treu sorgender Vater. Doch am 13. April 1977 erstach der 41-Jährige seine drei Kinder, verletzte seine Frau und seine Schwägerin schwer. Als der Autohändler 1978 vor Gericht steht, kommt es zu einem überraschenden Urteil.
Dan N. (Name geändert) galt als treu sorgender Vater. Doch am 13. April 1977 erstach der 41-Jährige seine drei Kinder, verletzte seine Frau und seine Schwägerin schwer. Als der Autohändler 1978 vor Gericht steht, kommt es zu einem überraschenden Urteil.
Der Sohn eines angesehen Häuptlings aus Ghana war 1971 nach Hamburg gekommen und hatte hier seine Frau kennengelernt. Vier Jahre später heirateten beide. Zu der Zeit waren sie bereits Eltern, im Jahr zuvor war Sohn Oli auf die Welt gekommen. 1976 folgten Zwillinge. Nach außen hin eine harmonische Familie.
Familienvater wurde aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert
Dan N. versucht hier nicht anzuecken und trotzdem Anerkennung zu bekommen. Sein Problem: Die Angehörigen seiner Frau, mit der die fünfköpfige Familie unter einem Dach in einem Einfamilienhaus an der Fabriciusstraße in Bramfeld lebt, lehnen Dan N. ab – aus rassistischen Gründen. Der Verteidiger des Mannes, Dr. Ness, beschreibt die familiäre Situation im Prozess später so: „Dan N. war nicht Familienoberhaupt, sondern allenfalls ein geduldeter Kuli.“

Die strikte Ablehnung trifft den Ghanaer schwer, er vereinsamt, beginnt zu trinken. Am 13. April 1977 kommt es in dem Bramfelder Haus zur Katastrophe. Auslöser war der Trennungswunsch seiner Frau. Sie ruft sogar die Polizei, damit die Beamten ihren Mann aus dem Haus werfen.
Dan N. greift zu einem Fleischermesser und schneidet seinen drei Kindern die Kehlen durch, dann sticht er auf seine Frau (35) und seine Schwägerin (28) ein, verletzt beide schwer. Anschließend flüchtet der Täter aus dem Haus, läuft kilometerweit blutverschmiert bis nach Barmbek und wird hier an der Wasmannstraße von Polizeibeamten gestellt. Der 41-Jährige geht mit dem Messer auf die Polizisten los, die schießen ihm die Waffe aus der Hand und überwältigen den Mann.

Am 2. Januar 1978 beginnt der Prozess gegen den Täter vor dem Hamburger Schwurgericht. Dabei kommt heraus, dass alle Angehörigen seiner Frau den Ghanaer aufgrund seiner Hautfarbe komplett ignoriert hatten. Niemand grüßte ihn, er durfte an keiner Familienfeier teilnehmen, man sah einfach durch ihn hindurch.

Auf die Frage eines Richters an seine Frau, warum sie Dan N. geheiratet hatte, entgegnet diese: „Weil er mir Alkohol kaufte. Ich war damals süchtig. Meine Verwandten nahmen mir alle Flaschen fort.Einer dieser Verwandten sagte dann über Dan N.: „Zu mir in die Wohnung durfte er nicht. Ich finde es schon immer komisch, wenn Weiß und Schwarz zusammengeht.“ Die Frau des Zeugen wiederum erklärte: „Wir waren abgeneigt, weil er ein Schwarzer war.“
Aufgrund dieser schlimmen Verhältnisse wird ein psychiatrischer Gutachter eingeschaltet. Dr. Bernd W. erklärt: „Die innere Vereinsamung dieses aus einem anderen Kulturkreis stammenden Afrikaners“ habe zu einem „ständig ansteigenden Affektzustand“ geführt.

Der Autor
Thomas Hirschbiegel (hier am Tatort Fabriciusstraße) ist seit 1977 bei der MOPO. Der 63-Jährige war fast 40 Jahre Polizeireporter, schreibt heute als Chefreporter auch über Stadtentwicklung, Autos oder „Lost Places“. Zu den Kindermorden vor 43 Jahren sagt er: „1977 war mein erstes Berufsjahr bei der MOPO. Doch an große Fälle wie diesen furchtbaren Dreifach-Mord durfte ich noch nicht ran. Ein Jahr später sah das schon ganz anders aus. Keine Woche verging ohne Mord und Totschlag. Damals ließen mich die allermeisten Fälle kalt. Doch heute am Ende meines langen Berufslebens sieht das anders aus.“
Der Angeklagte hat im Prozess das letzte Wort. Unter Tränen sagt er: „Ich kann nie mehr froh sein. Ich muss mich vorbereiten auf meine Kinder. Denn im Himmel sehe ich sie wieder.“
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Am 10. Januar 1978 fällt das milde Urteil. Da Dan N. zur Tatzeit 2,6 Promille Alkohol im Blut hatte, wird er wegen dreifachen Totschlags im Zustand des fahrlässig herbeigeführten Vollrausches zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.