Arzt getötet: Als ein Killer-Kommando in Hamburgs Reichen-Stadtteil kam
Der Tatort: das feine Pöseldorf. Das Opfer: ein wohlhabender Arzt. Die Täter: bis heute unbekannt. Doch eine Spur führt zu einem der größten Betrugsfälle, der im Zusammenhang mit der Abwicklung von DDR-Betrieben in den 1990er Jahren steht.
Am 23. Mai 1995 klingelt es mittags an der Wohnungstür von Dr. Jens-Peter L. an der Magdalenenstraße. Der 78-jährige Arzt öffnet arglos und wird sofort attackiert. Zwei Männer schlagen ihm eine schwere Messinglampe auf den Kopf, dann legen sie an sieben Stellen in der Wohnung Feuer.
Der Tatort: das feine Pöseldorf. Das Opfer: ein wohlhabender Arzt. Die Täter: bis heute unbekannt. Doch eine Spur führt zu einem der größten Betrugsfälle, der im Zusammenhang mit der Abwicklung von DDR-Betrieben in den 1990er Jahren steht.
Am 23. Mai 1995 klingelt es mittags an der Wohnungstür von Dr. Jens-Peter L. an der Magdalenenstraße. Der 78-jährige Arzt öffnet arglos und wird sofort attackiert. Zwei Männer schlagen ihm eine schwere Messinglampe auf den Kopf, dann legen sie an sieben Stellen in der Wohnung Feuer.
Arzt wird in seiner Wohnung in Pöseldorf überfallen
Jens-Peter L. erleidet bei dem Angriff einen doppelten Schädelbruch, liegt stöhnend im Wohnzimmer. Die beiden Täter zünden noch seine Kleidung an und flüchten. Der Mediziner überlebt nur, weil ein Nachbar den Qualm bemerkt, die Wohnungstür eintritt und Jens-Peter L. aus den brennenden Räumen rettet.
Die Feuerwehr kann den Brand innerhalb einer halben Stunde löschen und Jens-Peter L. wird vom Notarzt versorgt und dann in die Spezialklinik für Brandverletzte in Boberg gebracht. Dort verschlechtert sich sein Zustand. 30 Prozent seiner Haut sind verbrannt. 16 Tage nach der Tat stirbt Jens-Peter L., ohne dass er vernommen werden konnte. Von den Tätern fehlt jede Spur. Nur Raubmord kann die Mordkommission ausschließen. Die gut gefüllte Brieftasche ist am Tatort zurückgeblieben und auch sonst fehlt nichts in der luxuriösen Pöseldorfer Wohnung.
1996 berichtet die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ über den Fall. Doch bei der Hamburger Kripo trifft kein entscheidender Hinweis ein.
Spur führt ins Berlin der Wende-Zeit
Erst ein Jahr später ergeben sich plötzlich hochinteressante Ermittlungsansätze und die führen ins Berlin der Wendezeit, genauer gesagt: zur Firma WBB-Wärmeanlagenbau. Die WBB war DDR-Monopolbetrieb für Fernwärme und Heizkraftwerke. 2000 Menschen arbeiteten hier an verschiedenen Standorten.
Die staatliche „Treuhand“, die damals die DDR-Betriebe abwickelte, verkaufte das angeblich marode und überschuldete Unternehmen 1991 für gerade mal zwei Millionen Mark (eine Million Euro) an eine Schweizer Firma. Der Preis war lächerlich niedrig. Allein die Firmen-Immobilien, vor allem in gefragten Berliner Lagen, waren ein Vielfaches wert. Die Firmenzentrale an der Wallstraße im Bezirk Mitte wurde schon damals mit gut 100 Millionen Mark (50 Millionen Euro) bewertet.

Hinter der Schweizer Firma, die WBB kaufte, steckten westdeutsche Manager, die das Unternehmen, in dem zum Schluss noch 750 Mitarbeiter angestellt waren, 1994 in die Pleite führten. Dabei zogen sie mal eben rund 100 Millionen Euro aus der Firma, verschoben dieses Vermögen auf Konten weltweit. Ein Staatsanwalt sprach damals von einem „vollen Programm der systematischen Ausplünderung“.
Betrüger erbeuteten nach der Wende Millionen
Für die 1991 gegründete Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) ist es der größte Fall überhaupt. Jahrelang ermitteln Dutzende Kripoleute und Staatsanwälte. Im Oktober 1995 schlagen die Ermittler zu und 800 Beamte durchsuchen Firmengebäude und Wohnungen. Fünf Männer werden später angeklagt und drei 1999 auch zu Haftstrafen verurteilt.

Der Autor
Thomas Hirschbiegel (hier am Tatort Magdalenenstraße 66) ist seit 1977 bei der MOPO. Der 63-Jährige war fast 40 Jahre Polizeireporter, schreibt heute als Chefreporter auch über Stadtentwicklung, Autos oder „Lost Places“. An den Mordanschlag vor 27 Jahren erinnert er sich: „Ich war damals schnell am Tatort und fotografierte das Opfer. Der Arzt war damals scheinbar nicht schwer verletzt und konnte mit den Sanitätern sprechen. Ich war überrascht, als die Meldung seines Todes eintraf. Seitdem hat mich der Mord nie losgelassen. Eine Motivlage der bis heute unbekannten Täter im Rahmen der „Vereinigungs-Kriminalität“ macht den Fall spannend.
Nur wenige Monate vor den Durchsuchungen 1995 wird Jens-Peter L. überfallen. Er sitzt damals im Beirat der „Hotel Marbella Sch. KG.“. Und auf Konten dieses Unternehmens landen vermutlich 25 Millionen Euro aus dem entzogenen Vermögen des Berliner DDR-Betriebs WBB. Das dürfte Beiratsmitglied Jens-Peter L. auch bekannt gewesen sein.
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Vermutlich wusste er auch über die Ermittlungen der ZERV Bescheid. Fürchtete er auch eine Ermittlung gegen sich und wollte deswegen über Hintermänner der Betrügereien auspacken? Es ist nur eine Theorie, dass ebenjene Hintermänner ihm deswegen zwei Killer geschickt haben. Aber wurde hier jemals intensiver ermittelt? 27 Jahre später kann diese Frage niemand mehr beantworten.
Auf MOPO-Anfrage teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit, dass der Fall als „ungeklärt“ zu den Akten gelegt worden ist.