Angeklagter drehte durch: Doppelmord vor dem Altonaer Amtsgericht
Es ging um eine Ruhestörung. Eigentlich eine Banalität, doch der Streit unter Nachbarn in Hausbruch eskalierte. Hans-Jürgen E. (27) verpasste einer Frau (42) eine Ohrfeige. 600 Mark (300 Euro) sollte er als Geldstrafe dafür berappen. Doch vor dem Altonaer Gericht drehte der Angeklagte am 26. April 1979 durch und erschoss zwei Menschen.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Es ging um eine Ruhestörung. Eigentlich eine Banalität, doch der Streit unter Nachbarn in Hausbruch eskalierte. Hans-Jürgen E. (27) verpasste einer Frau (42) eine Ohrfeige. 600 Mark (300 Euro) sollte er als Geldstrafe dafür berappen. Doch vor dem Altonaer Gericht drehte der Angeklagte am 26. April 1979 durch und erschoss zwei Menschen.
Hans-Jürgen E. und das Ehepaar Elisabeth und Heinz H. lebten im selben Mietshaus an der Altwiedenthaler Straße. Immer wieder gab es Streit um Lärm, den der psychisch gestörte Hans-Jürgen E. machte. Jahrelang ging das so. Am 27.9.1974 schlug der 27-Jährige der Nachbarin ins Gesicht, drohte mit einem Gasrevolver. Das Ehepaar rief die Polizei und zeigte den aggressiven Nachbarn an. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu 600 Mark Geldstrafe. Der 27-Jährige ging in Berufung. 1979 traf man sich also wieder vor Gericht. Der Verhandlungssaal befand sich damals im Jenckel-Haus an der Max-Brauer-Allee, einem Gebäude des ehemaligen Krankenhauses Altona.
Hamburg: Täter wollte eine Geldbuße nicht zahlen
Richter Harry Schütt von der Kleinen Strafkammer 2 machte einen Vorschlag zur Güte: Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit, wenn der Angeklagte eine geringe Geldbuße zahlt. Doch Hans-Jürgen E. wollte unbedingt einen Freispruch, er sah sich in diesem Fall als Opfer. Der Richter vertagte, setzte einen weiteren Termin an, um noch eine Zeugin zu hören.
Nach der Verhandlung rannte der gelernte Kaufmann wutschnaubend über die Gerichtsflure, schrie: „Scheiße, verdammte!“ Ein Handwerker versuchte noch, ihn zu beruhigen, doch der 27-Jährige rannte davon. Minuten später fielen Schüsse. Ausgerechnet als auf der Max-Brauer-Allee gerade ein Fahrzeugkonvoi mit Bundespräsident Walter Scheel (1919-2016) vorbeifuhr. Das Staatsoberhaupt bekam davon aber nichts mit.
Mord im Altonaer Amtsgericht
Hans-Jürgen E. hatte das Ehepaar H. auf dem Parkplatz überrascht, als es sich gerade in seinen orangefarbenen Opel Rekord gesetzt hatte. Mit einem großkalibrigen Vorderlader-Revolver schoss er viermal. Elisabeth (42) und Heinz H. (43) waren sofort tot.
Der Schütze warf die Waffe hinter dem Jenckel-Haus in ein Gebüsch und versteckte sich dann in einem Keller-Niedergang. Spielende Kinder entdeckten ihn dort und alarmierten den Direktor ihrer Schule, der rief die Polizei und Hans-Jürgen E. wurde festgenommen.
Im März 1980 stand der 27-Jährige statt wegen Ruhestörung nun wegen Doppelmord vor Gericht.
Das könnte Sie auch interessieren: Tatort Hamburg – Blutbad im Uni-Viertel (M+)
Der Angeklagte beschrieb sich als schüchternen und zurückhaltenden Menschen. Er sagte: „Wenn wir zu Hause Besuch hatten, kroch ich als Kind unter den Tisch.“ Der Mann wurde zum Einzelgänger. Ein Arzt sagte aus, dass er von einer psychischen Störung ausgehe.
Der Autor
Thomas Hirschbiegel (hier am Tatort Jenckel-Haus/Max-Brauer-Allee) ist seit 1977 bei der MOPO. Der 62-Jährige war fast 40 Jahre Polizeireporter, schreibt heute als Chefreporter auch über Stadtentwicklung, Autos oder „Lost Places“. An den Doppelmord vor 43 Jahren erinnert er sich: „Ich hab damals meinen Grundwehrdienst als Bundeswehr-Fotograf bei der Pressestelle der 6. Panzergrenadierdivision in Neumünster abgeleistet und war etwas neidisch auf die Kollegen, die bei diesem Aufsehen erregenden Fall mitten in Altona vor Ort waren.“
Zwölf Jahre wohnte Hans-Jürgen E. mit dem Ehepaar H. im selben Haus. In seinen Schilderungen über die Zeit stellte sich Hans-Jürgen E. bei den dauernden nachbarlichen Streitigkeiten als Opfer dar. Heinz H. habe ihm ein blaues Auge verpasst, die Reifen seines Fahrrads zerschnitten. Der Angeklagte: „Sie suchten Streit, schikanierten mich.“
Das könnte Sie auch interessieren: Tatort Hamburg – „Sheriffstern“ rettet Geldbote das Leben (M+)
Den Mord am Nachbars-Ehepaar, das zwei Kinder (11/15) hinterließ, beschrieb der 27-Jährige so: „Ich hab geschossen, so schnell es ging. Viermal mit dem Daumen gespannt, abgedrückt und getroffen. Mechanisch, instinktiv.“