„Suchte Anerkennung im Außen“: „La Paz“-Chef spricht über seine Depressionen
Es gibt wohl wenige Eimsbütteler:innen, die noch nicht im „La Paz“ am Heußweg Tapas geschlemmt haben. Seit 20 Jahren steckt Gastronom Kemal Üres (44) all sein Herzblut in das Kult-Lokal, das seit einer Renovierung vor einem Jahr in neuem Glanz erstrahlt. Was lange Zeit niemand ahnte: Hinter der Fassade des immer beschäftigten Unternehmers glänzte jahrelang nicht viel – Üres litt 16 Jahre lang an schweren Depressionen.
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Es gibt wohl wenige Eimsbütteler:innen, die noch nicht im „La Paz“ am Heußweg Tapas geschlemmt haben. Seit 20 Jahren steckt Gastronom Kemal Üres (44) all sein Herzblut in das Kult-Lokal, das seit einer Renovierung vor einem Jahr in neuem Glanz erstrahlt. Was lange Zeit niemand ahnte: Hinter der Fassade des immer beschäftigten Unternehmers glänzte jahrelang nicht viel – Üres litt 16 Jahre lang an schweren Depressionen. Über seinen Weg voller innerer Hürden hat er nun ein Buch geschrieben.
Schicke Polsterstühle, glitzernde Kronleuchter, gemütliche Wandfarben: Im „La Paz“ ist seit vergangenem Sommer so gut wie alles neu. Geblieben ist das, wofür das Restaurant bekannt ist: leckere und hochwertige Tapas.
Kemal Üres steckte während des Corona-Lockdowns nicht den Kopf in den Sand, sondern krempelte die Ärmel hoch: neues Mobiliar, eine neue Küche, überarbeitete Speisekarte. Rund eine Million Euro hat der 44-Jährige in die Renovierung seines Lokals gesteckt, das es bereits seit 1983 gibt und er 2002 mit übernahm.
„La Paz“-Inhaber Kemal Üres: Einst lernte er im „Madison Hotel“
Mit 19 Jahren und 400 Mark kam Üres einst aus seiner Heimatstadt Konstanz nach Hamburg, schlief in der ersten Zeit in einem Hostel auf dem Steindamm und heuerte als Barkeeper im „Madison Hotel“ von Marlies Head an, später wechselte er ins „Park Hyatt“, wo er mit 21 der jüngste Manager der internationalen Kette mit rund 200 Hotels weltweit wurde.
Als Marlies Head von Üres‘ zunächst einfacher Behausung am Steindamm Wind bekam, sorgte sie dafür, dass er in einem Madison-Zimmer schläft. Vor einiger Zeit traf sie auf ihren einstigen Zögling und sagte: „Ich kriege mit, was du machst.“ „Da hatte ich Tränen in den Augen“, erzählt Üres, der heute als Multripreneur bezeichnet werden kann, denn: Das „La Paz“ ist längst nicht sein einziges Projekt.
Seit mehr als zehn Jahren betreibt er das Catering-Unternehmen „Daily You“, versorgt Kitas und Betriebe mit gesundem, vegetarischen Essen. Ein Coaching-Unternehmen und die Marketingagentur „Amapthy“ gehören ihm ebenfalls. Letztere ist direkt über dem La Paz, „das ist ein bisschen wie ein perfekter Traum hier“, sagt er. Jeden Tag kommt er zum Mittagessen in sein Restaurant, spricht mit seinen Angestellten und Gästen und geht dann wieder oben an den Schreibtisch.
„La Paz“-Inhaber Kemal Üres: „Ich suchte Anerkennung im Außen“
Dass er jahrelang ein gestresster Workaholic war, immer am Handy klebte und getrieben von äußerem Erfolg war, ist schwer zu glauben. Er spricht ruhig, wirkt in sich ruhend, in Balance. „Ich bin sehr sensibel, Fisch vom Sternzeichen, fühle Menschen sehr gut“, so Üres.
Zu seinem Tatendrang und seinen verschiedenen Unternehmen sagt er: „Ich suchte Anerkennung im Außen, das trieb mich an“. In seinem Buch „Erfolg? Nicht ohne meine Seele“ teilt er nun, um welchen Preis er zu seinem Erfolg kam und wie er heute als Mental Coach Menschen in ähnlichen Situationen hilft.
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„Ich bin stark depressiv geworden, insgesamt 16 Jahre, in denen ich zusammengerechnet vier Monate in psychosomatischen Kliniken war“, so Üres. Dabei seine ständigen Begleiter: Antidepressiva. „Ich hatte vor allem Ängste, manchmal kam ich acht Wochen nicht aus dem Bett.“ Auch seine Ehe ging dabei in die Brüche.
Aber: Seinen beruflichen Erfolg baut er trotzdem weiter auf, beides ging parallel, wie er sagt. Seine Angestellten haben erst vor Kurzem, nach der Buchveröffentlichung von den Depressionen ihres Chefs erfahren. Vor allem als er Mitte Dreißig war und seine Mutter starb, fiel er in ein tiefes Loch, erzählt Üres, der Vater einer Tochter ist.
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Sein großes Glück: Er geriet an eine gute Therapeutin, mit deren Hilfe er langsam den Weg aus den seelischen Tiefen fand. „Ohne sie hätte ich es nicht geschafft“, sagt Üres. Seit einigen Jahren nimmt er schon keine Antidepressiva mehr und sagt: „Ich merke heute nur noch eine gewisse Schwere bei Saisonwechseln“. Auch das Schreiben des Buches habe ihm geholfen, seine Depression zu verarbeiten. Üres: „Ich hoffe, dass es vielen Menschen hilft.“