„Plötzlich war ich Lebensretter“: Ein Blankeneser im Sturmflut-Einsatz
Erschöpft, aber auch glücklich sieht der junge Mann auf dem Foto aus. Auf dem Kopf die graue Rotkreuz-Mütze, in seinen Armen ein kleines Kind. Wenn der damals 20-jährige Rotkreuzler Klaus-Peter Behrens und seine Kameraden nicht gewesen wären, hätte die Kleine die Sturmflut 1962 wohl nicht überlebt.
Klaus-Peter Behrens: 60 Jahre sind vergangen, aber die Erinnerungen bei dem inzwischen 80-Jährige sind so frisch, als wäre es gestern gewesen. Kein Wunder, denn die Flut bezeichnet er als das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen hat.
Ein paar Szenen wird er wohl nie vergessen. Wie er beispielsweise eine nackte und völlig verfrorene Frau auf seinen Armen aus dem Peuter Bahnhof trug. Und dann ist da noch der Moment, als er hilflos in eine Senke hinabschaute, auf eine Gruppe überfluteter Behelfsheime. „Ich war sicher, dass da noch Menschen drin waren. Aber was sollte ich tun? Wir hatten nicht mal Äxte.“
Erschöpft, aber auch glücklich sieht der junge Mann auf dem Foto aus. Auf dem Kopf die graue Rotkreuz-Mütze, in seinen Armen ein kleines Kind. Wenn der damals 20-jährige Rotkreuzler Klaus-Peter Behrens und seine Kameraden nicht gewesen wären, hätte die Kleine die Sturmflut 1962 wohl nicht überlebt.
Klaus-Peter Behrens: 60 Jahre sind vergangen, aber die Erinnerungen bei dem inzwischen 80-Jährige sind so frisch, als wäre es gestern gewesen. Kein Wunder, denn die Flut bezeichnet er als das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen hat.
Behrens gehörte seinerzeit zur Rotkreuz-Bereitschaft Blankenese. An jenem 16. Februar 1962 ging er zunächst ganz normal seiner Arbeit nach. Klaus-Peter Behrens war damals Maurer bei der Firma Prien-Bau, arbeitete auf einer Baustelle an der Straße Op’n Kamp in Blankenese.
Die Rotkreuz-Tasche, die er 1962 dabei hatte, hält er noch in Ehren

Um 18 Uhr erhielt er die Anweisung, auf Abruf parat zu sein. Eine Flut drohe! Gegen 21.30 Uhr wurde er abgeholt und zur DRK-Kreisverbands-Zentrale nach Altona gebracht, wo an jeden Mann Knobelbecher ausgeteilt wurden – Stiefel, wie sie damals beim Militär üblich waren. „Das muss man sich mal vorstellen: Ich trug Perlonstrümpfe und darüber Knobelbecher!“
Um 0.30 Uhr schließlich kam der Einsatzbefehl: Behrens und zwölf andere junge Männer sprangen in ihren VW-Bus sowie in ein eilig herbeigerufenes Taxi und machten sich auf den Weg in Richtung Peute. Die Süderelbbrücke sei noch frei, so lautete die Ansage. „Als wir dann nachts über den Rathausmarkt fuhren“, erzählt Behrens, „stand der schon mindestens sieben, acht Zentimeter unter Wasser! So was hatte ich noch nie gesehen.“
In den darauffolgenden Stunden kam Klaus-Peter Behrens kaum noch zum Luftholen. „Wie eine Uhr ist man gelaufen und handelte ganz automatisch“, erzählt er. An die Gesichter vieler Menschen, die er von Dächern und aus Gebäuden rettete, konnte er sich schon nach Minuten nicht mehr erinnern – so viele waren es. Doch ein paar Szenen wird er wohl nie vergessen. Wie er beispielsweise eine nackte und völlig verfrorene Frau auf seinen Armen aus dem Peuter Bahnhof trug. Und dann ist da noch der Moment, als er hilflos in eine Senke hinabschaute, auf eine Gruppe überfluteter Behelfsheime. „Ich war sicher, dass da noch Menschen drin waren. Aber was sollte ich tun? Wir hatten nicht mal Äxte.“
Angst? Nein, Angst habe er nicht gehabt
Niedergeorgswerder. Der nächste Einsatzort in dieser Nacht. Oder war es schon Morgen? Er weiß es nicht mehr. Aber er weiß, dass es dort wenigstens Schlauchboote gab. Als dringend noch Männer gesucht wurden, um Menschen von den Dächern überfluteter Häuser zu holen, da meldete er sich freiwillig – was ihn um ein Haar das Leben kostete. Bei der dritten Rettungsfahrt lief das Boot auf Stacheldraht und sank, sodass sich Behrens und drei andere Helfer auf einen Baum retten mussten, der aus dem Wasser herausragte.
Angst? Nein, Angst habe er in diesem Moment nicht gehabt. Er habe sich völlig auf seine Kameraden verlassen. Und das zu Recht. Schon nach wenigen Minuten wurden die Retter gerettet. Kameraden des DRK kamen mit einem zweiten Schlauchboot und halfen Behrens und den anderen ins Trockene.

Am nächsten Tag erhielt Behrens den Auftrag, einem amerikanischen Hubschrauberpiloten den Weg nach Francop zu zeigen, wo noch ungezählte Flutopfer vermutet wurden. Behrens erinnert sich an zahllose Menschen, die mit ausgestreckten Armen und vor Glück weinend auf ihn zurannten. Der Hubschrauber musste mehrfach fliegen, um alle rauszuholen.
Dabei entstand irgendwann auch das Foto, das Behrens erschöpft, aber auch glücklich zeigt. Der junge Mann hält ein kleines Kind im Arm. Ein Mädchen, das ohne Behrens’ beherzten Einsatz und den seiner Kollegen nicht mehr am Leben wäre.
Wir wollen schon gehen und Klaus-Peter Behrens nicht weiter quälen mit unseren Fragen, da steht er plötzlich auf und verschwindet. Wir hören es rascheln. Dann kommt er wieder mit einer alten, ledernen Erste-Hilfe-Tasche – mit genau der Tasche, die er damals bei seinem Fluteinsatz trug und die auch auf dem Foto zu sehen ist. Sie riecht alt. So, wie Museumsstücke zu riechen pflegen. Immer noch ist sie gefüllt mit Verbänden und Pflaster und was DRK-Helfer damals sonst so alles bei sich hatten.