Strom in Hamburg: Darum hält das Netz die Heizlüfter nicht aus
Elektroautos, Wärmepumpen, Elektrolyse-Anlagen für grünen Wasserstoff und Co.: Hamburg braucht im Alltag immer mehr Strom. Doch was viele nicht wissen: Dafür ist unser Stromnetz noch gar nicht ausgelegt! Wird's vor lauter Heizlüftern bald dunkel?
Elektroautos, Wärmepumpen, Elektrolyse-Anlagen für grünen Wasserstoff und Co.: Hamburg braucht im Alltag immer mehr Strom. Doch was viele nicht wissen: Dafür ist unser Stromnetz noch gar nicht ausgelegt! Wird’s vor lauter Heizlüftern bald dunkel?
Thomas Volk ist besorgt. Denn wenn im Winter viele Hamburger ihre Heizgeräte anschmeißen, um Gas zu sparen, könnte es in einigen Straßenzügen wohl dunkel werden. Volk weiß das, denn er ist der Geschäftsführer der Stromnetz Hamburg GmbH.
Stromnetz Hamburg: Eine Frage der Balance
Einzeln steckt das Netz die Geräte mit etwa zwei Kilowatt Leistung zwar locker weg. Doch wenn alle Nachbarn in einer Straße ihren Heizlüfter gleichzeitig anwerfen, übersteigt das die Kapazität – und es kann zu lokalen Stromausfällen kommen. „Durch Überlastung lösen dann schlicht Sicherungen aus“, erklärt Volk. „Dafür sind sie auch da, aber das ist ein echtes Risiko, das wir nicht steuern können.“
Denn mit dem Stromnetz ist das so eine Sache. Zwar funktioniert es die meiste Zeit zuverlässig, doch dafür wird eine sensible Balance zwischen Einspeisung und Verbrauch gehalten. Denn das Netz kann keinen Strom speichern. Ist zu viel Strom im System, muss er abgeregelt werden. Gibt es zu wenig, muss sofort nachgespeist werden. „Viele vergleichen das Stromnetz auch mit dem Verkehr“, erklärt Volk. „Es gibt Leitungen wie Autobahnen, Haupt- und Nebenstraßen, über die der Strom in die Haushalte verteilt wird. Aber es darf keinen Stau geben.“
Energiewende: Das Stromnetz muss mitkommen
Doch nicht nur die kommenden Monate werden unser Stromnetz an seine Grenzen bringen. Wenn die Energiewende gelingen soll, brauchen wir noch viel mehr Strom, mit dem fossile Brennstoffe ersetzt werden. Dabei braucht Hamburg als Industriestrandort schon jetzt mit etwa elf Terawattstunden im Jahr nur geringfügig weniger Strom als das deutlich größere Berlin. Noch größer ist aber der Gasverbrauch mit etwa 20 Terawattstunden – und gerade die Industrie arbeitet emsig daran, ihre Produktion soweit möglich umzustellen. Weg vom klimaschädlichen Erdgas, hin zu grünem Strom und Wasserstoff. Damit kommt auf das Netz einiges zu.
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„Durch die geopolitische Lage hat das Thema einen richtigen Turbo bekommen“, sagt Volk. Jetzt berechnen die Netzplaner die bisherigen Annahmen fieberhaft neu. Sie schätzen: 2040 wird Hamburg etwa doppelt so viel Strom brauchen wie jetzt – und damit auch neue Rekordwerte bei den Spitzenlasten erreichen.
Noch schafft unser Stromnetz, das zu weiten Teilen aus den 50er und 60er Jahren stammt, das nicht. Erst müssen Umspannwerke ertüchtigt, Teile der rund 30.000 Kilometer Stromkabel saniert und neue Trassen gebaut werden. Das Ziel: 2035 soll es in Hamburg ein Netz geben, dass eine Klimaneutralität überhaupt erst ermöglichen kann.
Strom in Hamburg: Netz unter Zeitdruck
Doch der Ausbau in unserer dicht bebauten Stadt dauert. Langwierige Genehmigungsverfahren müssen durchlaufen, mit Grundstückseigentümern verhandelt oder Konflikte mit anderen Nutzungen, wie Straßenbäumen, geklärt werden. Erst dann wird gebaut – wenn denn das Material und die Fachkräfte da sind. So braucht es schon mal bis zu zehn Jahre, bis eine größere Trasse fertig wird.
Wird das jetzt nicht langsam knapp? „Doch, der Zeitdruck ist momentan unser Hauptthema“, sagt Volk. „Wir erkennen ja, was da auf uns zukommt, und versuchen alles, um das zu realisieren.“ Von der Politik gebe es Rückendeckung, doch im Alltag dauere es teils einfach zu lang. „Mit größeren Trassen ist es so, als würden wir eine Bundesstraße bauen. Nur, dass sie niemand sieht.“
Und teuer ist es. Allein in 2021 hat das städtische Unternehmen 460 Millionen Euro in Erhalt und Ausbau investiert.
Stromverbrauch: Smarte Lösungen können helfen
Zudem sollen intelligente Lösungen dabei helfen, Spitzenlasten besser zu verteilen. Wie bei den Elektrobussen des HVV: Sie werden nicht alle nach Dienstschluss vollaufgeladen, sondern versetzt und immer angepasst für ihre Strecke. Möglich machen das die Digitalisierung und ein eigens dafür entwickeltes IT-System.
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Solche Systeme, zum Beispiel mit intelligenten Schaltungen, können auch im Privatleben Alltag werden. Dann läuft etwa die Waschmaschine nachts oder Elektroautos werden nicht sofort, sondern innerhalb einer Zeitspanne geladen – vollautomatisch und eben dann, wenn Strom da und günstig ist. Die technischen Möglichkeiten seien da, sagt Volk, aktuell verlangsamten vor allem die gestörten Lieferketten. „Sobald das wieder funktioniert, wird das sehr schnell gehen“, glaubt er.
Noch gibt es solche Zeitschaltungen aber nicht. Ihre Heizstrahler sollten Hamburger in den kommenden Monaten deshalb wohl besser auslassen.