„Streitkräfte und Strategien“: Nach Corona-Erfolg landet NDR nächsten Podcast-Hit
Eigentlich will Journalist Andreas Flocken an einem Donnerstag im Februar seinen 14-tägigen Podcast produzieren. Seit rund 20 Jahren ist er für die Radio-Sendereihe „Streitkräfte und Strategien“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) verantwortlich, der Podcast über Sicherheits- und Militärpolitik gehört seit jüngerer Zeit dazu. Die Reihe existiert schon seit 1968 und galt früher als Nischensendung. Doch es kommt anders an dem Tag.
Es ist der erste Kriegstag – Russland hat die Ukraine angegriffen. „Ich war an dem Tag dann sehr damit beschäftigt, die Ausgabe mit den Informationen zu dem morgendlichen Angriff Russlands auf die Ukraine anzupassen“, sagt Flocken. Kurz vor der Produktion sei der Distributions-Teamleiter reingekommen und habe gefragt: „Wollen wir die Podcastfolge nicht bereits heute als Sonderausgabe senden – nur das Thema, 30 Minuten lang?“
„Streitkräfte und Strategien“: Ein Podcast über den Krieg
Dann gab es eine Sonderausgabe im NDR-Info-Radioprogramm mit Flockens Kollegen Carsten Schmiester, der als NDR-Hörfunkkorrespondent schon in London, Washington und Stockholm arbeitete. Seitdem entstand – bis auf eine Ausnahme – täglich eine Podcast-Folge („‚Streitkräfte und Strategien‘ #Ukraine“), die auch im Radio (NDR Info und ARD Infonacht) zu hören ist. Es geht zum Beispiel um Raketenabwehr oder EU-Militärhilfe.
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Im Podcast-Ranking von Apple für den deutschen Markt lag das Format am Donnerstag auf Platz 1, bei Spotify auf Platz 7. Nach Angaben des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders wurde der Podcast im ersten Monat über alle Plattformen hinweg rund 2,6 Millionen Mal abgerufen. Die Radiohörer sind da nicht mitgezählt. Zum Vergleich: Der bisherige zweiwöchige Podcast hatte vor dem Krieg an die 30.000 Abrufe pro Monat.
NDR-Erfolge: Erst Corona-, jetzt Krieg-Podcast
Das erinnert an den Riesenerfolg des täglichen NDR-Podcasts mit dem Virologen Christian Drosten („Das Coronavirus-Update“) – rund 135 Millionen Abrufe sind es nach mehr als zwei Jahren. Drosten war am Dienstag zum vorerst letzten Mal darin zu hören. Die „Süddeutsche Zeitung“ beschrieb vor kurzem das Gefühl einer Zeitschleife – mit „Streitkräfte und Strategien“ höre man wieder in einem März einen täglichen NDR-Podcast, während im Kopf totale Verunsicherung herrsche. Nur das Thema ist ein anderes. Es sei, als habe Drosten den Stab an Flocken weitergegeben.
Von dem Erfolg ist Flocken selbst überrascht. Der 65-Jährige sagt: „Ich kann es mir nur damit erklären, dass es jetzt ein großes Bedürfnis an haltbaren Informationen zum Ukraine-Krieg gibt. Das ist ein Krieg vor unserer Haustür.“ Vor der Haustür habe man seinerzeit auch den Kosovo-Krieg gehabt. „Aber es ist etwas anderes, wenn man mit Russland zu tun hat. Weil man weiß: Das ist eine große Macht.“
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NDR-Intendant Joachim Knuth sagt: Ein tägliches Podcast-Update zum Krieg aufzulegen, sei eine spontane und schnelle Reaktion auf die sich überschlagenden Ereignisse gewesen. „Die Expertise hatten wir bereits in der Redaktion. 2,6 Millionen Abrufe in so kurzer Zeit über alle Plattformen hinweg bestätigen, dass wir – wie schon beim ‚Coronavirus-Update‘ – genau zum richtigen Zeitpunkt ein Angebot im NDR-Portfolio haben, das dem großen Bedürfnis nach fundierter Information und Orientierung in unsicheren Zeiten nachkommt.“
„Dieser Podcast und die Sendereihe sind früher eher eine Nischen-Sendung gewesen“, erläutert Flocken. Zur auffallend langen Geschichte der Reihe meint er: „Angesichts des Titels mag es überraschen, dass die Reihe so lange Bestand hat. Es hört sich auch sehr martialisch an: ‚Streitkräfte und Strategien‘.“ Jeder, der die Sendereihe nicht kenne, würde sagen: „Das ist der verlängerte Arm der Bundeswehr und da werden nur Panzer gezählt.“ Aber das sei es gerade nicht, man berichte kritisch über Entwicklungen der Militär- und Sicherheitspolitik.
Zur Zukunft des täglichen Podcasts sagt er: „Wir erwägen, weil sich das so auf Dauer nicht durchhalten lässt, dass wir den Podcast von Montag bis Freitag anbieten.“ Samstag und Sonntag dann nicht mehr. Bei entsprechender Lage werde man aber natürlich auch dann Sonderausgaben anbieten. (dpa/se)
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