Streit um Migration: Wer jetzt woher nach Hamburg kommt
Hotels, Pensionen und jetzt sogar wieder die Messehallen – Hamburg versucht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln die Geflüchteten, die in die Stadt kommen, unterzubringen. Im Bund heizt sich währenddessen die Debatte um eine Begrenzung der Migration weiter auf. Aber woher und wovor flüchten die Menschen? Und wie viele Kapazitäten hat Hamburg noch? Die MOPO erklärt die Zahlen.
Hotels, Pensionen und jetzt sogar wieder die Messehallen – Hamburg versucht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, die Geflüchteten, die in die Stadt kommen, unterzubringen. Im Bund heizt sich währenddessen die Migrationsdebatte weiter auf, es geht dabei auch um eine Begrenzung der Leistungen für Asylbewerber. Aber woher und wovor flüchten die Menschen? Und wie viele Kapazitäten hat Hamburg noch? Die MOPO erklärt die Zahlen.
Wie viele Menschen kommen derzeit nach Hamburg?
Die Zahlen der Geflüchteten, die in Hamburg pro Monat registriert werden, steigen seit dem Frühjahr. Mehr als 2100 Geflüchtete sind laut dem Amt für Migration im September insgesamt in Hamburg registriert worden. Der Großteil von ihnen wird in Hamburg bleiben, mehr als 1500 Menschen brauchen einen Platz in einer öffentlichen Unterkunft. Zum Vergleich: Im August kamen fast 2000 Geflüchtete in die Hansestadt, im Juli etwas mehr als 1700.
Woher und warum kommen die Menschen nach Hamburg?
Die Zahl der Schutzsuchenden aus der Ukraine ist im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich gesunken. Kamen im September 2022 noch mehr als 2300 Ukrainer nach Hamburg, sind es dieses Jahr 735. Die meisten Asylsuchenden kommen aus anderen Nationen wie Afghanistan, Syrien, der Türkei und dem Iran. Von denen, die auch in Hamburg bleiben, kommen rund 29 Prozent aus Afghanistan, 16 Prozent aus Syrien, zehn Prozent aus der Türkei und neun Prozent aus dem Iran.

Bei allen aktuellen Diskussionen über die Begrenzung von Migration muss man auch Folgendes betrachten: In Syrien und Afghanistan herrschen jeweils grausame Regime, die Bevölkerung leidet unter Hunger und extremer Armut, daher ist die Quote der angenommenen Asylanträge recht hoch, wenn diese Menschen hier Schutz suchen.
Aus der Türkei hat die Zahl an Geflüchteten ebenfalls zugenommen, was stark mit der schwierigen Wirtschaftslage und dem erneuten Wahlsieg von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Frühjahr zusammenhängt. Das allein sind allerdings keine zwingenden Asylgründe, weshalb der Anteil an abgelehnten Anträgen sehr hoch ist. Laut „Zeit Online“ beträgt der Anteil abgelehnter Anträge rund 85 Prozent.
Wie viel Platz hat Hamburg noch?
Obwohl Hamburg ständig neue Kapazitäten schafft, sind die öffentlichen Unterbringungen zu mehr als 97 Prozent ausgelastet. In konkreten Zahlen heißt das: Von 45.912 Plätzen (ohne das Ankunftszentrum) sind 44.738 belegt. Und das, obwohl Hamburg tausende zusätzliche Plätze zur Verfügung gestellt hat.
Mit etwa 2000 zusätzlichen Personen mit Unterbringungsbedarf rechnet der Senat noch bis Jahresende. „Darauf sind wir auch eingestellt“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) Anfang Oktober dieses Jahres. Aber es könne nicht immer so weitergehen. Vor Kurzem wurde der Notstandort in den Messehallen wiedereröffnet und die Stadt prüft stetig, wo und wie weitere Flächen und Hotels genutzt werden können.
„Die Aufnahmezahlen sind zu hoch, sie müssen runter“, sagte Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD). Ihrer Auffassung nach sei Deutschland in einer „nationalen Notlage“, wenn eine so erfolgreiche Metropole wie Hamburg feststellen muss, dass mit jeder weiteren Unterkunft Kapazitäten nur nach hinten verschoben werden.
Wie stemmt die Stadt das finanziell?
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel hat vom Bund mehr Geld für die Aufnahme von Flüchtlingen verlangt. Der Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft habe diese Woche weitere knapp 213 Millionen Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen bereitgestellt – nachdem zuvor bereits knapp 120 Millionen Euro zusätzlich aufgebracht worden seien. „Die Verstärkung haben wir nur über äußerste Anstrengung noch mal bereitstellen können“, sagte Dressel. Es habe dafür nicht an anderer Stelle gekürzt werden müssen. Aber „für die nächsten Jahre wird es ohne zusätzliche Bundesmittel nicht gehen“, betonte Dressel.
Wie viele Menschen müssen zurück?
Mehr als 10.300 Ausreisepflichtige befanden sich Ende August in Hamburg – davon rund 7680 mit einer Duldung und rund 2690 ohne. Die Zahl der Rückführungen hat in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Im September 2023 wurden 173 Menschen zurückgeführt, davon 104 durch eine freiwillige überwachte Ausreise und 69 durch eine Abschiebung ins Herkunftsland oder einen Drittstaat. In 31 Fällen konnte die Rückführung im September nicht vollzogen werden. Zu den Hauptgründen zählt, dass die Personen nicht angetroffen wurden oder die Familie nicht vollständig war. 87 Geflüchtete reisten freiwillig aus.
Worüber wird aktuell im Bund diskutiert?
Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit dem Vorstoß einer Kürzung von Sozialleistungen für Asylbewerber eine Debatte ausgelöst. Deutschlands Sozialstaat biete im Vergleich zu anderen Ländern sehr hohe Leistungen, die wie ein Magnet wirkten, sagte Lindner zuletzt in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Das muss abgeschaltet werden“, so Lindner. Er warb dafür, finanzielle Leistungen für Asylbewerber über Bezahlkarten abzuwickeln, um Migrationsanreize zu senken.
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Der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch warnte in der „Welt“ vor einem „Wettlauf rhetorischer Eskalation aus verschiedenen Richtungen“, der nicht weiterhelfe. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, sagte im „Bericht aus Berlin“, die Länder stünden Lindners Vorschlag positiv gegenüber. Sinn mache dies aber nur flächendeckend. Hamburgs Finanzsenator Dressel äußerte sich zu einer Einführung von Bezahlkarten und einer Begrenzung von Leistungen ebenfalls positiv, wo dies „rechtlich möglich und praktisch sinnvoll“ sei.
Am 6. November wollen Bund und Länder bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über weitere Maßnahmen zur Migrationspolitik sprechen. Scholz hatte zuletzt in einem „Spiegel“-Interview ein härteres Vorgehen gegen abgelehnte Asylbewerber und die Begrenzung der irregulären Migration in Deutschland angekündigt.