Jetzt gibt‘s Streit um Hamburgs neue Verkehrsoffensive
„Es ist absurd, zu denken, in Hamburg könne man überall mit dem Auto hinkommen.“ Mit deutlichen Worten stellte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) Hamburgs neues Bündnis für den Rad- und Fußverkehr vor. Das große Ziel: Radfahrer und Fußgänger sollen gleichermaßen mehr Aufmerksamkeit im Straßenverkehr bekommen. Die Politik spricht vom „richtigen Weg zur Mobilitätswende“ – doch die Kritik von Verbänden ist groß.
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„Es ist absurd, zu denken, in Hamburg könne man überall mit dem Auto hinkommen.“ Mit diesen klaren Worten stellte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) das neue Bündnis für den Rad- und Fußverkehr vor. Umgeschrieben aus dem vorherigen Hamburger Bündnis für Radverkehr, sollen so auch die vernachlässigten Fußgänger endlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Politik spricht vom „richtigen Weg zur Mobilitätswende“, die Kritik von Verbänden ist indes groß.
Fast eineinhalb Jahre sei an diesem Papier gearbeitet worden, erzählte Kirsten Pfaue, Koordinatorin der Mobilitätswende aus der Verkehrsbehörde am Dienstag. Der Grundgedanke: „Alle Verkehrsteilnehmer fühlen sich sicherer, wenn der Straßenraum klar getrennt wird.“
Neues Bündnis für Rad- und Fußverkehr in Hamburg
Erreicht werden soll das unter anderem mithilfe von Protected Bikelanes. Diese sind zwar auf der Straße – und damit runter vom Bürgersteig –, aber aufgrund der physischen Barrieren getrennt von den Autos. Die erste ihrer Art wurde in der Hannoverschen Straße in Harburg aufgebaut, danach folgten Dammtordamm und Esplanade in der Neustadt. Weitere sind in Planung, konkreter wird es aber nicht.
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Dieser Eindruck zieht sich wie ein roter Faden durch das Papier: Die Velo- und Bezirksrouten sollen weiter aufgebaut werden – aber wann? Der Hamburger ADFC fordert hier einen konkreten Zeitplan, genauso wie für die Magistralen. Das sind Hauptverkehrslinien, die sich durch die ganze Stadt ziehen. Die Baubehörde stimmt laut Bündnispapier derzeit noch „Prinzipien“ dafür ab. So sollen bessere Rad- und Fußwege ins Zentrum und zu den ÖPNV-Haltestellen geschaffen werden.
Neues Verkehrsbündnis: Kritik von ADFC und Fuß e.V.
An den Haltestellen angekommen steht das Verhältnis zwischen Bus, Rad und Fußgängern im Fokus. „Es werden immer mehr Busse in Hamburg unterwegs sein und wir wollen sicherstellen, dass alle sicher ans Ziel kommen“, so Pfaue. Zusätzlich soll eine „geschützte Kreuzung“ nach niederländischem Vorbild getestet werden. Als Ort wird dafür die Kreuzung Billstedter Hauptstraße/Ecke Schiffbeker Weg geprüft. Im Prinzip geht es hier darum, den Rad- vom Autoverkehr zu trennen, um etwa Unfälle beim Abbiegen zu verhindern.
Ein klares Bekenntnis, Radfahrer und Fußgänger gegenüber den Autos zu bevorzugen, vermisst der ADFC allerdings. Seine Forderung: mehr Autospuren in Radwege umwandeln! „Darauf zu warten, bis die Nachfrage durch den Autoverkehr von selbst zurückgeht, ist das Gegenteil einer mutigen Mobilitätswende“, so Sprecher Dirk Lau. Lob hat er immerhin für die zukünftig festgelegte Mindestradwegbreite von 2,25 bis 2,50 Meter übrig.
Mobilität: Hamburgs Fußgänger immer noch vernachlässigt
Während der Radverkehr verhältnismäßig viel Platz im Bündnis einnimmt, sieht es für den Fußverkehr noch relativ dünn aus. „Wir entwickeln eine stadtweite Fußgängerstrategie“, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne). „Die Bezirke können vorher schon eigene Konzepte schreiben.“ Diese könnten zum Beispiel temporäre Fußgängerzonen beinhalten. Trotzdem fühlt sich der Hamburger Verein „Fuß e.V.“ benachteiligt.
„Mit den Ergebnissen unserer Beteiligung sind wir unzufrieden“, schreibt der Verein. „Leider wurden wir erst sehr spät informiert und einbezogen. Wir hatten kritisiert, dass der Bereich Radverkehr sehr umfangreich und detailliert behandelt wird, während für den Fußverkehr nur sehr allgemeine Ausführungen zu finden sind.“ Immerhin zwei Forderungen seien übernommen worden: Fahrradabstellmöglichkeiten sollen in Zukunft so platziert werden, dass Radfahrer nicht über Gehwege fahren müssen und auch das Gehwegparken soll überprüft werden.
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Tjarks bittet dafür um Verständnis. „Das neue Bündnis ist eben aus einem Radverkehrsbündnis entstanden“, sagt er. „Das wollen wir jetzt ändern, dafür braucht es aber auch ein wenig Zeit.“ Es würde bereits an neuen Ideen gearbeitet. Er selbst sei zum Beispiel Fan von Zebrastreifen über Radwegen. Auf der Veloroute 8, die an der U-Bahn-Haltestelle Burgstraße in Borgfelde vorbeiführt, könne er sich gut einen derartigen Übergang zum Schutz der Fußgänger vorstellen.