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  • Das Euler-Hermes-Gebäude in Bahrenfeld wird abgerissen.
  • Foto: Florian Quandt

Streit um Abriss: Ist es richtig, dass dieses Hamburger Hochhaus verschwindet?

Kommentar –

In der Frage, ob es richtig ist, dass das bombastische Euler-Hermes-Hochhaus bald verschwindet, ist Hamburg gespalten. Die einen freuen sich, dass der Koloss bald weg ist. Andere bedauern das. Lesen Sie das Pro und Contra unserer Kollegen Mike Schlink und Julian König.

Pro: Veränderungen halten unsere Stadt lebendig

Mike Schlink

MOPO-Redakteur Mike Schlink

Foto:

Schimkus

Stillstand kann sich keine Stadt erlauben – erst recht nicht eine florierende Metropole wie Hamburg. Die braucht Veränderungen, den ständigen Wandel. Das hält sie lebendig, macht sie fit für die Zukunft. Und weil das so ist, sollte niemand dem ollen Koloss an der Friedensallee nachweinen.

Das gigantische Bauwerk hat über Jahrzehnte das Bild des Stadtteils geprägt, keine Frage. Und klar, es fällt schwer, sich das Quartier ohne den 86 Meter hohen „Weißen Riesen“ vorzustellen. Zumal er manchem Hamburger seit 1981 sicher ein willkommener Orientierungspunkt war. Dass es zuletzt jedoch immer wieder Kritik am geplanten Abriss des Büro-Gebäudes gab, ist vollkommen unangebracht.

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Obwohl die bananenförmige Form samt der beiden versetzt stehenden Scheiben architektonisch sicher eindrucksvoll ist, steht der Bau nicht unter Denkmalschutz – allein deswegen besteht schon keine Pflicht, ihn zu erhalten. Und in Zeiten, in denen möglichst jedes Gramm CO2 eingespart werden sollte, tut die desolate Energiebilanz des Hermes-Hochhauses ihr übriges. Und ja, auch Abriss und Neubau setzen Schadstoffe frei – sind auf lange Sicht aber eben umweltfreundlicher.

Apropos Neubau: Oft gibt’s ja Kritik, weil etwas Neues, Fremdes entsteht. Das war sicher auch vor 40 Jahren der Fall, als die Pläne für das Monument publik wurden. Der Mensch, er ist eben ein Gewohnheitstier und fremdelt oft mit gravierenden Veränderungen. Gibt man ihm jedoch Zeit, gewöhnt er sich an den Wandel. In den vergangenen Jahren jedenfalls gab’s keine vernehmbaren Beschwerden mehr wegen des Hochhauses.

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Und die dürften nach dem Abriss auch verfliegen – schließlich liegt die Fläche nicht einfach brach. Es entstehen vielmehr Wohnungen, sogar mehrere Hundert. Und Hamburg kann bekanntlich jede einzelne davon gebrauchen, schließlich wächst die Stadt Jahr für Jahr. Und mit jedem zusätzlichen Einwohner steigt auch der Wohnungsdruck. Und weil das so ist, hätten die Quartiers-Planer in Ottensen sogar besonders mutig sein können.

Wie? Indem sie an Stelle des Hermes-Hochhauses einen ebenso hohen Wohnturm geplant hätten. Auf 23 Stockwerken hätte man Eigentumswohnungen, freifinanzierten und geförderten Wohnraum realisieren können – zusätzlich zu vielen der fünfgeschossigen Gebäude, die realisiert werden. Das hätte sicher Kritik gegeben. Es wäre aber ein mutiger Schritt für die Stadtentwicklung gewesen.

Contra: Hamburg vernichtet sein bauliches Erbe

Julian König

MOPO-Reporter Julian König.

Foto:

MOPO

Städte verändern sich, sind im Wandel. Viertel, Bewohner, Architektur. Damit bin ich durchaus fein, denn es bedeutet auch, dass Neues entsteht, Ideen, Wohnformen, Leben. Nimmt man das Hamburger Stadtbild, dann hieß Veränderung zuletzt oft: Altes muss weg, neue Klötze kommen hin. Im Eiltempo wird das Stadtbild verändert. Als ob es ein Naturgesetz wäre, Funktionalität beim Thema Nachverdichtung über Geschichte zu stellen. Womit wir beim Hermes-Haus wären.

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Dieses Hochhaus unweit des Bahrenfelder Bahnhofs, seit Jahrzehnten prägend für die Gegend, ein Gewerbeturm, 23 Stockwerke hoch – jeder im Bezirk Altona kennt den „weißen Riesen“ an der Friedensallee. Der Abriss ist längst beschlossen, die Entkernung läuft. Dieser Prozess macht mich traurig. Nicht nur, weil ich in der Nähe aufgewachsen bin und dieses Hochhaus schon immer beeindruckend fand, mit seiner Ästhetik und der Anmut, sondern weil Hamburg mit einer Rigorosität seine jüngere Bausubstanz abschafft.

Je weniger Jahre ein Gebäude auf dem Buckel hat, desto geringer sind die Chancen zu überleben. Als ob nur Altbauten schützenswert wären.

Zu teuer, heißt es, sei eine Sanierung des Euler-Hermes-Gebäudes, ein Umbau zu Wohneinheiten schwierig. Asbestverbauung wurde ebenso als Argument für den Abriss hinzugezogen. Sicherheit geht vor, klar, aber die Asbestanteile müssen auch bei der jetzigen Entkernung gesondert entfernt werden. Der Posten bleibt also erhalten. Stadtplaner sprechen von „grauer Energie“ wenn es um die Bewertung bei der Frage eines Abrisses geht. Kann oder sollte Substanz erhalten werden?

Hinzu kommt: Das Hermes-Gebäude ist Teil der Stadt-Identität, ist Ausdruck einer baulichen Epoche. Wenn wir – wie schon das Allianz-Hochhaus oder die Cityhof-Hochhäuser – Nachkriegsgebäude einfach nur abreißen, anstatt uns intensiver mit ihrem geschichtlichen Wert, in vielen Fällen auch dem großen materiellen Restwert auseinanderzusetzen, vernichten wir mit dem baulichen Erbe auch wertvolle Ressourcen.

Mir ist klar, dass Wohnraum dringend benötigt wird, wir den Platz der Stadt optimal nutzen müssen, doch dabei sollten wir nicht nur mit der Abrissbirne denken, sondern einen Weg finden, der alte Substanz mit neuen Bedürfnissen abgleicht und kombiniert.

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