Streik bei Hagenbeck: Alles, was Sie über den Riesen-Tarifstreit wissen müssen
Tumult vor Hagenbecks Tierpark am Montagvormittag: Laute Musik spielt, überlagert von schrillen Tönen von Tierpflegern mit Trillerpfeifen. Sie halten ein großes Banner: „Hagenbeck tariffrei? Das ist jetzt vorbei!“ steht da. Der Streit mit der Zoo-Leitung hat die nächste Eskalationsstufe erreicht: Streik! Worum es den Beschäftigten geht und was das für Tiere und Besucher bedeutet.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Tumult vor Hagenbecks Tierpark am Montagvormittag: Laute Musik spielt, überlagert von schrillen Tönen von Tierpflegern mit Trillerpfeifen. Sie halten ein großes Banner: „Hagenbeck tariffrei? Das ist jetzt vorbei!“ steht da. Der Streit mit der Zoo-Leitung hat die nächste Eskalationsstufe erreicht: Streik! Worum es den Beschäftigten geht und was das für Tiere und Besucher bedeutet.
Warum wird gestreikt?
Tierpfleger und andere Beschäftigte fordern einen Rahmentarifvertrag, der Arbeitsbedingungen einheitlich regelt – und wollen durch den Streik genug Druck ausüben, um die Zoo-Leitung überhaupt an den Verhandlungstisch zu bringen. Hagenbeck ist der einzige private Großzoo in Deutschland und unterliegt daher keinem Tarifvertrag. So werden Beschäftigte aber sehr ungleich behandelt, kritisiert Gewerkschafter Pascal Lechner von der IG BAU – etwa, was Bezahlung oder Urlaub angeht. „Es ist nicht nachvollziehbar, wie hier mit Leuten umgegangen wird, wie ungleich sie behandelt werden und was für eine Tonart hier manchmal herrscht”, sagt auch Tierpfleger Thomas Günther (51) der MOPO.
Was ist bisher passiert?
Der erbitterte Streit tobt schon seit rund eineinhalb Jahren, der Ton verschärft sich zunehmend. Ende April 2022 hatte die Gewerkschaft IG BAU der Zoo-Leitung einen Tarifvertrag übergeben, doch die Zoo-Leitung will nicht mit der Gewerkschaft verhandeln. Immerhin eine Gehaltserhöhung konnten die Mitarbeiter durchsetzen. Arbeitsbedingungen wie Urlaubstage, Wochenarbeitszeit, Kündigungsfristen oder Sonderzahlungen sind aber nicht einheitlich geregelt. Im Kampf für den Tarifvertrag gab es schon mehrere Warnstreiks. Zoo-Chef Dirk Albrecht drohte der Gewerkschaft mit rechtlichen Schritten und bot eine Prämie für „Streikbrecher”, um den Streik zu verhindern.
Warum verhandelt die Zoo-Leitung nicht?
Albrecht hatte erklärt, nur mit dem Betriebsrat über eine neue Betriebsvereinbarung verhandeln zu wollen – doch die sind in Deutschland nicht für Tarifverträge zuständig. Die Gewerkschaft habe immer wieder vergeblich um Verhandlungen gebeten, sagt Gewerkschafter Pascal Lechner der MOPO. Seine Vermutung: Gesellschafter und Geschäftsleitung wollen nicht, dass Interessen der Belegschaft kollektiv vertreten werden. „Es ist einfacher, Menschen unter Druck zu setzten, die allein sind”, sagt er. Die Zoo-Leitung wollte sich der MOPO gegenüber nicht äußern und „die Situation weiter beobachten“.
Das könnte Sie auch interessieren: Riesenkrach bei Hagenbeck: „Hier herrscht ein Klima der Angst“
Was passiert jetzt mit den Tieren?
Für die gibt es eine Notbetreuung. „Das sind unsere Tiere, die lassen wir nicht zu kurz kommen“, sagt Tierpfleger Günther. Zoo-Chef Albrecht hatte ihnen vorgeworfen, durch den Streik den Tod der Tiere zu riskieren. Elefantenpfleger Christian Wenzel (39) findet das deprimierend – man streike schließlich auch, um das Tierwohl langfristig zu sichern, indem man durch bessere Arbeitsbedingungen trotz Fachkräftemangel gutes Personal gewinnen könne.
Welche Folgen hat der Streik?
Zoo und Tropen-Aquarium bleiben offen. Am Montagvormittag kamen Hamburger trotz allem zum Tierpark. Es bildeten sich auch Schlangen. Die Kassen sollen schon um 16 Uhr schließen, einige Schaufütterungen möglicherweise ausfallen und auch der Bollerwagenverleih und Kinder-Spielplatz werden geschlossen bleiben.
Das könnte Sie auch interessieren: Zoff im Zoo: Hagenbeck-Mitarbeiter fordern Rauswurf ihres Chefs
Was sagen die Besucher?
Susanna Bottlinger (65) hat vollstes Verständnis für die Streikenden und findet ihr Anliegen berechtigt. Einschränkungen würde sie in Kauf nehmen: „Man kann auch ein paar Tage auf den Zoobesuch verzichten“, sagt die Hamburgerin. Auch Familie Augustin, die gerade aus dem Saarland zu Besuch ist, hat Verständnis. „Irgendwie muss man ja Druck machen“, sagt Sabine Augustin (54). Das sei in Ordnung – „solange die Tiere dabei nicht auf der Strecke bleiben.“
Was sagt die Politik?
Von Rot-Grün gab es schon vor dem Streik Zuspruch für die Belegschaft (MOPO berichtete). Ginge es nach den Linken, könnte die Politik aber mehr tun: So sollte der Senat nur Unternehmen finanziell unterstützen, die einen Tarifvertrag haben, fordert Heike Faust. Dies solle auch für Unternehmen gelten, die nur projektbezogen unterstützt würden. Die CDU sieht in dem Konflikt dagegen eine rein arbeitsrechtliche und keine politische Frage und hält sich raus.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Streik ist unbefristet. In den kommenden Tagen sind kleine Mahnwachen vor Hagenbecks Toren geplant. „Mal gucken, wie lange wir hier stehen müssen, bis die Geschäftsleitung einlenkt“, sagt Tierpfleger Günther. Jetzt heißt es also abwarten, und gucken, wer den längeren Atem hat.