Strafanzeige gegen Hamburger Pastor: Rassismus-Skandal in der Nordkirche
Die evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland hat Strafanzeige gegen einen ihrer eigenen Pastoren erstattet. Bis zur Klärung aller Vorwürfe werde der Pastor seine Amtsgeschäfte ruhen lassen, heißt es. Dieter Schulz, Pressesprecher der Nordkirche, bestätigte gegenüber der MOPO, dass gegen den betreffenden Seelsorger Rassismus-Vorwürfe erhoben werden.
Die evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland erstattet Strafanzeige gegen einen ihrer eigenen Pastoren. Bis zur Klärung aller Vorwürfe werde der Pastor seine Amtsgeschäfte in ruhen lassen, heißt es. Dieter Schulz, Pressesprecher der Nordkirche, bestätigte gegenüber der MOPO, dass gegen den betreffenden Seelsorger Rassismus-Vorwürfe erhoben werden.
Schauplatz ist die Maria-Magdalena-Gemeinde in Osdorf – einer Gegend, die aufgrund der Bevölkerungsstruktur in besonderer Weise angewiesen ist auf ein friedliches und freundliches Miteinander der Kulturen und Ethnien. Ausgerechnet hier soll sich ein Pastor abfällig über Migranten und Minderheiten geäußert haben.

Worum genau geht es? Angefangen hat alles mit einem Konflikt zwischen dem fraglichen Pastor und dem „Sinti-Verein zur Förderung von Kindern und Jugendlichen“. Dieser Verein hat Räume im Gemeindezentrum angemietet und nutzt auch die Kirche selbst mit. Und genau dabei ist es dann zu ersten Unstimmigkeiten gekommen. Nach MOPO-Informationen hat der fragliche Pastor die Sinti mehrfach ermahnt, die Kirche doch möglichst so zu hinterlassen, wie sie sie vorgefunden haben: Altar, Taufbecken, Pult und Kerzentisch dürften auf keinen Fall verschoben und die Anordnung der Stühle nicht verändert werden.
Sinti beschimpft als „Zigeunerpack“ und „Steinzeitkultur“
Dieser Streit ist mit der Zeit ziemlich eskaliert. Gegenüber Christian Rosenberg, dem Vorsitzenden des Sinti-Vereins, soll der Pastor die Sinti als „Steinzeitkultur“ tituliert haben. Auch der Begriff „mittelalterliches Dorf“ soll gefallen sein. Außerdem habe der Pastor die Sinti in einer Gemeinderatssitzung als „Zigeunerpack“ beschimpft.
Rosenberg ist empört, will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und schreibt etliche Beschwerdebriefe: an den Probst des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein, an die Bischöfin Kirsten Fehrs, an das Landeskirchenamt in Kiel und an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover. Insgesamt sind rund 57 Din-A-4-Seiten Korrespondenz zusammengekommen, die der MOPO komplett vorliegen. Seit Ende 2022 zieht sich die Angelegenheit schon hin.

Der Kirchenkreis versucht zunächst die Wogen zu glätten, lädt zu einem klärenden Gespräch ein, das dann aber nicht so verläuft wie erhofft: Der Pastor lehnt es dabei angeblich ab, sich zu entschuldigen. Daraufhin fordert der Sinti-Verein die Nordkirche ultimativ auf, den Mann in eine andere Gemeinde zu versetzen. Andernfalls, so droht Sinti-Vereins-Vorsitzender Christian Rosenberg, werde er sich an die Öffentlichkeit wenden.
Der angegriffene Pastor wehrt sich: „Infame Unterstellung“
Die MOPO erfährt von dem Fall und gibt dem beschuldigten Pastor Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Was ist dran an den Vorwürfen? In einer Mail weist der Pastor alle Anschuldigen zurück. Er schreibt: „Derzeit gibt es – das kommt bei der Vielzahl der Interessen und Bedürfnisse in unserem Stadtteil vor – Unstimmigkeiten mit einem Mieter unserer Räume, der auch über die angemieteten Räume hinaus immer wieder einmal weiteren Raumbedarf anmeldet. Die aktuelle Auseinandersetzung wird von Seiten des Mieters emotional und persönlich geführt. Leider wird nicht davor zurückgeschreckt, mir persönlich rassistische Äußerungen zu unterstellen. Diese Unterstellungen sind insofern besonders infam, da schon die bloße Behauptung reichen kann, die persönliche Integrität schwer zu beschädigen.“
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Was der Pastor allerdings unerwähnt lässt, ist die Tatsache, dass es nicht allein der Sinti-Verein ist, der sich über ihn beschwert. Nach MOPO-Informationen werfen ihm auch Mitglieder seiner eigenen Gemeinde rassistische Äußerungen vor. Ein anderer Pastor der Gemeinde und ein Gemeinderatsmitglied haben in einem Brief an die Landeskirche aufgelistet, zu welch zum Teil bizarren Äußerungen sich der Pastor in einer internen Sitzung angeblich hat hinreißen lassen:
- Im Zusammenhang mit einem Streit über Sanierungsmaßnahmen in der Gemeinde soll der Pastor die Frage aufgeworfen haben: „Wollt Ihr den totalen Bau?“, was an die berühmt-berüchtigte Frage von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels erinnert: „Wollt Ihr den totalen Krieg?“
- Im Zusammenhang mit einer Geldsammlung für Kinder soll der Pastor gesagt haben, es werde „Zeit, dass wir für arische Kinder sammeln“.
- Und im Hinblick auf eine afrikanische Gemeinde, die das Gotteshaus ebenfalls nutzt, soll er gesagt haben: „Was wollen diese Affen eigentlich? Die sollen nach Afrika und Bananen fressen.“
Die MOPO bittet den Pastor abermals um Stellungnahme: Was sagt er diesmal? Antwort: „Sie verstehen hoffentlich, dass ich mich dazu nicht äußern werde. Was Sie beschreiben, ist Teil der Auseinandersetzung. Die Prüfung der zuständigen Stellen wird ergeben, dass auch diese vorgeblichen Äußerungen in der Sache, inhaltlich und im Zusammenhang unwahr sind. Ich werde mich hier nicht öffentlich über einen Kollegen und weitere Gemeindemitglieder äußern.“
Dann schließt er seine Mail mit den Worten, dass er jetzt keine Zeit mehr habe. „Ich bin nun bei unserer gemeindlichen Lebensmittelausgabe, wo eine interessant gemischte Crew das Lebensnotwendige an viele Menschen aus aller Herren Länder verteilt.“
Was unternimmt nun die Nordkirche? Zunächst einmal bestätigt Pressesprecher Dieter Schulz, dass es Rassismus-Vorwürfe gegen den fraglichen Pastor gibt. „Die von Ihnen genannten Äußerungen widersprechen in eklatanter Weise den Werten der Nordkirche und werden von dieser in keinerlei Weise toleriert“, so Schulz. „Sie sind absolut inakzeptabel. Die Nordkirche erstattet Strafanzeige bei den staatlichen Strafverfolgungsbehörden.“

Bis zur Klärung der Vorwürfe nimmt der Pastor seine Amtsgeschäfte nicht wahr
Die Vorwürfe des Sinti-Vereins, die Kirche habe die Angelegenheit verschleppt, weist Schulz zurück. Ein geordnetes dienstrechtliches Verfahren sei sofort nach Eingang der Hinweise in Gang gesetzt worden. „Die Nordkirche nimmt Vorwürfe für dienstliches Fehlverhalten generell und insbesondere im von Ihnen genannten Kontext sehr ernst und geht diesen umgehend sowie umfänglich nach“, so Schulz. „Der Pastor nimmt bis zur Klärung der Vorwürfe seine Amtsgeschäfte nicht wahr.“
Inzwischen hat sich der beschuldigte Seelsorger krank gemeldet. In der Gemeinde sind viele erschüttert von den Vorwürfen. Ein Gemeindemitglied sagt gegenüber der MOPO, dass es mit dem Pastor viele Jahre eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben habe.