35 Euro! Wer in diesem Sterne-Restaurant essen will, muss schon vorher zahlen!
Wer im „100/200 Kitchen“ à la carte essen geht, hat pro Person 35 Euro auf der Rechnung stehen – noch bevor er überhaupt etwas bestellt hat. Mit der so genannten „Gedeckpauschale“ zahlen Gäste für ihren Sitzplatz, den Service, Brot und Leitungswasser. Wie erklären das die Inhaber? Und was meinen Verbraucherschützer und der „Dehoga“-Chef dazu? Wird das jetzt Standard in Restaurants?
Wer im „100/200 Kitchen“ à la carte essen geht, hat pro Person 35 Euro auf der Rechnung stehen – noch bevor er überhaupt etwas bestellt hat. Mit der so genannten „Gedeckpauschale“ zahlen Gäste für ihren Sitzplatz, den Service, Brot und Leitungswasser. Wie erklären das die Inhaber? Und was meinen Verbraucherschützer und der „Dehoga“-Chef dazu? Wird das jetzt Standard in Restaurants?
Salat mit Taschenkrebs, Rinderpastete, Vanilleeis mit Beeren: Im Zwei-Sterne-Restaurant „100/200 Kitchen“ an der Straße Brandshofer Deich (Rothenburgsort) können die Gäste jetzt – neben dem Menü – auch à la carte essen. Einige werden beim Blick auf die neue Speisekarte allerdings überrascht sein. Denn darauf steht ganz oben: Zu zahlen sind 35 Euro pro Person, als „Gedeckpauschale“ – für „Brot, Butter und Wasser satt“.
Und das gilt auch, wenn man gar kein hausgebackenes Sauerteigbrot oder gefiltertes Leitungswasser möchte. Denn: „Die 35 Euro sind außerdem dafür, dass man einen Platz belegt, im positivsten Sinne, dass man umsorgt und unterhalten wird“, sagt Inhaberin Sophie Lehmann (32). „Dass man an einem Tisch sitzt, der handgearbeitet ist aus uralten Baumstämmen, dass man wunderschönes Tafelsilber hat, Porzellan, das sich schön anfasst und sich toll anhört, wenn es auf den Tisch kommt. Es ist bei uns ein liebevolles Setup und detailverliebtes Gastgebersein.“

Außerdem entstehe durch das à la carte-Angebot ein Mehraufwand. „Beim Menü wissen wir vorher genau, wie viele Gäste kommen. Bei à la carte müssen wir spontan agieren. Bei der hohen Lebensmittelqualität, die wir haben, bleibt auch ein Restrisiko, mit Verlust zu bestellen“, so Lehmann. „Wir brauchen diesen Mindestumsatz von 35 Euro, sonst ist es ein Verlustgeschäft.“
Oft würde man sich in der Gastronomie unter Wert verkaufen: „Aber wir wollen auch ein Zeichen setzen: Das Handwerk, der Service, dass wir uns viel Mühe geben, einen besonderen Moment zu kreieren – das muss auch finanziell eine Wertschätzung erfahren“, sagt Sophie Lehmann. Deshalb würden sie diese Kosten auch explizit ausweisen und nicht auf die Preise der Speisen und Getränke draufschlagen. „Wir sind da lieber transparent.“
Wird die „Gedeckpauschale“ in Hamburg schon bald zur Normalität?
Rein rechtlich sei an einer „Gedeckpauschale“ nichts auszusetzen, so Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg: „Wichtig ist, dass der Gast vor seiner Bestellung auf die Kosten hingewiesen wird“, sagt sie. „Wird das nicht getan und einfach auf die Rechnung gesetzt, ist das unzulässig. Eine Zahlungspflicht besteht dann nicht.“ Ein Hinweis auf der Speisekarte sei ausreichend, wenn diese deutlich sichtbar sei, so dass ein durchschnittlich aufmerksamer Gast sie nicht übersehen könne.
Zahlt der Gast denn trotz Pauschale auch noch ein Trinkgeld? „Natürlich ist das immer freiwillig, aber wenn man mit dem Service zufrieden war, sollte man trotzdem das üblich angemessene Trinkgeld geben“, so Rehberg. „Lehnt man ,Gedeckpauschalen‘ grundsätzlich ab, sollte man sich aber auch nicht scheuen, das Restaurant vor der Bestellung wieder zu verlassen.“

In Italien sind „Gedeckpauschalen“ längst üblich. „Ich war gerade in Mailand auf einer Messe und habe in einem schönen Restaurant 6,50 Euro pro Person für Gedeck, Brot und Wasser gezahlt“, sagt Jens Stacklies (60), Vizepräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Hamburg. „Es ist natürlich Aufwand, einen Tisch zu decken und das sollte ich mir auch bezahlen lassen. Aber ich sollte schon so kalkulieren, dass sich beide Seiten wohl fühlen.“ 35 Euro halte er für „sportlich und mutig“. „Aber wir haben ja eine freie Marktwirtschaft. Und wenn Gastronomen meinen, sie haben eine Klientel, mit der sie das hinbekommen: herzlichen Glückwunsch.“ Er halte es für sinnvoller, die Service-Kosten in die Speisen mit einzurechnen.
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Wird die „Gedeckpauschale“ auch in Hamburg schon bald zur Normalität? „Bisher hat sie sich hier nicht nennenswert durchgesetzt“, so Stacklies. „Ich sehe das im Moment noch nicht kommen. Servicekräfte müssten sich für eine ,Gedeckpauschale‘ bestimmt häufig erklären. Dabei gibt es doch keine bessere Werbung als zufriedene Gäste.“