Start-up expandiert in Hamburg: Gehen wir bald alle virtuell zum Arzt?
Altona, Barmbek und Winterhude – gleich an drei attraktiven Standorten eröffnet ein Münchner Start-up seine Hausarztpraxen. Das junge Unternehmen wirbt mit Online-Terminbuchung, Video-Sprechstunden und Anamnese per Smartphone. Doch was bringt Hamburg die neue Hausarzt-Kette? Steht womöglich die Rendite im Vordergrund und nicht der Patient? Das befürchtet zumindest die Kassenärztliche Vereinigung.
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Altona, Barmbek und Winterhude – gleich an drei attraktiven Standorten eröffnet jetzt das Unternehmen „Avi Medical“ seine Hausarztpraxen. Das Münchner Start-up wirbt mit Online-Terminbuchung, Video-Sprechstunden und Anamnese per Smartphone. Doch was bringt Hamburg die neue Hausarzt-Kette? Steht bei „Avi Medical“ womöglich die Rendite im Vordergrund und nicht der Patient? Das befürchtet zumindest die Kassenärztliche Vereinigung (KV).
In Hamburg wird seit Jahren darum gestritten, wie die Stadt mit Hausärzten ausgestattet ist. In sozial schwächeren Regionen wie Steilshoop etwa sind sie dünn gesät, in wohlhabenderen Regionen dafür üppig vorhanden. Und gerade die Corona-Zeit hat gezeigt, dass Menschen ohne festen Hausarzt dumm aus der Wäsche gucken, weil es in vielen Praxen Aufnahmestopps gibt.
Doch können die drei neuen Praxen von Avi Medical für Entspannung sorgen? Zweifel sind zumindest angesagt. „Schon der Blick auf die Standorte Altona, Barmbek und Winterhude zeigt, dass diese Hausarzt-Kette sicherlich nicht anstrebt, in die unterversorgten Stadtteile zu gehen“, sagt Deniz Celik von der Linken. „Hier geht es um eine Kommerzialisierung des Gesundheitssystems.“ Das sei bei Zahnmedizin und Labortechnik losgegangen und nun seien offenbar die Hausärzte dran.
„Avi Medical“ in Hamburg: Start mit Video-Sprechstunde
Die Gründer des Start-up „Avi Medical“ sind drei junge Männer aus München, Vlad Lata (31), Julian Kley (33) und Christoph Baumeister (34). Zwei von ihnen haben technische Berufe studiert, Julian Kley Medizin. Ihre Firma ist als GmbH organisiert und hat im Hintergrund Investoren für eine Finanzierung in Höhe von 28,5 Millionen Euro. Sie kommt größtenteils vom in Berlin ansässigen Healthtech-Fonds Heal Capital und den New Yorker Investor Addition.
„Avi Medical“ hat große Pläne: 2020 ist die erste Praxis in München gegründet worden. 2022 sollen weitere Praxen in München, Hamburg und Berlin folgen. Insgesamt sollen es dann in diesem Jahr 20 sein. „Avi Medical“ übernimmt dabei in der Regel bestehende Hausarzt-Sitze. Bald sollen auch im europäischen Ausland Praxen gegründet werden. Die Firma setzt auf moderne Ansätze wie Online-Terminbuchung, Anamnese per Smartphone und Video-Sprechstunden.
Massive Kritik kommt von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg. „Wir sehen die Geschäftsaufnahme dieser Firma in Hamburg mit Sorge“, so Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg. Denn es könne letztendlich eine Fondsgesellschaft dahinterstecken, der es ausschließlich um Kapitalinteressen gehe. „Es besteht die Gefahr, dass nicht mehr das Patienteninteresse im Mittelpunkt der Behandlung steht“, so Plassmann.
KV sorgt sich um Kommerzialisierung der Medizin
Zudem sei damit der Weg zu Oligopol-Strukturen gebahnt, die dann verhinderten, dass junge Ärztinnen und Ärzten eine eigene Praxis eröffnen könnten. „In einigen fachärztlichen Gebieten wie Dialyse, Labor und zunehmend auch Radiologie ist das bereits der Fall.“ Solche Konzentrationen würden am Ende zu Verschlechterungen für Patienten führen.
Kritik kommt auch von den Linken. Deniz Celik: „Das solch aggressiv expandierende Ketten mit Fremdkapital Hausarztpraxen aufkaufen können, sollte verboten werden.“ Weniger deutlich ist die Kritik bei der SPD. „Uns ist wichtig, dass die hausärztliche Versorgung in allen Stadtteilen ausreichend sichergestellt ist, und nicht einzelne Kassensitze aus Stadtteilen, die ohnehin schon unterversorgt sind, herausgenommen werden“, sagt Fraktionschef Dirk Kienscherf. Die CDU sieht sogar nur Vorteile. Stephan Gamm: „Als CDU-Fraktion unterstützen wir jegliche Form von zusätzlichen Praxisangeboten.“
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Wie aus einer Senatsanfrage der Linken hervorgeht, gibt es in Hamburg schon jetzt 128 Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Hier ist auch „Avi Medical“ einzuordnen. Allerdings gibt es große Unterschiede. Manche MVZ sind auch einfach Zusammenschlüsse von Hausärzten. Bei denen am Ende des Jahres keine Renditen an große Fonds o.ä. abfließen. Für die Patienten ist das aber leider kaum unterscheidbar.