x
x
x
  • Foto: imago images

Stadtreinigung baut Container ab: Altkleidermarkt am Ende – wir kaufen zu billige Mode

Kapituliert Hamburg vor seinen Klamotten-Bergen? Die Stadtreinigung baut ihre 120 Altkleider-Container in der Stadt ab. Und auch das Deutsche Rote Kreuz nimmt vorerst keine Container-Spenden mehr an. Die Corona-Krise ist nur einer der Gründe dafür, dass die Hamburger ihre Altkleider jetzt nicht mehr loswerden. Der Hauptgrund ist der fatale Trend zur Wegwerfmode (Fast Fashion).

„Die Hamburger hatten während der Corona-Krise zu viel Zeit und haben alle ihre Schränke durchgesehen“, sagt Georg Kamp augenzwinkernd. Er ist Landesvorstand des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg. Das DRK geht seit einigen Monaten in Kleiderspenden unter. Deshalb sollen jetzt alle 30 Container gesperrt werden.

Altkleider DRK

Die Mitarbeiterin einer DRK-Kleiderkammer sortiert T-Shirts. Viele Kleiderkammern sind übervoll.

Foto:

imago images

Kamp: „Wir appellieren an die Menschen, dass sie sich die Kleidung genau ansehen und dann entscheiden, was wirklich noch tragbar ist und gespendet werden kann.“

Stadtreinigung Hamburg: Altkleider Container abgebaut

Die Stadtreinigung baut ihre 120 Altkleider-Container gleich ganz ab. Bis Ende August werden alle weg sein. Dann können die Hamburger ihre aussortierte Kleidung nur noch zu den Recyclinghöfen bringen. Oder zu den Stilbruch-Läden, wenn sie denn wirklich noch top in Schuss ist.

DRK-Container

Altkleider-Container des DRK werden mit Flatterband abgesperrt, damit nichts mehr eingeworfen wird. Das passiert gerade nicht nur in Hamburg (Symbolbild).

Foto:

imago images

An dieser endgültigen Entscheidung zeigt sich, dass es nicht um eine reine Corona-Problematik geht. Es wurde bei der Stadtreinigung zwar zuletzt auch mehr Kleidung entsorgt, aber das größere Problem sind die seit Jahren steigenden Klamotten-Mengen. Der Grund: Es gibt immer mehr Wegwerfmode!

Altkleider: Markt für Textilien bricht zusammen

„Der Markt für Alt-Textilien ist zusammengebrochen“, sagt Johann Gerner-Beuerle, Sprecher der Stadtreinigung. „Es wird so viel in so schlechter Qualität weggeworfen, da sind am Ende die Kosten für die Verwertung höher als der Nutzen.“ Der Handel mit Alt-Textilien sei einfach nicht mehr sinnvoll.

Container

Besonders während der Corona-Zeit waren viele Container überfüllt, der Inhalt wurde nicht abgeholt.

Foto:

imago images

„Wir haben bei den Containern auch einfach zu viele sogenannte Fehlwürfe“, ergänzt sein Kollege Kay Goetze. Denn dort würden auch Restmüll, Flüssigkeiten und mehr entsorgt. Am Ende seien ganze Kleider-Ladungen nicht mehr verwertbar. „Auf den Recyclinghöfen haben wir etwas mehr Kontrolle, was in den Containern landet.“

DRK: Altkleider-Container in Hamburg gesperrt

Das grundsätzliche Problem von Stadtreinigung, DRK und allen anderen: Die Altkleider haben mittlerweile eine derart miese Qualität, dass sie oft nicht mal mehr für die Produktion von Putzlappen, Dämmstoffen oder Malervlies taugen. Sie können dann nur noch in die Verbrennung gehen, um zumindest noch der Wärme- und Stromerzeugung zu dienen. 

Viele Tüten von Primark.

Bei manchen Modeläden können Jugendliche sich ein paar Tüten mehr gönnen, weil alles so billig ist.

Foto:

imago images

Rund 2000 Tonnen Altkleider fallen bei der Hamburger Stadtreinigung jährlich an. Davon ein Drittel über Container – diese Mengen könnten jetzt zum Teil wegfallen. Weil die Stadtreinigung sich ihrer Verantwortung aber bewusst ist und es ja auch völlig unsinnig wäre, diese Kleidung dann in den Restmüll zu werfen, will die Stadt mit dem Fraunhofer-Institut dazu forschen, was aus alten Textilfasern gemacht werden könnte.

Studie: Fraunhofer-Institut und Hamburger Stadtreinigung

Dazu wird zunächst einmal ermittelt, was für Fasern denn überhaupt bei Hamburgs Altkleidern anfallen. Kurzfristige Lösungen sind davon nicht zu erwarten, aber perspektivische. Kay Goetze: „Am schnellsten hilft natürlich, wenn wir alle weniger Kleidung kaufen und mehr auf die Qualität achten.“

Demo

Schülerinnen demonstrieren fürs Klima und gegen Wegwerfmode.

Foto:

imago images

Denn tatsächlich hat sich der Kleidungs-Konsum innerhalb von 20 Jahren nahezu verdoppelt. Laut Greenpeace besitzt jeder Erwachsene in Deutschland im Schnitt 95 Kleidungsstücke – und jedes Jahr kommen 60 weitere hinzu. Ein Großteil davon wird innerhalb kürzester Zeit entsorgt.

Fast Fashion: Wegwerfmode wird zu kurz getragen

Was viele sich auch leisten können, weil diese Wegwerfmode im Laden immer billiger geworden ist. Dementsprechend kurz ist die Haltbarkeit. Und die Kunstfaser-Gemische sind auch kaum recycelbar.

Hanseatic help

Malte Wittmann von Hanseatic Help appelliert an Spender, nur heile und saubere Kleidung abzugeben.

Foto:

Marius Roeer

Die Verbraucherzentralen  haben berechnet, dass nur zehn Prozent der Altkleider wirklich an Bedürftige gehen oder Secondhand verkauft werden. Die Hälfte wird von Recyclingfirmen zu Putzlappen verarbeitet, und ein Teil wird nach Afrika und Osteuropa exportiert. Was für die Textil-Märkte dort nicht gut ist und teils durch Schutzzölle verhindert wird.

Altkleider: Sogar Verbrennung kostet Geld

Und dann gibt es noch einen kleinen Teil, der verbrannt wird. Und das bringt den Verwertern kein Geld. Laut „Spiegel“ kostet die Entsorgung durch Verbrennen derzeit für eine Tonne Textilien 250 Euro.

Hanseatic help (1)

Bei Hanseatic Help bereiten sich die Helfer auf die Öffnung der Kleiderkammer vor.

Foto:

Marius Roeer

Der Hamburger Verein Hanseatic Help öffnet am Donnerstag nach vier Monaten Corona-Pause endlich wieder. Dort hat man mittlerweile die Sorge, mit Altkleiderspenden überrannt zu werden. „Wir nehmen nur zwei Kartons oder Taschen pro Person an“, sagt Malte Wittmann.

Das könnte Sie auch interessieren:Miniaturwunderland wächst weiter

Der Verein appelliert an alle Spender, nur gute Kleidung abzugeben. Nichts Kaputtes, nichts Verschmutztes. Gebraucht werden dort immer Hoodies, Jogginghosen, Jacken (vor allem für Männer), Sneaker und Winterschuhe. Aber wohin mit den ganzen anderen Kleidern? Malte Wittmann: „Am Ende hilft nur, weniger einzukaufen, Kleidung zu reparieren und Upcycling. Fast Fashion hat einfach einen zu hohen Durchlauf.“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp