StadtRad in der Krise: Nutzerzahlen halbiert – warum sollen neue Stationen her?
Die Entwicklung ist drastisch: In Hamburg werden viel weniger der markanten, roten Stadträder ausgeliehen als noch vor ein paar Jahren. Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl zum Teil um die Hälfte eingebrochen. Woran liegt das – und warum sind trotzdem noch weitere neue Stationen im Stadtgebiet geplant?
Die Entwicklung ist drastisch: In Hamburg werden viel weniger der markanten, roten Stadträder ausgeliehen als noch vor ein paar Jahren. Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl im Schnitt um die Hälfte eingebrochen. Woran liegt das – und warum sind trotzdem noch weitere neue Stationen im Stadtgebiet geplant?
Seit 2009 rollen die Ausleih-Stadträder bereits durch Hamburg und schrieben seitdem eine Erfolgsgeschichte nach der nächsten. Doch die Jubeljahre sind vorbei. Mit Beginn der Corona-Pandemie nahm das Interesse an den roten Ausleih-Rädern rapide ab – und ist seitdem nicht zurückgekommen.
Im April 2019 wurden in der App noch 316.848 monatliche Ausleihvorgänge registriert. Im ersten Corona-Lockdown, im April 2020, waren es dann nur 147.072 Stück.
In Hamburg werden viel weniger Stadträder ausgeliehen
Im April 2021, diesmal im zweiten Corona-Lockdown, sank die Zahl weiter: 134.484 Räder wurden in jenem Monat gemietet. Als die Corona-Beschränkungen dann im April 2022 aufgehoben waren, bewegte sich die Stadtrad-Zahl allerdings nicht wieder sprunghaft nach oben: 154.635 Ausleihvorgänge wurden registriert.
In diesem Jahr, das zeigt eine Schriftliche Kleine Anfrage des Hamburger CDU-Abgeordneten Richard Seemaecker, sank die Zahl sogar wieder: Nur 134.400 Stadträder wurden im April 2023 ausgeliehen.
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Das liegt aber nicht am April: Im Gegensatz zu 2019 pendeln die Ausleih-Zahlen aller Monate seit zwei Jahren auf einem konstant niedrigen Niveau.
Liegt die Stadtrad-Flaute am Tourismus in Hamburg?
„Wir haben im Tourismus erst vor einigen Monaten die Vor-Corona-Nachfrage erreicht und das wirkte sich auch auf die Entwicklung der Ausleihen in den vergangenen Monaten und Jahren aus“, erklärt Verkehrsbehörden-Sprecher Dennis Krämer die Zahlen. „Denn bei Touristen sind die Stadträder ein beliebtes Fortbewegungsmittel.“
Jedoch: Die Tourismus-Zahlen waren schon im ersten Halbjahr dieses Jahres wieder auf absolutem Top-Niveau. So zählte die Stadt in ihren Hotels, Jugendherbergen und Hostels rund 7,6 Millionen Übernachtungen. Das sind nicht nur 19,1 Prozent mehr als 2022, sondern sogar 5,7 Prozent mehr als im Vor-Corona-Rekordjahr 2019.
Verkehrsbehörde: Immer noch viele Menschen im Homeoffice
Warum zieht das Stadtrad also nicht direkt mit? Krämer ergänzt, dass viele Nutzer auch nach der Pandemie häufiger im Homeoffice seien – oder sie hätten sich während Corona ein eigenes Fahrrad gekauft. Er erinnert an die leeren Regale der Hamburger Fahrradhändler in den Jahren 2020 und 2021. An der Lust am Fahrrad-Fahren kann die Stadtrad–Flaute wohl nicht liegen – seit 2019 gibt es laut der Verkehrsbehörde 33 Prozent mehr Radfahrer in Hamburg.
Wäre da nicht die Konkurrenz: Da ist zum Beispiel der beliebte niederländische Leihrad-Anbieter „Swapfiets“, der seit 2019 in Hamburg um Kunden wirbt: Für 19,90 Euro im Monat gibts ein Rad inklusive Reparaturservice, monatlicher Kündbarkeit und Ersatz bei Diebstahl.
Das Hamburger Stadtrad hat viel Konkurrenz bekommen
Aber auch die zahlreichen E-Scooter-Anbieter bieten eine Alternative, seit etwa einem Jahr gibt’s dort auch E-Bikes. Das Praktische: Anders als beim Stadtrad müssen die Scooter und Fahrräder nicht an festen Stationen ausgeliehen und abgegeben werden – das geht bis auf wenige Ausnahmen praktisch an jeder Straßenecke.
Was bedeutet das jetzt für das Stadtrad? Erst einmal nichts. Aktuell gibt es 308 Stationen, in den nächsten zwei Jahren sollen etwa 50 dazu kommen. Ziel ist es laut der Behörde, die äußere Stadt besser zu erschließen und an U- und S-Bahnstationen anzuknüpfen. Dazu sei der Tageshöchstpreis kürzlich von 15 auf neun Euro gesunken.
Seelmaecker fordert allerdings schon länger, das Projekt zunächst auf Leistungsfähigkeit und Attraktivität zu prüfen. „SPD und Grüne müssen pragmatischer werden und ihre Ideologie über Bord werfen, wenn wir das System verbessern wollen“, sagte er. CDU-Anträge aus der Vergangenheit, etwa die kostenlose Nutzung von 30 auf 90 Minuten zu erhöhen oder die Stadträder mit Kindersitzen auszustatten, seien abgelehnt worden.