Dieser Mann macht Kinder zu begeisterten Rockern
Manchmal braucht es nicht viel, um etwas Großes zu schaffen. Bei Peter Achner (59) reichen ein e-Moll auf der Gitarre, ein Bumm-Tschak am Schlagzeug und zwei Töne auf dem Keyboard. Und schon sind Kinder, die gerade noch Außenseiter waren, eine Band. Eine Gemeinschaft. Die sich aufeinander verlassen kann. Das ist es, worum es dem lässigen Mann mit den tätowierten Armen geht. Peter Achner ist Pädagoge, leidenschaftlicher Musiker und Gründer der „Rock Kids St. Pauli“. Ein Verein, der den Kindern vom Kiez und darüber hinaus Halt gibt. Der sie zu begeisterten Rockern macht. Egal, was sie können oder woher sie kommen.
Manchmal braucht es nicht viel, um etwas Großes zu schaffen. Bei Peter Achner (59) reichen ein e-Moll auf der Gitarre, ein Bumm-Tschak am Schlagzeug und zwei Töne auf dem Keyboard. Und schon sind Kinder, die gerade noch Außenseiter waren, eine Band. Eine Gemeinschaft. Die sich aufeinander verlassen kann. Das ist es, worum es dem lässigen Mann mit den tätowierten Armen geht. Peter Achner ist Pädagoge, leidenschaftlicher Musiker und Gründer der „Rock Kids St. Pauli“. Ein Verein, der den Kindern vom Kiez und darüber hinaus Halt gibt. Der sie zu begeisterten Rockern macht. Egal, was sie können oder woher sie kommen.
Es begann in einer Kita auf dem Kiez. Nicht gerade der Ort, der einem als Erstes bei Rockmusik einfällt. Aber bei Peter passte das. Er ist Rock ’n’ Roller, studierter Soziologe und arbeitet als Erzieher und Musikpädagoge. Als der Mann 2001 im Schulhort der Kita angestellt war, startete er das Projekt. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Kinder so große Lust auf handgemachte Musik haben.“ Peter war begeistert. Die Kinder auch. Der erste Auftritt der „St. Pauli Rock ’n’ Roll Kids“ beim 30-jährigen Bestehen der Kita war ein Riesenerfolg. Der sich rumsprach.
Peter Achner: Pädagoge und erfahrener Rockmusiker
Die Bookerin der Fabrik wurde auf das Projekt aufmerksam und fragte Peter, ob er mit den Kindern bei der Altonale spielen könne. Seine Reaktion: „Weißt du, was du dir da antust?“ Die Bookerin wusste es. Sie wollte genau das. Kinder, die rocken. Egal wie professionell es sich anhört.
Der Beginn eines Lauffeuers. Immer mehr Kinder wollten rocken. Zu viele für die „St. Pauli Rock ’n’ Roll Kids“. So dass Peter Mitstreiter suchte und 2005 den Verein „Rock Kids St. Pauli“ gründete. Seitdem bietet er für die Jugendlichen weiter die Band an, die schon etliche Auftritte und auch mehrere Auslandsreisen gemacht hat. Zusätzlich gibt es einmal die Woche ein offenes Musikprojekt für Sechs- bis 13-Jährige. Alle Kinder können kommen. Keine Anmeldung. Keine Kosten. Keine Anwesenheitspflicht. Nicht mal Vorkenntnisse müssen sie haben. Ein großes musikalisches Chaos? Peter schüttelt den Kopf. „Dann nehme ich meinen Zauberkoffer. Ich bin Pädagoge und erfahrener Rockmusiker.“ Peter weiß mit den Instrumenten umzugehen. Und mit den Kindern auch – die aus allen sozialen Schichten kommen.
„Wir wollen insbesondere Kinder erreichen, die es nicht so leicht im Alltag haben, die durch das Projekt in ihrer Persönlichkeit gestärkt werden.“ Verhaltensoriginelle Kinder – so nennt Peter sie. Und davon gibt es einige. Alleine schon wegen der Örtlichkeit. Der Proberaum befindet sich in einem „Regionalen Bildungs- und Beratungszentrum“, kurz ReBBZ. Dort werden Kinder unterrichtet, die im Rahmen der Inklusion zu schwer beschulbar sind und nicht am Regelunterricht teilnehmen können. Oft sehr schwierige Fälle. Kinder, die schwer Grenzen akzeptieren. Manche auch gar keine. Die zum Teil aggressiv sind, sich nicht in einer Gemeinschaft zurechtfinden, psychische Probleme haben.
Manche haben null Respekt. Ganz schlecht bei Peter. Wer keinen Respekt hat, darf nicht mitmachen. Sich begrüßen, auf den Stuhl setzen und geduldig warten, bis sie eine Gitarre in die Hand kriegen? Pustekuchen. „Neue Kinder stürmen häufig rein, direkt auf das Schlagzeug zu und legen los.“ Da greift der Pädagoge durch. Hinsetzen. Warten. Er entscheidet, wer ans Schlagzeug darf. „Wenn die dann auf den Stühlen anfangen, gleich ihren Nachbarn anzumachen oder sich übel zu beschimpfen, gibt’s eine Ansage.“ Wer das nicht begreift, darf nicht mehr kommen. „Wir sind eine Band. Eine Gemeinschaft. Bei uns gibt es kein Schlagen, keine Beleidigungen. Das ist oberstes Rock-Kids-Gesetz.“
St. Pauli: Bei Peter Achner bekommt jedes Kind Zuspruch
Nur sehr selten muss er Kinder vom Projekt ausschließen. Selbst die „harten Fälle“ akzeptieren seine Regeln. „Ich erwarte nicht nur Respekt, sondern habe auch den Kindern gegenüber höchsten Respekt.“ Auch wenn er mal laut wird, achtet der Musiker darauf, dass er immer gerecht bleibt. Ebenso beim Loben: Besonders talentierten Kindern permanent erzählen, wie toll sie das machen? So was gibt es bei ihm nicht. Jeder bekommt Zuspruch. Besonders die „Loser“, die im Alltag kaum Bestätigung erfahren und ausgegrenzt werden. Manche kommen zur Probe und trauen sich nicht mal, ihm in die Augen zu schauen.
„Da haben wir einige, die über die Jahre richtig was für ihre Persönlichkeit aus der Musik gezogen haben.“ Wie ein Junge, der es in jeder Hinsicht schwer hatte. Zu Hause. In der Schule. Einer, der schon wegen seines Aussehens von Mitschülern gemobbt wurde. „Der wurde immer mutiger. Die Rockmusik hat ihn richtig weitergebracht.“
Immer wieder kommen auch Kinder, die sich zwar obercool finden, aber so gar kein Talent mitbringen. „Denen fehlt jedes Rhythmusgefühl.“ Aber auch die haben es geschafft, den Grundbeat zu lernen. „Das ist es, was mich am stolzesten macht.“ Bei manchen hat es allerdings ein halbes Jahr gedauert. Puh. Harte Arbeit. Für Peter kein Problem. Er ist nicht müde, immer wieder dieselben Handgriffe zu zeigen. „Die Begeisterung ist meine Nahrung. Solange ich die spüre, macht es mir tierischen Spaß.“ Peter baut auf, macht Mut. Wie an diesem Tag bei der Probe.
Fünf Kinder stehen im Musikraum der Schule Bernstorffstraße auf der Bühne und rocken. Ein bisschen schief. Aber voller Stolz und Elan. Peter gibt mit dem Schellenring den Takt vor und feuert die Kinder an. „Yeah! Do it! Sehr gut macht ihr das.“ Das Mädchen im Zebrapulli am Keyboard lässt in großer Geste einen Arm durch die Luft kreisen. Ein Junge mit grüner Gitarre nickt lässig im Takt der Musik. Sie finden sich cool. Und sind es auch. „Selbst wenn sie unrhythmisch werden, begleite ich sie so, dass es sich für sie trotzdem gut anhört.“
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Selbstvertrauen durch Musik – das hat Peter als Kind selber erfahren. Als er neun Jahre alt war, schleppte sein älterer Bruder die ersten Platten an. „Das war wie eine Explosion. Von dem Moment an wollte ich nur noch eins: Rockmusiker werden.“ Mit zwölf bekam er den ersten Unterricht. Mit 13 die erste eigene Gitarre. „Aber andere waren viel besser als ich. Das hat mich völlig frustriert.“ Also lernte er Schlagzeug. Dann gab es genug andere Schlagzeuger und Peter stieg auf Bass um. „Ich bin kein großer Held auf einem Instrument. Aber ich kann alle spielen.“
„Ich bin St. Paulianer. Durch und durch.“
Seine großen Idole: Die britischen Hardrocker Black Sabbath, deren Bandnamen er sich fett auf den Arm tätowieren ließ. „Der Hardrock der 70er hat mir viel gegeben. Dadurch konnte ich mich abgrenzen.“ Anders sein als die konservativen, angepassten Jugendlichen – das war Peter wichtig. Er gründete mehrere Bands. Wie viele? Peter lacht. Das wisse er nicht mehr. „Es waren einige.“ Er hatte Auftritte im Logo, Knust, in der Markthalle und Fabrik. Heute hat er die Rock Kids. Da kann er sein „Rampensau-Virus“ rauslassen. „Ich bin das Bindeglied und kann auf dem Bass alle zusammenhalten.“ Die Show gehört jedoch den Kindern. „Ich bin dabei und gehe auf der Bühne mit den Kindern ab. Das reicht mir.“
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Zumal Peter neben den „Rock Kids“ auch noch zwei Jobs hat. Er arbeitet an der Schule Bernstorffstraße, die die Rock Kids sehr unterstützt, und bietet dort, wie kann es anders sein, Musikprojekte an. Zudem ist er in einer Wohngruppe der Psychiatrischen Nachsorge als Erzieher tätig. Neben der anfallenden Arbeit rockt er auch dort. Ein Anker für die Bewohner, die aus der Psychiatrie entlassen wurden und nun wieder Stabilität bekommen sollen. „Ich find es geil, mit jungen Menschen zu rocken, die oft keine Vorkenntnisse haben und es mit mir lernen“, sagt der Mann, der seit fast 20 Jahren auf dem Kiez lebt. „Ich bin St. Paulianer. Durch und durch.“
Mittlerweile sind Peter und sein Team auch in anderen Stadtteilen aktiv. In Zukunft sollen mehr Musikpädagogen eingestellt werden. Derzeit laufen Gespräche mit Institutionen und Kliniken, die Kinder in psychischer Not betreuen. „Corona hat was mit den Kindern gemacht. Es gibt einen enormen Bedarf“, sagt der Gründer, der sich demnächst etwas anders aufstellen will. Er übernimmt die Rolle des Künstlerischen Leiters und Projekt-Koordinators. „Ich werde immer da sein, wo ich gebraucht werde.“ Der Pädagoge bietet interessierten Institutionen an, sich bei den Rock Kids zu melden. Peter will wachsen. Um noch mehr Kinder zu erreichen. Sie zu stärken. Und zu rocken, was das Zeug hält.
Wer die rockenden Kinder unterstützen möchte, spendet an: Rock Kids St. Pauli e.V.; IBAN: DE05 2005 0550 1206 1321 83