St. Pauli: Investor will Paloma-Viertel nicht mehr – und jetzt?
Paukenschlag bei einem der spektakulärsten Immobilienprojekte der Stadt: Zehn Jahre nach dem Abriss der Esso-Häuser am Spielbudenplatz scheint der Investor das Interesse am „Paloma-Viertel“ verloren zu haben – die Pläne, die unter beispielloser Einbindung der Quartierbewohner entstanden waren, bleiben wohl ein Wolkenkuckucksheim. Springt die Stadt ein? SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf bringt jedenfalls eine mögliche Option für die gigantische Baulücke auf dem Kiez ins Spiel.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Paukenschlag bei einem der spektakulärsten Immobilienprojekte der Stadt: Zehn Jahre nach dem Abriss der Esso-Häuser am Spielbudenplatz scheint der Investor das Interesse am „Paloma-Viertel“ verloren zu haben – die visionären Pläne, die unter beispielloser Einbindung der Quartierbewohner entstanden waren, bleiben wohl ein Wolkenkuckucksheim. Springt die Stadt ein? SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf bringt jedenfalls eine mögliche Option für die gigantische Baulücke auf dem Kiez ins Spiel.
Es ist ein trauriges Jubiläum für den Kiez: Seit fast 10 Jahren klafft ein großes Loch im Herzen von St. Pauli. Längst sollten dort, wo die maroden Esso-Hochhäuser standen, Sozialwohnungen gebaut werden, kleine Geschäfte und Werkstätten, ein Hotel inklusive einem öffentlich zugänglichen Dach – viele Ideen aus der Bürgerbeteiligung „Planbude“ sollten tatsächlich auch verwirklicht werden, wie die „Bayerische Hausbau“ vor zehn Jahren versprach, nach langem Ringen mit den Menschen im Stadtteil. Jetzt scheint der private Investor das Interesse am Paloma-Viertel verloren zu haben.
Michael Ahrens, Sprecher der Wohnungsgesellschaft SAGA, bestätigt der MOPO, dass die Eigentümerin „Bayerische Hausbau“ dem städtischen Unternehmen das immer noch unbebaute Paloma-Grundstück zum Kauf angeboten habe. Es laufen Gespräche. Dabei hatte die Finanzbehörde noch im April betont, es gebe keinen Anlass, ein Szenario des Rückkaufs durch die Stadt zu bewerten.
Paloma-Viertel: Übernimmt die Stadt das Grundstück?
Den Anlass gibt es jetzt anscheinend doch. Bereits 2009 übernahm die „Bayerische Hausbau“ das etwa 6100 Quadratmeter große Grundstück direkt am Spielbudenplatz. Fünf Jahre später wurden die Esso-Hochhäuser und die namensgebende Tankstelle abgerissen.
In einer aufwendigen Bürgerbeteiligung rund um die Initiative „Planbude“ wurde dann vier Jahre an den Paloma-Plänen gefeilt: rund 200 günstige Mietwohnungen, ein Hotel, Werkstätten, ein bezahlbarer Platz für den „Molotow“-Club, der nach dem Abriss wegziehen musste, sowie ein für alle zugängliches Dach zum Skaten, Klettern und Spielen kamen dabei heraus. Dieses Konzept sollte den Spagat zwischen Profitinteressen des Investors und der Erhaltung der Stadtteilidentität schaffen. Seitdem ist auf dem Grundstück allerdings wenig passiert, nicht einmal ein Bauantrag wurde bislang eingereicht.
SPD-Chef verlangt Entscheidung bis Ende des Jahres
SPD Fraktionschef Dirk Kienscherf hatte die Option, dass die Stadt das Grundstück zurückkauft, bereits im April ins Spiel gebracht. „Wichtig ist, dass die Fläche nicht so liegen bleiben kann“, sagt er jetzt der MOPO. „Wir müssen alles daran setzen, noch bis Ende 2023 zu klären, ob der Investor weitermacht oder ob Hamburg die Möglichkeit hat, zu übernehmen.“ Zunächst hatte NDR 90,3 berichtet.
„Das Ganze ist aber wie auch beim Holsten-Quartier eine Frage des Kaufpreises“, sagt der SPD-Politiker. „Was die Stadt nicht machen wird, ist ein Kauf, bei dem der Investor mehrere Millionen Gewinn macht.“ Auf MOPO-Nachfrage erklärt „Bayerische Hausbau“-Sprecherin Sabine Hagn, keine Gesprächdetails herausgeben zu können, erwähnt aber die aktuell schwierigen Rahmenbedingungen in der Immobilienwirtschaft. „Auch einem möglichen Angebot der SAGA stehen wir offen gegenüber“, sagt sie.
Paloma-Viertel St. Pauli: Bauzeit wird auf drei Jahre geschätzt
Kienscherf betont, dass bis Ende des Jahres nicht nur das „Wer“ beim Paloma-Viertel geklärt werden müsse, sondern auch das „Wie“. Denn die Finanzierungskosten seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
„Wollen wir an dem ursprünglichen Konzept festhalten mit dem Ergebnis, dass weiterhin gar nichts passiert, oder sagen wir: Wie kann das Konzept überarbeitet werden, dass es wirtschaftlich tragbar ist?“ Das Wichtigste seien aus seiner Sicht die günstigen Wohnungen sowie die kulturelle Nutzung des „Molotow“. „Wir müssen da zu einer Entscheidung kommen.“ In die Entwürfe des Paloma-Viertels waren damals hunderte von Gestaltungsvorschlägen aus der St. Pauli-Nachbarschaft eingeflossen. Bundesweit galt das Konzept als wegweisend für Stadtentwicklung mit Ortsbezug und echter Bürgerbeteiligung.