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  • Foto: Florian Quandt

Sperrmüll-Männer und Seelentröster: Sie kennen das Leben hinter Hamburgs Türen

Sülldorf –

Der Auszugstermin steht an, doch einige Möbel passen einfach nicht in die neue Wohnung – was jetzt? Kein Problem für die Ausräumtruppe der Stadtreinigung Hamburg. Tag für Tag schleppen die Männer große und kleine Schätze, Intaktes und Kaputtes die Hamburger Treppen hinunter in ihre Fahrzeuge. Sie kennen das Leben hinter den Türen der Hansestadt – die MOPO hat sie begleitet.

Zwei große Fahrzeuge fahren vor das Mehrfamilienhaus in Sülldorf. Die Männer in Orange werden bereits sehnsüchtig erwartet. Erst geht es in den zweiten Stock, dort steht eine gut verschnürte Kommode bereit für den Abtransport. Einmal zugepackt, und die Kommode wandert treppabwärts in den Laster. Auch die schwere Kiste, die in den Keller soll, wird noch mitgenommen. „Die Jungs sind klasse“, sagt die Mieterin.

Sperrmüll: Nicht alles wird vernichtet

Doch nicht alles wird verschrottet: die guten Dinge ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen. Möbelstücke wie die gut erhaltene Kommode aus Sülldorf wandern auf die Ladefläche des 7,5-Tonners. „Die ist noch gut, die geht jetzt an Stilbruch“, sagt Björn Weiß (31). Stilbruch ist ein Tochterunternehmen der Stadtreinigung Hamburg. Gut erhaltene Möbel werden dort geprüft und weiterverkauft.

Sie rücken immer mit mindestens zwei zwei Fahrzeugen an. Einem 7,5 Tonner und einem Pressfahrzeug.

Sie rücken immer mit mindestens zwei Fahrzeugen an. Einem 7,5 Tonner und einem Pressfahrzeug.

Foto:

Florian Quandt

Alles andere landet im zweiten Wagen, einem Pressfahrzeug. Nur wenige Sekunden benötigt die Presse zum Zerschmettern des Bücherregals, in dem womöglich wenige Tage zuvor noch Dutzende Bücher aneinandergereiht waren.

Sperrmüll-Männer auch als Seelentröster unterwegs

Die fünf Männer in Orange sind aber nicht nur Sperrmüll-Männer, sondern manchmal auch Seelentröster, Helfer mit einer Schulter zum Anlehnen. Denn irgendwann kommt bei jedem der Punkt, an dem es nicht mehr alleine geht, der Partner ist vielleicht bereits vor Jahren gestorben, die Oma alleine in den vielen Zimmern. In all den zu entrümpelnden Möbeln stecken die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten – der Abschied fällt schwer.

Aus dem Schrank mit den schwungvollen Schnitzereien hat Großmutter vielleicht jeden Tag das Service für Kaffee und Kuchen geholt. Der Opa hat früher immer genau in diesem Stuhl am Fenster morgens seine Zeitung gelesen und auf dem kleinen Tisch daneben seinen frischen Kaffee abgestellt.

Möbelstücke halten Erinnerungen fest, sie loszulassen fällt den meisten nicht leicht. „Ganze Lebensjahre werden rausgeschleppt“, sagt Rainer Grün (56). „Man muss sie so raustragen, dass man die Möbel streichelt.“ Eine Hauruck-Aktion ist in solchen Fällen nicht möglich, erzählt Grün. „Manchmal muss man die Leute auch einfach in den Arm nehmen.“

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Crew-Mitglieder haben Spaß bei der Arbeit

Neben den traurigen Momenten gibt es aber auch viel zu lachen. Die harte Arbeit wirkt fast beiläufig, wie eine gut geölte Maschine laufen die fünf Crew-Mitglieder Treppe hoch, Treppe runter, immer mit neuem Futter für die Fahrzeuge. Eine kleine Extra-Entsorgung ist dann auch schon mal drin: „Die Blumenpötte sind aber nicht angemeldet“, sagt die Mieterin. „Jetzt hab’ ich sie ja schon in der Hand“, sagt Rainer Grün und verschwindet lächelnd mit den Kübeln auf der einen und einer Holzlatte auf der anderen Seite im Labyrinth der Kellergänge.

Mit vereinten Kräften wandert die Kommode auf die Ladefläche. Sie wird bei Stilbruch einen neuen Besitzer finden.

Mit vereinten Kräften wandert die Kommode auf die Ladefläche. Sie wird bei Stilbruch einen neuen Besitzer finden.

Foto:

Florian Quandt

„Die Jungs sind echt klasse! Freundlich, zuverlässig, hilfsbereit. Ich habe ein ganz neues Bild von der Hamburger Stadtentsorgung“, sagt die Mieterin des nächsten Auftrags in Blankenese. Nach nicht einmal 15 Minuten ist der angemeldete Express-Sperrmüll auch schon aus dem Haus in die Fahrzeuge gewandert. Auch ein längliches Stück Holz in Form eines Gewehrs findet den Weg aus dem Keller. In früheren Tagen hat es einem Kind sicher viel Freude bei „Räuber und Gendarm“ bereitet (einem früher beliebten Abenteuer-Spiel an der frischen Luft).

Seit 30 Jahren arbeitet das Team zusammen

Ob Schickimicki-Wohnung oder Messi-Haushalt, die Männer vom Sperrmüll haben schon alles gesehen. Jeden Tag tragen sie die verschiedensten Dinge aus den Hamburger Wohnungen: Kronleuchter, Kommoden oder die alten Telefonknochen von Nokia. Sie diskutieren mit den Kunden, sie umarmen Trauernde oder haben einen flotten Spruch parat – die fünf sind ein eingespieltes Team – und das teilweise bereits seit über 30 Jahren.

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