Graffiti-Legende: „Ich wollte nie die Nummer 1 sein“
Kurze Jeans, kariertes Hemd – SonnyTee alias Andre Ticoalu wirkt auf den ersten Blick recht unscheinbar. Aber der 54-Jährige ist eine Breakdance-Legende und hat die Graffiti-Kultur in Hamburg mit aufgebaut. Und zwar als das Sprayen hier noch überall verboten war und die Polizei sogar extra eine Sonderkommission einrichtete. Warum SonnyTee trotzdem nie erwischt wurde – und selbst der tödliche Unfall eines Kollegen seine Leidenschaft nicht stoppen konnte.
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Kurze Jeans, kariertes Hemd – SonnyTee alias Andre Ticoalu wirkt auf den ersten Blick recht unscheinbar. Aber der 54-Jährige ist eine Breakdance-Legende und hat die Graffiti-Kultur in Hamburg mit aufgebaut. Und zwar als das Sprayen hier noch überall verboten war und die Polizei sogar extra eine Sonderkommission einrichtete. Warum SonnyTee trotzdem nie erwischt wurde – und selbst der tödliche Unfall eines Kollegen seine Leidenschaft nicht stoppen konnte.
Breakdance und Graffiti – für SonnyTee gehört das zusammen: „Ich tanze wie ich male und ich male wie ich tanze“, sagt er. In Indonesien geboren, kam er 1980 nach Hamburg und wuchs auf St. Pauli auf. Zehn Jahre zuvor entstand die HipHop-Kultur in den USA und schwappte nun langsam auch nach Deutschland.
SonnyTee: Deutscher Meister im Breakdance mit 18 Jahren
Mit dem HipHop kam auch der Breakdance nach Deutschland. SonnyTee, sein Breakdance-Name ist „JaseOne“, war von Anfang an mit dabei und entwickelte seinen ganz eigenen Stil: Er vermischte Elemente der chinesischen Kampfsportart Kung Fu mit dem amerikanischen Breakdance.
1984 wurde SonnyTee Hamburger Meister im Solo-Breakdance, drei Jahre später dann Deutscher Meister mit der Gruppe „Unique Rockers“ – ein Riesen-Erfolg für den damals 18-Jährigen.
„Uprock“-Platte brachte SonnyTee zum Hip-Hop
Er sei schon immer kunstaffin gewesen, machte eine Ausbildung zum Grafiker, erzählt SonnyTee, als er gemeinsam mit dem MOPO-Reporter durch das Museum für Hamburgische Geschichte (Neustadt) geht. Dort ist noch bis Januar 2024 die Sonderausstellung „Hamburg wird bunt“ über die Geschichte des Graffiti zu sehen.
Seine Leidenschaft für Graffiti begann, als er die Platte „Uprock“ von der Band „Rock Steady Crew“ in der Hand hielt – das Cover war mit bunter Schrift und comicartigen Zeichnungen gestaltet. „Ich fand das total genial“, sagt der Hamburger, der auch noch heute fleißig sprüht.
Er fing damit an, Worte an Hauswände oder auf S-Bahnzüge zu malen – illegal. „Das waren für uns fahrende Leinwände“, sagt er. Auch wenn ein Kollege beim S-Bahn-Surfen ums Leben kam, hielt das SonnyTee nicht auf. Für ihn sei Graffiti immer mehr gewesen als kleine Schmierereien. „Ich wollte Kunst machen“, sagt er.
Hamburg in den 80ern: Mit Soko gegen Graffiti-Künstler
Er war damals Teil der Gruppe „Style Master Force“ – das waren fünf bis sieben Schüler im Alter von 13 bis 15 Jahren, die in ihrer Freizeit die Kultur auslebten. Sie trafen sich regelmäßig im S-Bahn-Schacht an der Haltestelle Königsstraße, auf dem Jungfernstieg oder im Club „Powerhouse“ auf St. Pauli.
Während es heute extra Wände in der Stadt gibt, auf denen Künstler ihre Werke legal sprühen können, war Graffiti damals überall in Hamburg verboten. Die Polizei richtete sogar eine Sonderkommission ein – doch SonnyTee bekamen sie nie. SonnyTee und seine Freunde hatten, um nicht erwischt zu werden, zum Beispiel Freundinnen dabei, die Schmiere standen. Mit weiblicher Begleitung sei man unauffälliger gewesen und hatte auch gleich ein Alibi dabei, sagt er: „Ich habe immer alles genau geplant und war nur unterwegs, wenn es dunkel war.“
Viel Geld hatten die Jugendlichen nicht, dafür aber Kreativität: Gardinenbänder wurden zu Sneaker-Schnürsenkeln umfunktioniert, die Großmutter stickte auf einen No-Name-Pulli einfach das Adidas-Logo und SonnyTee knetete einen Ketten-Anhänger in Sneaker-Form – seine Kollegen dachten, das sei ein Designer-Teil aus den USA.
SonnyTee: Künstlerischer Leiter der Hip-Hop-Academy
Mittlerweile ist SonnyTee Künstlerischer Leiter an der HipHop-Academy in Billstedt. Ihm sei es immer wichtig gewesen, anderen seine Erfahrung und sein Wissen weiterzugeben. „Ich wollte nie die Nummer 1 sein – ich wollte, dass die Kultur nicht stirbt“, sagt er.
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Vor einem Jahr hatte SonnyTee eine Hüft-OP – doch mit dem Breakdance aufzuhören, das kommt für ihn nicht in Frage. Im Sommer wird er wieder mit dem Training durchstarten.
Am 11. August wird es anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Hip-Hop im Rahmen eines Festivals in der Stiftung Kultur Palast eine Podiumsdiskussion mit SonnyTee und anderen Experten geben. Einlass: 18 Uhr, Eintritt: 32 Euro, Adresse: Rieckhoffstraße 12 (Harburg)