So viel Hamburg steckt in der deutschen Nationalhymne
Deutschland feiert seine Einheit, und am 3. Oktober wird zum Abschluss des Festaktes in der Elbphilharmonie natürlich das „Lied der Deutschen“ gesungen, die Nationalhymne. Wahrscheinlich wissen die meisten, die es anstimmen, gar nicht, dass es ein Hamburger Verleger, der Hamburger Senat und ein Hamburger Männerchor waren, die – lange bevor es Nationalhymne wurde – zur Verbreitung dieses Liedes entscheidend beigetragen haben.
Deutschland feiert seine Einheit, und am 3. Oktober wird zum Abschluss des Festaktes in der Elbphilharmonie natürlich das „Lied der Deutschen“ gesungen, die Nationalhymne. Wahrscheinlich wissen die meisten, die es anstimmen, gar nicht, dass es ein Hamburger Verleger, der Hamburger Senat und ein Hamburger Männerchor waren, die – lange bevor es Nationalhymne wurde – zur Verbreitung dieses Liedes entscheidend beigetragen haben.
Entstanden ist das Deutschlandlied 1841, in einer Zeit, in der es statt einer deutschen Nation nur einen Staatenbund aus 39 unabhängigen König- und Kaiserreichen, Fürsten- und Herzogtümern und reichsfreien Städte gab. Die Landkarte sah aus wie ein Flickenteppich. Große Teile der Bevölkerung wünschten sich sehnlichst ein einiges Deutschland.

Deutschlandlied: geschrieben auf Helgoland
Und genau so ist auch die Zeile „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“ zu verstehen, die wir heute aus gutem Grund nicht mehr singen. Hoffmann von Fallersleben, ein Literaturprofessor und radikaler Demokrat, wollte damit nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass Deutschland dem Rest der Welt überlegen sei oder sie gar beherrschen sollte – wie es später die Nazis interpretierten. Er, der das Lied 1841 während eines Sommerurlaubs auf der damals zu England gehörenden Insel Helgoland schrieb, formulierte damit vielmehr seine Kampfansage an die Kleinstaaterei. Über Österreich, Preußen, Bayern, Württemberg und über die all den anderen souveränen Fürstentümern, die mit aller Gewalt den Nationalstaat verhinderten, sollte Deutschland stehen.

Verglichen mit anderen deutschen Staaten war Hamburg damals liberal und offen, der Senat förderte Bürgersinn und gewährte bürgerliche Freiheiten. Hamburg war daher auch Sitz des liberalen Verlegers Julius Campe, der – Fallersleben Tinte war noch nicht ganz trocken – die Rechte an dem Lied kaufte und es im September 1841 verlegte. Als am 5. Oktober desselben Jahres aus Baden der Politiker und Staatsrechtler Professor Karl Theodor Welcker, einer der berühmtesten liberalen Vordenker seiner Zeit, die Hansestadt besuchte, ließ der Hamburger Senat ihm ein Ständchen bringen: Das „Lied der Deutschen“ wurde dabei uraufgeführt. Abends im Schein von Fackeln trugen es die Sänger der „Hamburger Liedertafel von 1823“ und der liberalen Hamburger Turnerschaft vor dem Streit’s Hotel am Jungfernstieg vor, denn dort war Welcker abgestiegen.
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Hoffmann von Fallersleben ging ins Exil: Er wurde ständig bespitzelt und 39 Mal ausgewiesen
Im Jahr darauf verlor Fallersleben seine Professur in Breslau. Viele seiner Lieder, Schriften und Äußerungen wurden von der Obrigkeit als radikal und gefährlich empfunden. Preußen und Hannover entzogen ihm die Staatsbürgerschaft und verwiesen ihn des Landes. Hoffmann von Fallersleben ging ins Exil, irrte quer durch Deutschland, wurde ständig von der Polizei bespitzelt. Er lebte von Spenden, Freunde gewährten ihm Unterschlupf, aber nirgends durfte er lange bleiben. 39 Mal wurde er ausgewiesen.

Von Hamburg aus verbreitete sich Hoffmann von Fallerslebens Deutschlandlied im ganzen Land. 1922 – der Dichter war schon fast 50 Jahre tot – trafen sich Reichspräsident Friedrich Ebert und der im Blankeneser Treppenviertel wohnende Reichsinnenminister Dr. Adolf Köster (beide SPD) in Berlin und beschlossen, mit einer Deutschland-Hymne die demokratische Republik zu stärken, deren Ansehen sich durch Umsturzversuche und politische Morde auf dem Tiefpunkt befand. Schließlich wurde Fallerslebens Lied am 11. August 1922, genau 81 Jahre nach seiner Entstehung, zur Nationalhymne proklamiert.

Nur wenige Wochen nach Adolf Hitlers Machtübernahme verschmolz die NS-Führung das Deutschlandlied mit einem Kampfgesang der SA. Fortan erklang nach der ersten Strophe (die beiden anderen waren nun verboten) offiziell das Horst-Wessel-Lied. Die Folge war, dass die Alliierten nach dem Untergang der Hitler-Diktatur das Deutschlandlied auf den Index setzten. Wer trotzdem wagte, es zu singen, musste mit Strafen rechnen.
Nach 1945 gab es für kurze Zeit eine andere Hymne
Bundespräsident Theodor Heuss (1884-1963) wollte mit einer neuen Hymne den demokratischen Neuanfang sicht- und hörbar machen. So ersetzte er zunächst im August 1950 das Deutschlandlied durch die Melodie „Ich hab‘ mich ergeben“ und beauftragte zugleich den Dichter Rudolf Alexander Schröder und den Komponisten Carl Orff damit, eine neue Hymne zu schreiben. Da Orff ablehnte, sprang Herman Reutter ein und schuf die neue Nationalhymne „Land des Glaubens, deutsches Land“. Zu Silvester 1950 wurde sie uraufgeführt.
Doch die Resonanz auf „Theos Schlaflied“ war schlecht, das Werk kam nicht an. In einer Umfrage sprachen sich im Herbst 1951 drei von vier Westdeutschen für die Beibehaltung des Deutschlandliedes aus. Knapp ein Drittel der Befürworter plädierte zudem dafür, künftig die dritte anstelle der ersten Strophe zu singen. Und genau so kam es: Seit dem 6. Mai 1952 ist „Einigkeit und Recht und Freiheit“ die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland.
Übrigens: Wussten Sie, dass die von Joseph Haydn geschriebene Melodie des Deutschlandliedes ursprünglich für die Hymne „Gott erhalte Franz den Kaiser“ gedacht war? Dabei hat es sich der berühmte Komponist leicht gemacht, denn die Melodie kupferte er ab: Sie soll auf ein altes kroatisches Liebeslied zurückgehen. „Jutro rano ja se stanem“, heißt es.