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Dieser Stolperstein wurde entfernt. An die Stelle hat jemand eine normale Gehwegplatte verlegen lassen.
  • Dieser Stolperstein wurde entfernt. An die Stelle hat jemand eine normale Gehwegplatte verlegen lassen.
  • Foto: Olaf Wunder

Skandal in Winterhude: Stolperstein vor Villa professionell entfernt

Seit 20 Jahren schon werden Stolpersteine in Hamburg verlegt. Mehr als 6200 gibt es inzwischen. Es kommt vor, dass Hausbesitzer etwas dagegen haben, dass auf diese Weise an deportierte und ermordete Juden, Kommunisten, Gewerkschafter, Widerstandskämpfer, Homosexuelle, Roma und Sinti erinnert wird. Es ist auch schon passiert, dass Passanten Stolpersteine mit Farbe besudelt oder zerstört haben. Aber so etwas Dreistes, wie das, was jetzt in Winterhude geschehen ist, nein, das hat es noch nicht gegeben.

Tatort: die Villa Leinpfad 20. Peter Hess, der die Hamburger Stolperstein-Initiative leitet, war selbst dabei, als am 16. Oktober vor dem Haus ein Stolperstein verlegt wurde. Der Stein, er erinnerte an die Jüdin Paula Jacobson, die die Demütigungen und Entrechtungen nicht mehr ertragen hat und am 19. September 1934 Selbstmord verübte.

Leinpfad 20 in Hamburg: Vor dieser Villa lag der Stolperstein

Leinpfad 20: Vor dieser Villa lag der verschwundene Stolperstein Olaf Wunder
Leinpfad
Leinpfad 20: Vor dieser Villa lag der verschwundene Stolperstein

„Zufällig bin ich ein paar Tage nach der Verlegung wieder im Leinpfad gewesen“, so Hess, „und ich traute meinen Augen nicht: Der Stolperstein – er war verschwunden.“ Ja, es war nicht einmal mehr zu erkennen, dass es je einen Stolperstein gegeben hatte. „An der Stelle, an der er sich befand, liegt jetzt eine nagelneue Gehwegplatte“, so Hess. „Ganz offensichtlich hat sich jemand die Mühe gemacht und für diese Schandtat auch noch einen Handwerker beauftragt.“

Hess sagt, er sei fassungslos. Er will den Verantwortlichen finden. Deshalb hat er in der Nachbarschaft Flugblätter in die Briefkasten geworfen. Sachdienliche Hinweise gab es bisher allerdings nicht. Das Einzige, was kam: der Anruf eines Mannes, der anonym bleiben will. Seine größte Sorge: dass nun das Haus ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden könnte.

Hamburg: Stolperstein durch Gehwegplatte ersetzt

Dort, wo der Stolperstein war, ist nun diese Gehwegplatte verlegt Olaf Wunder
Stolperstein
Dort, wo der Stolperstein war, ist nun diese Gehwegplatte verlegt

Peter Hess engagiert sich seit vielen Jahren in der Stolperstein-Initiative. „In dieser Zeit habe ich die eine Erfahrung machen müssen“, sagt er, „nämlich, dass es häufig die besseren, die wohlhabenderen Gegenden sind, wo es Ärger mit Anwohnern gibt.“ Über die Gründe könne er nur spekulieren. „Möglicherweise hat es damit zu tun, dass in den Villenvierteln noch direkte Nachfahren derjenigen leben, die sich die Häuser im Zuge der sogenannten ,Arisierung‘ unter den Nagel gerissen haben.“

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Übrigens: MOPO-Recherchen haben ergeben, dass das Haus Leinpfad 20 tatsächlich bis 1939 einem Juden gehört hat, Alfred Moritzsen. Dann hat er es für einen geringen Kaufpreis – genau 55.000 Reichsmark – an einen nicht-jüdischen Käufer veräußert bzw. veräußern müssen. Wenig später hat Moritzsen Nazi-Deutschland Richtung Dänemark verlassen.

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Ob die „Arisierung“ und das Verschwinden des Stolpersteins zusammenhängen, das ist unklar. Auf jeden Fall wird der Diebstahl ein Nachspiel haben. Anzeige bei der Polizei ist erstattet. Am Donnerstag, den 25. November (16 Uhr), sollen bei einer Gedenkveranstaltung vor dem Haus Leinpfad 20 Blumen für Paula Jacobson niedergelegt werden.

Im Übrigen ist ein neuer Stolperstein in Arbeit. Er wird vermutlich im kommenden Jahr verlegt. „Wir hoffen dann inständig, dass er nicht wieder verschwindet“, so Hess.

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