„Sie zerstören unseren Wohnraum“: Hamburgs nerviger Camper-Boom
Rollende Ferienheime sorgen in Hamburg für Frust: Sie sind zwischen fünf und sechs Meter lang, ein bis zwei Meter breit, bis zu drei Meter hoch und prägen das Bild von Altona, St. Pauli und Eimsbüttel. Die Rede ist von Campingmobilen und Bullis aller Art, die sich aufgrund ihrer Größe gern mal auf zwei Parkplätze oder sogar dem Gehweg breitmachen. Eine Expertin kritisiert die Scheinheiligkeit vieler Camper – und sagt, wie Hamburg das Problem lösen könnte.
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Rollende Ferienheime sorgen in Hamburg für Frust: Sie sind zwischen fünf und sechs Meter lang, ein bis zwei Meter breit, bis zu drei Meter hoch und prägen das Bild von Altona, St. Pauli und Eimsbüttel. Die Rede ist von Campingmobilen und Bullis aller Art, die sich gern mal auf zwei Parkplätze oder sogar dem Gehweg breitmachen. Eine Expertin kritisiert die Scheinheiligkeit vieler Camper – und sagt, wie Hamburg das Problem lösen könnte.
„Wenn ich nach draußen gehe, habe ich oft das Gefühl, ich renne gegen Küchenwände. Diese Campingmobile sind ja nicht durchsichtig“, erzählt Katja Diehl. Die 49-jährige Mobilitätsexpertin und Autorin lebt in Eimsbüttel und kennt den „Trailer Park“, wie sie ihn nennt, nur zu gut. „In der Lutterothstraße standen auf 500 Metern mal 32 solcher Fahrzeuge.“
Immer mehr Camper und Wohnmobile in Hamburg
„Ich beobachte das in Eimsbüttel schon sehr lange. Mit der Pandemie kam ja der Trend zur Natur, aber eben nicht auf eine gesunde Art und Weise. Viele der Camping-Fahrer sehen sich selbst als grün, während sie aber den Wohn- und Lebensraum für Andere zerstören. Und es werden immer mehr“, sagt Diehl.
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Dass sie mit diesem Eindruck Recht hat, bestätigen die Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes. Demnach gab es in Hamburg im Jahr 2013 um die 8600 Camper und Wohnmobile, im zweiten Pandemiejahr 2021 waren es schon rund 15.600 und der Trend setzt sich fort: Anfang 2022 meldete das Bundesamt 17.400 dieser vierrädrigen Urlaubsdomizile. Damit ist die Hansestadt das Bundesland mit der zweitgrößten Camper-Dichte, gleich hinter Schleswig-Holstein.
„Man hat einfach gar kein Gefühl mehr für die Stadt“, sagt Diehl. „Diese Camper sind sehr schwer, verdichten den Boden noch mehr als normale Pkw und stehen aufgrund ihrer Größe sogar oft auf dem Gehweg. Darunter leiden dann Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhl.“ Man könne die Fahrzeuge ja auch einfach leihen, schlägt sie vor.
Der Trend zum Wohnmobil – kein kurzer Corona-Hype?
Johannes Vieten betreibt gemeinsam mit Jens Köhler bereits seit über sieben Jahren eine Bulli-Vermietung in Hamburg – über fehlende Aufträge kann er sich jedenfalls nicht beschweren. „Der Trend kam aber nicht erst mit Corona, sondern schon seit 2013“, sagt er. „Klar, die Pandemie hat dem Ganzen nochmal einen Schub gegeben, aber das war auf keinen Fall etwas Kurzfristiges.“
Seit Anfang April haben er und sein Geschäftspartner sich ihren Traum erfüllt und zusätzlich auf der Insel Fehmarn in Schleswig-Holstein einen Campingplatz mit 377 Plätzen eröffnet. Über den Sommer war das „Ahoi Camp Fehmarn“ komplett ausgebucht, die meisten Camper kommen aus Hamburg.
Welche Parkregeln gelten für Wohnmobile in Hamburg?
Und solange die Wohnmobile nicht auf Fehmarn oder sonstwo an Nord- und Ostsee unterwegs sind, stehen sie eben in Hamburgs Wohnvierteln rum. Dabei unterscheidet die Polizei zwischen Wohnwagen, die ohne ihr Zugauto maximal zwei Wochen am Straßenrand abgestellt werden dürfen, und Wohnmobilen bis zu 7,5 Tonnen, die ohne zeitliche Begrenzung parken können. „Wohnmobile über 7,5 Tonnen dürfen innerhalb geschlossener Ortschaften von 22 bis 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen nicht parken“, sagt Polizei-Sprecher Daniel Ritterskamp. Es sei denn, es ist ausdrücklich genehmigt.
Das Gleiche gilt für das Anwohnerparken. Um eine Parkerlaubnis zu bekommen, müssen hier Autofahrer nachweisen, dass sie im Viertel zu Hause sind. „Wohnmobile unter 7,5 Tonnen haben dort den gleichen rechtlichen Status wie andere Kfz-Fahrzeuge“, erklärt Verkehrsbehörden-Sprecher Dennis Heinert. Alle anderen dürfen nur noch höchstens drei Stunden dort stehen – für drei Euro pro Stunde.
„Es wäre schon ein erster Schritt, wenn diese Camper vom Anwohnerparken ausgeschlossen werden würden“, fordert Katja Diehl. „Die Strafen müssen strenger werden, es muss einfach ans Portemonnaie gehen. Dann würde sich das Problem ganz schnell von alleine lösen“, ist sie sich sicher. Es gibt auch Winterquartiere, etwa Scheunen in Schleswig-Holstein, für 55 bis 100 Euro im Monat pro Stellplatz – was für viele Campingfreunde nicht besonders reizvoll ist, solange man gratis und bequem vor der eigenen Haustür parken kann.