Tennis mit Sehschwäche: Hier rasseln die Bälle beim Spiel
„Ready?“, „Yes!“, „Play!”, klingt es immer wieder durch die Tennishalle vom Betriebssport-Verband Hamburg, bevor ein gelber, rasselnder Ball zwischen zwei Spielern hin und her springt. Die Spieler jagen dem seltsam großen Tennisball hinterher – lassen ihn zwischendrin aber nicht nur einmal, sondern teils dreimal aufkommen. Sascha und Miro, Vizemeister und Deutscher Meister, erklären ihre Art von Tennis, die viel schwieriger ist, als sie zuerst scheint.
„Ready?“, „Yes!“, „Play!”, klingt es immer wieder durch die Tennishalle vom Betriebssport-Verband Hamburg, bevor ein gelber, rasselnder Ball zwischen zwei Spielern hin und her springt. Die Spieler jagen dem seltsam großen Tennisball hinterher – lassen ihn zwischendrin aber nicht nur einmal, sondern teils dreimal aufkommen. Sascha und Miro, Vizemeister und Deutscher Meister, erklären ihre Art von Tennis, die viel schwieriger ist, als sie zuerst scheint.
Vor der Tennishalle vom Betriebssport-Verband Hamburg wartet Sascha schon darauf, dass das Training beginnt. Er trägt eine Brille, Shirt mit Jeans, und hat einen kleinen Rucksack und seine Tennistasche dabei – am Riemen der Tasche leuchtet ein gelber Ansteckbutton mit drei schwarzen Punkten. Seit er Kind war, schwindet Saschas Sehkraft durch eine Sehnerv-Erkrankung – heute hat er nur noch etwa drei Prozent Sehvermögen.
„Im Sommer spielen die meisten draußen, dann haben wir die Halle fürs Blindentennis oft allein“, erzählt er gut gelaunt, während er in die leere Halle hineinläuft. Dort beginnt er schon mal, alle Utensilien zusammenzusuchen, die er und sein Trainingspartner Miro fürs Spiel brauchen: eine Kiste voller großer, rasselnder Tennisbälle, zwei neongelbe Klettbänder und ein Maßband.

Als Miro ankommt, begrüßen sich die beiden per Handschlag. Dann bringen sie die Grundlinien mithilfe des Maßbandes auf beiden Spielfeldern an. Die Linie gilt dabei nicht nur als Begrenzung – die Felder sind etwas kürzer als bei sehenden Spielern – sondern auch als haptische Orientierung. „Man kann das Klettband mit dem Fuß ertasten“, erklärt Sascha und fährt mit seinem Fuß über die Linie.
Heute bleiben Sascha und Miro die einzigen beim Training, „der dritte Spieler hat abgesagt und die beiden vollblinden Spieler sind auch nicht da.“ Beim Blindentennis gibt es nämlich vier Kategorien, erklärt Sascha. In Kategorie B1 spielen Menschen, die als vollblind gelten. Sie tragen eine Dunkelmaske, die letzte Lichtimpulse filtert und jedem die gleichen Chancen gibt. In B2 spielen Menschen mit wenig Sehvermögen, wie Sascha und Miro. Spielende in B3 und B4 haben jeweils etwas mehr Sehkraft übrig.

Nach dem Aufbau geht es los: „Ready?“, fragt Sascha, er steht hinter der Grundlinie und hält Schläger und Tennisball zum Aufschlag bereit. „Yes“, antwortet Miro, auch er steht konzentriert hinter der Linie. „Play!“, ruft Sascha, wirft den Ball hoch und schlägt ihn zielsicher in das gegnerische Feld. Der Ball tippt einmal auf – dann noch einmal – dann schlägt Miro ihn zurück zu Sascha.
Schlag um Schlag kommt Bewegung ins Spiel. Immer schneller fliegen die Bälle über das Netz. Wer Sascha und Miro zuschaut, würde nicht meinen, dass sie den Ball kaum sehen können. Doch beide erkennen nur verschwommene Umrisse ihrer Umgebung. Miro hat im Zentrum seines Sichtfeldes außerdem einen grauen Fleck, nur am Rand erkennt er Umrisse. Das hält beide auf dem Tennisplatz aber nicht davon ab, kreuz und quer den Bällen nachzujagen. „Hier fühlen wir uns sicher, der Boden ist eben und es gibt keine Hindernisse“, erzählt Miro atemlos.

Trotz vieler Ähnlichkeiten mit herkömmlichem Tennis, unterscheiden sich Spielweise und Gerätschaften. „Wir spielen mit Kinderschlägern. Durch den kürzeren Griff kann man kontrollierter ausholen und schlagen“, erklärt Sascha. Die Bälle sind größer – ungefähr zehn Zentimeter im Durchmesser –, aus Schaumstoff und rasseln beim Spiel. Metallstäbchen im Inneren sorgen für das Geräusch, dem die Spielenden dann folgen.
Tennis mit einem restlichen Sehvermögen und dem Gehör zu spielen, funktioniert ganz gut, meint Sascha. Den Spielen von Vollblinden fehle dagegen manchmal der Spielfluss, weil sie sich immer nur auf ihr Gehör verlassen müssen. „Das ist auf Dauer sehr anstrengend“, erklärt Miro.
Blindentennis: ein Sport auf „Augenhöhe“
Weder Sascha noch Miro würden Tennis gegen eine andere Blindensportart tauschen. „Am Blindentennis ist toll, dass wir unseren Sehrest nutzen und uns auf Augenhöhe mit anderen messen können, ohne dass sie durch ihre Sehkraft Vorteile haben.“ Blindenfußball, bei dem alle Spielenden Dunkelmasken tragen, käme dagegen nicht für sie in Frage: „Mich freiwillig noch blinder zu machen – nee, das ist nichts für mich“, meint Miro kopfschüttelnd.
Aber auch Blindentennis in ihrer Kategorie sei deutlich langsamer als Tennisspiele Sehender, erzählen die beiden. Dabei kommt auch in ihr Spiel viel Geschwindigkeit. Den Regeln zufolge darf der Ball zwar dreimal aufkommen, bevor sie ihn zurückspielen, doch Sascha und Miro schlagen die Bälle oft schon nach dem ersten oder zweiten Auftippen zurück.

Um noch gezielter trainieren zu können, fehle den beiden aber eine Trainerin oder ein Trainer. In Deutschland verbreitet sich Blindentennis zwar seit 2016, doch gebe es noch immer keine übergeordneten Strukturen. So müssen Sascha und Miro ihre Bälle selbst kaufen – acht Euro pro Ball rund alle halbe Jahre – und auch Hallenplätze, Trainer, sowie die Anreise und Startgebühren für Turniere müssten aus eigener Tasche bezahlt werden. „Wir haben schon beim Hamburger Tennisverband angefragt und stehen im Kontakt zum HSV.“
Verpasste Gelegenheit: Olympia-Auftakt von Blindentennis im Ursprungsland Japan wäre „perfekt“ gewesen
Andererseits entwickelt sich der Sport immer weiter, meint Sascha. „Die Schule für Blinde und Sehbehinderte am Borgweg bietet zum Beispiel Blindentennis an“, und es kämen mehr Turniere hinzu. „In Deutschland sind die Norddeutschen und Deutschen Meisterschaften die größten Turniere, aber 2020 sollte Blindentennis bei den Olympischen Spielen in Tokio eingeführt werden, das ist durch Corona leider ausgefallen”, erzählt Miro enttäuscht. In Japan hat Blindentennis auch seinen Ursprung, „die Gelegenheit wäre perfekt gewesen“.
Mit einem Verein im Rücken könnte sich die Sportart noch weiter entwickeln, erklärt Sascha. „Wir könnten Mitglieder werben und Sponsoren sammeln“. Das Interesse an einem Verein sei auf ihrer Seite auf jeden Fall vorhanden. Bis dahin trainieren Sascha und Miro weiter in ihrer kleinen Gruppe und bereiten sich auf die nächsten Deutschen Meisterschaften im Dezember vor.
Motiviert schlagen sie also Ball nach Ball und geben sich zwischendrin Tipps, wenn ein Ball hinter der Grundlinie im Aus landet. Gerade spielen sie zwar zum Spaß – „wenn wir mit Punkten spielen, besiegt Miro mich immer“ – aber bei den Meisterschaften könnten sie als Gegner aufeinandertreffen. „Wenn ich schon ein Turnier spiele, dann will ich auch gewinnen“, kündigt Sascha grinsend seinen Siegeswillen an. Dann geht das Training weiter: „Ready?“, „Yes!“, „Play!”, klingt es durch die Halle, bevor die gelben Bälle wieder durch die Luft rasseln.